Die nie-enden-wollende Wahlkampfrede

Zweiter Prozesstag gegen Björn Höcke vor dem Landgericht Halle

von | veröffentlicht am 14.05 2024

Beitragsbild: Dani Luiz

Am 23. April 2024, dem zweiten Verhandlungstag im Strafprozess vor dem Landgericht Halle gegen den Angeklagten Björn Höcke (A), wird eine Aufzeichnung der Wahlkampfveranstaltung gezeigt, bei der A die gegenständliche verbotene SA Parole erstmals öffentlich benutzt haben soll, der Polizist der die Anzeige stellte, wird als Zeuge vernommen, das Gericht gibt eine Erklärung über das zu erwartende Strafmaß im Falle einer Verurteilung ab und A spricht zum ersten Mal selbst über den Vorwurf.




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Dieser Artikel ist Teil einer Serie an Berichten über das Verfahren gegen B. Höcke vor dem Landgericht (LG) Halle und behandelt den zweiten Verhandlungstag.
Der erste Bericht ist bereits online abrufbar.
Neben den protokollarischen Berichten über den Inhalt der Verhandlung wird nach Abschluss des Verfahrens eine abschließende Analyse folgen.

09:15 Uhr

Der Vorsitzende Richter (VR) erklärt kurz, dass das Gericht die von er Verteidigung geforderte Erklärung über den Stand des Verfahrens (§ 257b StPO) nach der Beweisaufnahme vom Video und der Zeugenaussage abgeben wird und schlägt vor, dass die Einlassung des Angeklagten (A) nach der Erklärung des Gerichts stattfinden könne. Die Verteidigung ist einverstanden.

Eineinhalb Stunden Wahlkampfreden

Das Video der Wahlkampfveranstaltung aus Merseburg 2021 wird abgespielt. Das Video ist von einem Beteiligten der Veranstaltung aufgenommen worden und zeigt die Bühne, auf der die Redner*innen nacheinander ihre Reden halten. Die erste Rede ist von einem AfD Landtagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt.
Nach der ersten Rede fragt der VR ob es Einwände gebe, den nächsten Redebeitrag zu überspringen. Einer der drei Verteidiger antwortet, dass er die Rede noch nicht kenne. Daraufhin werden auch die folgenden Reden in Gänze abgespielt.

Nach Redebeiträgen von fünf weiteren Vertretern der AfD Landes- und Bundespartei, kommt nach etwas über einer Stunde als siebte Rede die ~21 min lange Rede von A, welche er mit den Worten „Alles für Deutschland“, der Verbotenen Losung der „Sturm Abteilung“ (SA) der NSDAP, beendet.
Die Staatsanwaltschaft gibt in einer Stellungnahme an, dass Kurzversionen dieses Videos überall im Internet zu finden seien und sich die Reichweite strafverschärfend auswirke und gibt die Daten zur Reichweite zur Akte. Es folgt eine kurze Pause.

11:15 Uhr - Erster Zeuge

Der Zeuge Axel L. (52) tritt ein und wird belehrt. Er erzählt, wie er als Polizeibeamter die Anzeige ausgefertigt hat, nachdem sein Vorgesetzter ihm eine Email weiterleitete, welche der Polizei von Herr Striegel (Abgeordneter im Landtag Sachsen-Anhalt, B90/GRÜNEN) geschickt wurde. Darin ein Link zu einem Video auf der Facebook Seite der AfD Sachsen-Anhalt und dem Hinweis, dass es sich um die Nutzung verfassungswidriger Symbolen handeln könne. Er habe sich das Video dann angeschaut, die betreffenden Stellen schriftlich festgehalten, die Anzeige verfügt und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Auf Nachfrage der beisitzenden Richterin (R) führt L. aus, dass das Video und Profil öffentlich zugänglich sind und das Video auch heute noch online sei.
Auf Nachfrage der Verteidigung erklärt L., dass er auch ohne Anordnung seines Vorgesetzten die Anzeige an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hätte, dass er mit Herr Striegel nicht selbst gesprochen habe und dass er nicht wisse, ob A an der Veröffentlichung des Videos beteiligt gewesen sei. Ob L. abgesehen von der Anzeige noch weitere Ermittlungen getätigt habe verneint er auch.
Nach Entlassung des Zeugen wird die Verhandlung für die Mittagspause unterbrochen.

