„Klimaschutz und Arbeitskämpfe können nur zusammen gedacht werden“

Interview mit "#WirFahrenZusammen Halle"

von | veröffentlicht am 28.02 2024

Beitragsbild: WirFahrenZusammen Halle

Seit November 2023 gibt es das Bündnis "#WirFahrenZusammen Halle", in dem sich Beschäftigte aus dem ÖPNV, Gewerkschafter*innen und Aktive aus der Klimagerechtigkeitsbewegung zusammengetan haben, um vereint für bessere Arbeitsbedingungen und konsequenten Klimaschutz einzustehen.
Rund um den 1. März soll bundesweit im Nahverkehr gestreikt werden, parallel dazu ruft "Fridays for Future" gemeinsam mit "ver.di" zum Klimastreik in ganz Deutschland auf.
Wir haben im Vorhinein mit Aktivist*innen aus dem lokalen Bündnis "#WirFahrenZusammen Halle" gesprochen.




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Seit dem 6.11.2023 gibt es die Kampagne „#WirFahrenZusammen“ auch in Halle. Wer seid ihr und seid ihr die erste Vernetzung zwischen der Klimabewegung und ÖPNV-Beschäftigten hier vor Ort?

Wir Fahren Zusammen Halle (WFZ): Als Fridays for Future sind wir mit den Beschäftigten bei der HAVAG schon seit 2020 vernetzt. Damals unter dem Label „TVN 2020“ – Tarifvertrag Nahverkehr. Auch damals kam es zu großen bundesweiten ÖPNV-Streiks, bei denen wir im Bündnis auftraten und mit Aktionen und gegenseitiger Unterstützung auf uns aufmerksam machten. Seitdem kam es immer wieder zu Tarifauseinandersetzungen und gemeinsamen Aktionen, wodurch gute und langfristige Beziehungen entstanden sind.

Mit der Kampagne „#WirFahrenZusammen“ haben wir also einen neuen Namen und seitdem sind auch viele neue Menschen ins Bündnis gekommen, wir haben aber das Glück schon auf gute Strukturen zurückgreifen zu können. Heute besteht das Bündnis aus Beschäftigten im ÖPNV, Aktiven bei Fridays for Future, Gewerkschafter*innen und einigen engagierten Einzelpersonen.

Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

WFZ: Mit den Menschen aus der Gewerkschaft ver.di hatten wir tatsächlich aber schon vor der Zusammenarbeit mit den Beschäftigten im ÖPNV Kontakt und auch unregelmäßige Treffen. Als dann 2020 bundesweit vor allem bei Students for Future und ver.di-(Jugend) Gruppen für die Zusammenarbeit geworben wurde, bestanden zur Gewerkschaft schon Kontakte und viel Interesse daran, den Kampf um Klimagerechtigkeit auch in andere Milieus zu tragen. Von Beschäftigten der HAVAG die bei ver.di aktiv sind, gab es ebenfalls Interesse und so kam es zu ersten gemeinsamen Treffen und auch bald ersten gemeinsamen Aktionen. Viele Aktionsideen kamen dabei auch aus anderen Ortsgruppen oder von den Menschen, die bundesweite Koordinierungsarbeit leisteten, was uns in Halle sehr zu Gute kam.
Die „#WirFahrenZusammen“-Kampagne ist tatsächlich auch schon lange geplant gewesen zwischen Mitgliedern von FFF und ver.di und so auch, dass bundesweit alle Tarifverträge im Nahverkehr zum 1. Januar auslaufen.

Was ist seit dem November passiert?

WFZ: Wir haben in den letzten Monaten die Bewegung weiter aufgebaut. Dazu waren wir vor allem in der Uni, aber auch in der Stadt unterwegs, sind mit Menschen ins Gespräch gekommen und haben Unterschriften gesammelt. Jede gesammelte Unterschrift hat uns die Möglichkeit gegeben, mit der Person ins Gespräch zu kommen und über die Lage der Beschäftigten im ÖPNV und deren Arbeitsbedingungen zu sprechen. Dabei riefen wir zur Solidarität bei den kommenden Streiks auf. Klimaschutz und Arbeitskämpfe können nur zusammen gedacht werden, weshalb wir gemeinsam für eine sozial- sowie klimagerechten Verkehrswende kämpfen. Ein weiterer wichtiger Punkt war, dass wir im Betrieb mit Beschäftigten gemeinsam Gespräche geführt und für die betriebliche Mehrheitspetition Unterschriften gesammelt haben.

Die beiden bisherigen Höhepunkte waren die zwei Streiktage. Dort waren wir mit am Streikposten dabei, zeigten Solidarität und planten weitere gemeinsame Aktionen. So konnten wir unser Bündnis weiter stärken.

Bundesweit wird für den 1. März zu Streiks und Demonstrationen aufgerufen, was plant ihr für den 01. März in Halle? 