12:30 Uhr - Keine Haftstrafe und kein Entzug des passiven Wahlrechts

Das Gericht gibt nach der Mittagspause die geforderte Erklärung ab. Es stellt zunächst klar, dass es sich bei dem Spruch um eine verbotene Losung handelt, dass die Bedeutung des Spruchs zum Tatzeitpunkt weiten Teilen der Bevölkerung nicht bekannt war und gibt schließlich an, dass es – falls es zu einer Verurteilung kommen sollte – derzeit nicht in Betracht ziehe, A nach § 92a StGB das passive Wahlrecht zu entziehen und eine Geldstrafe für Tat- und Schuldangemessen halte. Falls sich das im Verlauf ändern solle, gibt das Gericht dies Bescheid.

„Ich bin unschuldig“

Auf die Erklärung des Gerichts folgt die Einlassung des Angeklagten.
A erzählt erst, dass er 52 Jahre alt sei, vier Kinder habe, die er mit seiner Frau zusammen „zu Freiheit erzogen“ habe und dass er 15 Jahre lang als Beamter in Hessen „treu gedient“ habe. Er beschreibt sich selbst als „rechtstreu“, dass er noch nie mit Recht und Gesetz in Konflikt geraten wäre und dass es für ihn deshalb etwas Besonderes sei, als Angeklagter vor Gericht stehe. Die kurze Einleitung endet er mit einer Beteuerung seiner Unschuld und erklärt, dass er kein Bewusstsein gehabt habe, etwas falsch gemacht zu haben.

Zum Tattag sagt er, er wäre von der AfD Sachsen-Anhalt eingeladen worden, eine Rede bei einer Wahlkampfveranstaltung zu halten.
Hier schiebt er kurz ein, dass es „hunderte Menschen“ gäbe, die davon „leben“ würden, ihn zu verfolgen, seine Reden mitzuschreiben, zu analysieren und zur Anzeige zu bringen. Das sei nur bei ihm so.

Dann beschreibt er weiter, dass er sich auf der Fahrt nach Merseburg wahrscheinlich kleine Moderationskarten geschrieben habe, dafür auch das Wahlkampfprogramm gelesen habe und dann außer der Stichworte relativ frei geredet habe. Abgesehen davon wäre er nicht die gesamte Zeit über da gewesen, habe nicht alle Reden mitgehört, sondern sei relativ kurz vor seiner Rede erst dazu gekommen.

Dreiklang als Erklärung für verfassungswidrige Aussage

Da der Wahlkampfslogan in Sachsen-Anhalt „Alles für unsere Heimat“ war, wollte er einen lokalen Bezug herstellen. Er kenne die „Merseburger Zaubersprüche“ und fände Wissen über „die eigene Kultur und Heimatwissen“ wichtig.

Er praktiziere es, seine Reden mit einem „Dreiklang in Form einer aufsteigenden Kaskade“ zu beenden. Beispielsweise sage er oft so etwas wie „Es lebe Thüringen, es lebe Deutschland, es lebe das wahre Europa“. Diesen „Dreiklang“ habe er dann für diese Rede spontan umgeschrieben.
Er habe nicht gewusst, dass „Alles für D…“ (wie er es im Gericht aussprach) ein SA Spruch sei und er glaube, dass Viele das nicht wissen würden.

Er werde durch die „etablierten Medien“ zum „Medienteufel“ gemacht

Er werde von den „etablierten Medien“ vorverurteilt. Nur weil er Geschichtslehrer war, habe er das nicht wissen müssen. Sein Spezialgebiet sei das 19 Jahrhundert und dementsprechend könne man von ihm nicht erwarten, sich in anderen Spezialgebieten besonders auszukennen. Zur Untermalung hält er verschiedene Geschichtsbücher hoch, die auch nichts über die besagte verbotene Losung zum Inhalt haben sollen. „Weltgeschichte im Aufriss“ sei bei ihm im Geschichtsleistungskurs genutzt worden, um ihn zu unterrichten und „Historisch-politische Weltkunde“ habe er selbst zum unterrichten genutzt. Die SA habe außerdem nach dem Röhm-Putsch nur noch eine untergeordnete Rolle gespielt, weshalb sie wenig bekannt gewesen seien.

Als weiteren „Beweis“ legt er dem Gericht Studiennachweise vor, die belegen, dass er keine Kurse oder Ähnliches belegt habe, in denen die Sprache oder Propaganda der NS Zeit gelehrt wurden. Die im 19. Jahrhundert genutzte „blumige Sprache“ nutze er vorwiegend. Mit dem 20. Jahrhundert habe er sich nur im Rahmen seiner Masterarbeit beschäftigt, die die Fischer-Kontroverse zum Thema gehabt habe.
Die „etablierten Medien“ würden ihn zum „Medienteufel“ machen wollen.
Er habe mit Nationalsozialismus „nichts am Hut“ und sei gegen Diktatur jeder Art. Er sei der Meinung, dass „unsere Freiheit“ in Gefahr sei.
Seine Einlassung endete er mit den Sätzen: „Ich wusste nichts. Ich bin völlig unschuldig.“

„Antifa hat mich auf dem Kieker“

Auf Nachfrage von R erklärt A, dass er wisse, dass es verbotene Symbole gebe deren Nutzung strafbar sei, aber dass er das bei diesem Satz nicht gewusst habe. R hakt nach und fragt, ob er, wenn er das gewusst hätte, den Satz dann gesagt hätte, was A verneint.

Zu den Redeinhalten gibt A an, dass es normal sei, dass er seine Reden spontan und ohne Manuskript halte.
Er erklärt auf Frage von R, dass er noch nie nach einer Rede darauf hingewiesen wurde, etwas Verbotenes gesagt zu haben und ergänzt: „Antifa hat mich auf dem Kieker“. Er solle verunsichert werden durch Personen, die „Strafanzeigen beruflich stellen“.

Ob der Spruch „Alles für Deutschland“ mal auf einem Thüringer Wahlplakat gestanden habe, verneint A. Auf Frage des VR gibt er an, erst im Rahmen der Vorbereitung für dieses Verfahren gelernt zu haben, dass es strafrechtliche Verfahren gegen andere Personen wegen eines solchen Plakats gebe.

Der Verfassungsschutz ist ein "Herrschaftsinstrument des Staates"

Zunächst geht Staatsanwalt B. (StA1) auf das Verfahren gegen Ulrich Oehme ein. Oehme hatte 2017 bereits die verbotene Parole auf einem Wahlplakat genutzt und deshalb ein Verfahren gegen sich laufen. StA1 fragt A nach dessen Beziehung zu Oehme. A behauptet sie hätten kein näheres Verhältnis und auch auf Nachfrage von StA1 ob A und Oehme beide 2015 die sog. „Erfurter Resolution“ unterzeichnet hätten, gibt A an, nicht zu wissen, ob Oehme da dabei gewesen sei.

StA1 geht nun auf den Verfassungsschutz ein. A gibt an weder zu wissen, dass die AfD Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz beobachtet werde, noch gehört zu haben, dass der von ihm mitbegründete „Flügel“ beobachtet werde.
A gibt an keine „etablierten Medien“ zu gucken oder lesen, da diese ihn „zum Teufel der Nation“ gemacht hätten. Er meint, dass der einzige Vorwurf, der ihm gemacht werden könne sei, dass er seine Heimat „ein bisschen zu viel liebe“. Die „etablierten Medien“ würden ihn mobben und auch den Verfassungsschutzbericht habe er noch nie gelesen, da dieser in seinen Augen ein „Herrschaftsinstrument des Staates“ sei. Die (etablierten) Medien seien voller „Dummheit“ und „Unsinn“.

„Ich weiß nichts“

StA1 geht darauf nicht weiter ein und stellt Fragen zu verschiedenen anderen Wegen, auf denen A von der Beobachtung durch den Verfassungsschutz oder dem Verfahren gegen Oehme erfahren habe könnte, doch A habe weder einen Google-Alarm für seinen Namen eingerichtet, noch habe er von Mitarbeiter*innen davon gehört.
Auch von einem Verfahren gegen den stellvertretenden Landesvorsitzenden der AfD in Sachsen-Anhalt, Kay-Uwe Ziegler, wegen dem selben Spruch, sowie deren Inschrift auf den „SA Ehrendolchen“ gibt A an nichts zu wissen.

Als Oberstaatsanwalt Dr. L. (StA2) fragt, ob A, obwohl er keine Medien oder Verfassungsschutzberichte lese, wisse, dass seine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werde, verneint A auch dies mit der Begründung, dass das nicht seine Aufgabe gewesen sei.
Sein dritter Verteidiger (RA Müller) ergänzt, dass A gesagt habe, dass er aus „psychologischem Selbstschutz“ keine Medien oder Verfassungsschutzberichte lese.