WFZ: Fridays for Future und ver.di haben bundesweit zum Klimastreik aufgerufen. Der thematische Fokus liegt auf der Verkehrswende, den schlechten Arbeitsbedingungen im ÖPNV und auf dem Bündnis „#WirFahrenZusammen“. In Halle ist eine Demonstration mit zwei Kundgebungen angemeldet. Die Demo startet um 15 Uhr am Opernplatz. Die Laufdemo endet vor dem Betriebshof Freiimfelderstraße. In Halle rufen nicht nur ver.di, Fridays for Future und #WirFahrenZusammen dazu auf, am 01.03. gemeinsam auf die Straße zu gehen, sondern auch Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage. Seite an Seite werden wir am Freitag laut sein. Damit Bus und Bahn in der gesamten Verkehrspolitik Vorfahrt bekommen, Arbeitsbedingungen nicht krank machen und um ein Zeichen gegen Spaltung zu setzen.

Es fanden bereits zwei Streiktage der Beschäftigten bei der HAVAG statt, waren diese erfolgreich und inwieweit hat sich „#WirFahrenZusammen“ dabei beteiligt?

WFZ: Die ersten Streiktage waren ein voller Erfolg für unser Bündnis. Wir haben es geschafft, dass von Anfang bis Ende des 24h-Streiks durchgehend Aktivist*innen am Streikposten waren und zeigten so unsere volle Solidarität mit den Streikenden. Wir halfen beim Auf- und Abbau, hatten einen Redebeitrag zur Streikkundgebung und konnten viele Gespräche mit Kolleg*innen führen, die noch nicht von dem Bündnis wussten. Wir machten deutlich: Die Beschäftigten führen diesen Kampf nicht alleine!

„Im Rahmen des Bündnis ‚#WirFahrenZusammen‘ vereinen wir die Streikmacht der Beschäftigten und die Mobilisierungskraft der Klimagerechtigkeitsbewegung.“

Warum ist es für euch wichtig, Gewerkschaftskämpfe, Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen mit dem Kampf für eine klimagerechte Welt zu verbinden?

WFZ: Der Kampf gegen die Klimakrise und für bessere Arbeitsbedingungen müssen zusammen gedacht werden und sind nur gemeinsam zu lösen. Das erreichen der Klimaziele ist ohne eine echte Verkehrswende und eine nachhaltige sowie dauerhafte Stärkung des ÖPNVs nicht möglich. Die Kapazitäten von Bus und Bahn sollen bis 2030 verdoppelt werden. Wer soll das fahren, wenn die Arbeitsbedingungen krank machen?
Die derzeitigen Arbeitsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr sind katastrophal. Die Beschäftigten haben viele überlange Dienste, oft nur 12 Stunden Ruhezeit zwischen den Schichten, haben kaum Zeit für Pausen, sind hohem Zeitdruck und Stress ausgesetzt und das alles für schlechte Löhne. Daraus resultieren bundesweit hohe Krankenstände und Personalmangel – die schlechten Bedingungen haben sich längst herumgesprochen. Als Folge sind Busse und Bahnen überfüllt, verspätet und fallen aus. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir uns für konsequenten und sozial gerechten Klimaschutz nicht auf die Politik verlassen können. Deshalb nehmen wir das nun selbst in die Hand als Beschäftigte, Fahrgäste und Aktive.
Im Rahmen des Bündnis „#WirFahrenZusammen“ vereinen wir die Streikmacht der Beschäftigten und die Mobilisierungskraft der Klimagerechtigkeitsbewegung. Dafür, dass der Bus überall kommt und Arbeitsbedingungen nicht krank machen.
Guter Nahverkehr braucht gute Arbeit. Wir fordern konsequenten Klimaschutz, aber nicht auf dem Rücken der Beschäftigten! Wir sind jahrelang auf die Straße gegangen und haben demonstriert, ohne dass die Politik ernsthaften Klimaschutz umgesetzt hat. Es ist eine logische Konsequenz, dass nun Kämpfe verbunden werden und solidarisch für gemeinsame Ziele gestreikt wird, denn zusammen geht mehr!

Welche Erfahrungen habt ihr mit dem gemeinsamen Kampf von Beschäftigten und Aktivist*innen gemacht und sollte sich diese Zusammenarbeit auch auf andere Branchen ausweiten?

WFZ: Mit dem gemeinsamen Kampf von Beschäftigten und Aktivist*innen haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Durch gemeinsame Aktionen konnten wir bereits viele Menschen aus verschiedenen Ecken aus der Gesellschaft erreichen. Wir haben uns gemeinsam an einen Tisch gesetzt, Vorbehalte abgebaut, uns kennengelernt und Erfahrungen ausgetauscht. Schnell wurde klar: Uns vereint mehr, als uns trennt. Das Bündnis ist immer stärker geworden. Nicht nur in Halle sondern deutschlandweit. In Leipzig hat die Kampagne bei den Tarifverhandlungen mit dazu beigetragen, dass es zu einem Inflationsausgleich gekommen ist. Beschäftigte im ÖPNV in Leipzig verdienen nun etwa 500 Euro monatlich mehr als in Halle.
Wir hoffen, dass unser Bündnis ein Beispiel dafür ist, dass es nicht nicht nur Sinn macht, unsere Kräfte zu bündeln, sondern es zudem der einzige Weg ist, um sozial und ökologisch gerechten gesamtgesellschaftlichen Wandel zu erreichen.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.