Die Staatsanwaltschaft kommt nun auf den Inhalt der Reden von A zu sprechen. Die Quellen, welche StA1 anbringt, die die Nähe von Höckes Reden zu solchen von Hitler oder Goebbels analysieren, seien laut A nicht vertrauenswürdig. Obwohl er das Institut jetzt nicht kenne, denke er das Institut sei „pseudowissenschaftlich“ und eine Analyse des „Finanzstroms“ und Aufbau würde ergeben, dass es „fremdgesteuert“ sei. Ansonsten behauptet A, weder die „Sportpalastrede“ von Goebbels zu kennen, noch je „Mein Kampf“ von Hitler gelesen zu haben.

StA1 liest nun einen Abschnitt aus dem autobiographischen Interviewband von A aus dem Jahr 2018 vor, in dem er darüber redet die „Grenze des Sagbaren“ zu erweitern und fragt A, wie das zu verstehen sei. A zitiert eine Umfrage des „Institut für Demoskopie Allensbach GmBH“ laut dem es, so A, für die Meinungsfreiheit und Demokratie in Deutschland schlecht stehe. Mit dem Zitat aus seinem Buch habe er beschreiben wollen, dass die Herrschaft durch etablieren einer Herrschaftssprache versuche, der Opposition die Sprache zu nehmen. Auf weitere Fragen der Staatsanwaltschaft dazu, ob A denke, dass „Alles für Deutschland“ von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, wird die Antwort von RA Müller unterbrochen und nicht beantwortet.

Bevor die Verteidigung ihre Fragen stellen kann, fragt R, wie A wisse, dass die Meinungsfreiheit tangiert sei, wenn er keine „etablierten Medien“ lese und wie er dann die Umfrage des Allensbach Instituts gefunden habe. A gibt an, doch auch mal „etablierte Medien“ zu gucken und dass er die Umfrage aus der Zeitschrift „Junge Freiheit“ habe. Dass das Allensbach Institut fremdgesteuert sei, glaube er auch nicht, könne dafür jetzt aber auch keine Beweise bringen.

Fragen der Verteidigung

Zunächst fragt RA Müller nach einigen Details zum autobiographischen Interview von A. Dann gibt A auf Nachfrage an, dass er schon hunderte, wenn nicht tausende politische Reden gehalten habe und dass er weder an der Veröffentlichung des Videos, noch an der Veröffentlichung seiner Reden generell mitwirke.
Auf Nachfrage des VR gibt er an, dass es auch nicht beabsichtigt war, die Rede selbst zu veröffentlichen.
StA1 hakt nach und fragt, ob A wusste, dass er von Kameras aufgezeichnet wurde. A meint, dass das wohl so gewesen sei, dass er das aber nicht bewusst wahrgenommen habe.

Was sind die „etablierten Medien“?

Auf Frage des VR erklärt A, dass für ihn die öffentlich rechtlichen Medien, sowie Zeitschriften wie „der Spiegel“ oder „FOCUS“ zu den „etablierten Medien“ gehören. Als StA1 ihn darauf anspricht, dass er mit manchen „etablierten Medien“ wie „Compact“ ja doch rede, antwortet A, dass er gerne mehr mit den Medien reden würde, dass diese ihn aber nicht hören wollen würden.

Merseburg und Gera: andere Sach- und Rechtslage?

Nach der Einlassung erklärt die Verteidigung durch RA Hornemann, dass sie gegen die von der Staatsanwaltschaft beantragte Zusammenlegung der Verfahren seien. Ihm nach könne eine Zusammenlegung der Verfahren nicht beantragt werden, um einen Freispruch im derzeit behandelten Verfahren zu verhindern.

Der Vorfall in Gera ereignete sich 2023 bei einer weiteren Rede von A, in der er „Alles für“ rief und dann die Zuschauer*innen durch Handzeichen ermunterte „Deutschland“ zu rufen, was diese dann auch taten.
StA1 kündigte aber bereits an, dass das Video von der Rede in Gera auch als Beweis in diesem Verfahren einzuführen sei, da es sich dabei um Verhalten nach der Tat handele, welches sich strafverschärfend auswirke.

Es wird eine kurze Verhandlungsunterbrechung angesetzt, damit die Staatsanwaltschaft Beweismaterialien kopieren kann, die im Rahmen der Vernehmung relevant wurden und die dann zur Akte genommen werden.

14:15 Uhr - Stellungnahmen (oder eher Plädoyers?)

Nachdem der VR A aufträgt, dass dieser im Selbstleseverfahren einige Unterlagen zu lesen bekommen werde, unterbricht RA Müller und bittet darum noch eine Stellungnahme abgeben zu dürfen.
Er bekommt das Wort erteilt und gibt an, dass er die Beweisführung der Staatsanwaltschaft für problematisch erachte und nennt zwei Beispiele, wo andere Menschen den Spruch genutzt haben ohne zu wissen, dass dieser verboten sei. Sein Mandat habe keinen „geheimen Plan“ gehabt, als er die Losung nutzte, sondern einfach nur eine Rede gehalten.
Der Verteidigung nach könne die Beweisaufnahme an dieser Stelle beendet werden, da alles wichtige zum Sachverhalt eingeführt sei.

StA1 gibt nun eine eigene Stellungnahme ab, setzt die von RA Müller vorgebrachten Beispiele in einen rechtlichen Rahmen und nennt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Jena (OLG Jena (1. Senat), Urteil v. 06.06.2019 – 1 OLG 191 Ss 39/19), das die Ausführungen von RA Müller rechtlich irrelevant machen würde.
Nach einiger Diskussion über die rechtliche Bedeutung von diesem und einem weiteren Urteil, wird der Verhandlungstag dann um 15:41 Uhr beendet.
Am Freitag den 03. Mai 2024 geht es weiter.

Tag 2 auf den Punkt gebracht

Nachdem die Verteidigung am ersten Verhandlungstag insbesondere durch ihre Verzögerungen hinsichtlich der prozessualen Abläufe auffiel, setzte sie die Verzögerungstendenz diesmal durch inhaltliche Punkte fort. Sei es durch die Einrede, dass das gesamte eineinhalbstündige Video der Wahlkampfveranstaltung 2021 abgespielt werden soll oder die ausschweifende Stellungnahme von RA Müller, die StA1 als eine „Stellungnahme, die zum Plädoyer wurde“ bezeichnete. Eine Verzögerung die darauf zielt, das Verfahren bis nach der Wahl hinauszuzögern, scheint wenig sinnvoll. Insbesondere da das Gericht in ihrer Erklärung nun angegeben hat, dass eine Haftstrafe sowie der Entzug seines passiven Wahlrechts (also dem Recht für politische Ämter zur Wahl aufgestellt zu werden) bei einer Verurteilung nach derzeitigem Stand nicht in Betracht komme.

Stattdessen scheint der Sinn der Verzögerungen darin zu liegen, Höcke eine größtmögliche öffentliche Bühne zu bieten, um sein Gedankengut in die Welt zu posaunen und durch die ewig erscheinenden Medienberichte über das Verfahren, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Die fortdauernden prozessualen Verzögerungen und Beschäftigung des Gerichts mit unnötigen Anträgen sind außerdem mit Taktiken der AfD im Bundestag und den Landtagen vergleichbar. Eine kurze Recherche auf den Landesportalen bzw. der Seite des Bundestages offenbart, dass die Anzahl der sog. „kleinen Anfragen“ der AfD im Vergleich zu allen anderen Parteien erstaunlich hoch ist. Während kleine Anfragen ein wichtiges demokratisches Kontrollinstrument der Opposition darstellt, erscheint es im Falle der Anfragen der AfD zum Teil, dass hierdurch lediglich die Justiz und der Staat in ihren Ressourcen gebunden werden soll, da alle Anfragen innerhalb einiger Wochen durch die zuständigen Behörden beantwortet werden müssen. Ähnliche Vermutungen lassen sich zum Teil über die Anträge der Verteidigung in diesem Verfahren stellen.

Als Höcke in seiner Einlassung argumentierte, er habe nicht gewusst, dass die Parole verboten sei, ist das absurd. Höcke behauptet, dass man ihm das nicht nur deshalb vorwerfen könne, weil er Geschichtslehrer war, aber die Staatsanwaltschaft macht anhand ihrer Fragen deutlich, dass es auf seine Arbeit als Geschichtslehrer gar nicht vorrangig ankommt, sondern grade die verschiedenen Verfahren und Ereignisse rund um bekannte AfD Personen, die in den letzten Jahren diesen Spruch nutzten, seine „hervorgehobene“ Stellung innerhalb der AfD und die geradezu offensichtlichen Parallelen seiner Reden zu denen von bekannten NSDAP Anführern wie Goebbels und Hitler, für den Nachweis, dass er darum gewusst hat, oder zumindest darum hätte wissen müssen, ausreichen, um ihm vorzuwerfen, dass er wusste, dass es sich bei dem Ausdruck um einen Spruch der SA handelt.

Die Frage ob es der Staatsanwaltschaft gelingen wird, das noch detaillierter nachzuweisen, wird sich im Rahmen der nächsten zwei Verhandlungstage, nach denen dann voraussichtlich die Beweisaufnahme schließen soll, zeigen.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.