„Keine Böcke auf Höcke“

Erster Prozesstag gegen Björn Höcke vor dem Landgericht Halle

von und | veröffentlicht am 26.04 2024

Beitragsbild: Dani Luiz

Am 18. April fand der erste Prozesstag gegen Björn Höcke vor dem Landgericht in Halle statt. Vorgeworfen werden ihm die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.
Hunderte Antifaschist*innen protestierten vor dem Justizzentrum unter dem Motto „AfD stoppen! Juristisch. Politisch. Gesellschaftlich.“




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Alle zusammen gegen den Faschismus“ tönte es bereits um 8 Uhr morgens lautstark vor dem Justizzentrum in Halle. Laut Polizei hatten sich hier insgesamt über 500 Menschen versammelt, die dem Aufruf des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Halle gegen Rechts“ gefolgt waren, anlässlich des ersten Prozesstags gegen Björn Höcke zu demonstrieren.

Mit Schildern und Transparenten demonstrierten Antifaschist*innen beim Prozessauftakt (Bild: Dani Luiz)

Dem Spitzenkandidat der AfD für die kommenden Landtagswahlen in Thüringen wird vorgeworfen, im Jahr 2021 in Merseburg in einer Wahlkampfrede eine verbotene Losung der nationalsozialistischen „Sturmabteilung“ (SA) verwendet und dies später bei einer weiteren Rede in Teilen wiederholt zu haben. Höcke behauptet, nichts von der strafrechtlichen Relevanz gewusst zu haben. Doch wie das Bündnis „Halle gegen Rechts“ im Aufruf zur Kundgebung zum Prozessauftakt schreibt: „Nichts von dem, was die AfD sagt, sagt sie unbedacht“. Vielmehr verfolge die AfD und insbesondere Höcke schon seit langem die Strategie der Ausweitung des Sagbaren. „So verschiebt die Partei seit Jahren den politischen Diskurs und die gesellschaftliche Stimmung nach rechts“, schreibt das Bündnis weiter. Dies zeigt sich nicht nur am aktuellen Umfragehoch der AfD, sondern auch an der Übernahme von rechten Narrativen durch die demokratischen Parteien. Björn Höcke spielt dabei eine große Rolle und hat unumstritten bereits mehrfach NS-Sprache verwendet.

Die AfD verachtet die Demokratie und ist eine reale Bedrohung nicht nur für die freie Gesellschaft, sondern auch für alle, denen sie Rechte abspricht und die sie als Feinde markiert. Der Gewalt in der Sprache folgt die reale Gewalt.“

Aufgrund dieser Gewalt müsse die AfD laut „Halle gegen Rechts“ auf allen Ebenen bekämpft und gestoppt werden, sowohl juristisch, politisch als auch gesellschaftlich.
Konkret hieße
das die konsequente Verfolgung rechter, rassistischer und antisemitischer Straftaten. Auf politischer Ebene dürfe nicht weiter die Übernahme von Forderungen der extremen Rechten praktiziert werden und gesellschaftlich reiche es nicht aus, auf Demonstrationen zu gehen und diese zu organisieren. Stattdessen brauche es klare Stoppzeichen für rechtes Gedankengut im Alltag. Widerspruch sei nötig, wenn rechte, rassistische und antisemitische Positionen normalisiert werden. Im Sportverein, am Stammtisch und im Stadtleben müsse der Abwertung von Menschen entgegengetreten werden. Für diese Forderungen machten sich die Demonstrant*innen mit zahlreichen Plakaten, Bannern, Sprechchören und Redebeiträgen vor dem Justizzentrum stark.

Hunderte demonstrierten vor dem Justizzentrum in Halle (Bild: Dani Luiz)

Doch nicht nur Gegner*innen von Höcke zog der erste Prozesstag vor das Justizzentrum. Auch einige Streamer*innen der verschwörungsideologischen und rechten Szene beobachteten und kommentierten den antifaschistischen Protest und den beginnenden Prozess gegen Höcke. Neben bekannten Gesichtern aus der lokalen verschwörungsideologischen Szene wie Sandra Gabriel, waren auch der Leipziger AfD-Kreisrat Sebastian W. (Weichreite TV), der bundesweit bekannte Elijah Tee und der österreichische Sender „Auf 1“ vor Ort. Trotz seines vorherigen Aufrufs, zur Unterstützung nach Halle zu kommen, gab es keinen großen Andrang von Unterstützer*innen des Thüringer AfD-Chefs. Stattdessen zeigte sich Halles Zivilgesellschaft mit einem deutlichen Zeichen gegen rechtes Gedankengut.

Verteidigung mit Verzögerungstaktik

Noch bevor das Verfahren offiziell durch Verlesung der Anklageschrift eröffnet werden konnte, wurde deutlich, dass die Verteidigung vor allem auf Verzögerung setzt.

Durch die Pressesprecherin des Landgerichts (LG) wurde mitgeteilt, dass die beiden zusammengelegten Verfahren auf Antrag der Verteidigung jetzt doch getrennt behandelt werden sollen, da die Verteidigung noch keine Akteneinsicht bekommen habe und nicht genug Vorbereitungszeit hatte. Ein spannendes Argument, das wahrscheinlich darauf beruht, dass das Verteidiger*innenteam um Höcke in der Woche vor Prozessbeginn einige Wechsel durchgemacht hat. Der neueste und damit dritte Verteidiger im Team kam erst an diesem Tag dazu und legte erst während des Prozesstages seine Vollmacht vor.

Besagter Verteidiger stellte dann auch direkt zu Beginn einen ersten von vielen Anträgen. Beantragt wurde, dass der Prozess digital aufgezeichnet werden soll. Die Staatsanwaltschaft kritisierte diese „schön verpackte Eröffnungsrede“ und verwies darauf, dass die Forderung nicht zulässig sei. Mit ähnlicher Begründung lehnte das Gericht den Antrag dann auch ab, wogegen die Verteidigung Beschwerde einlegte und abermals Anträge stellte.

Dieses Hin-und-Her an Anträgen, Beratungen, Beschlüssen und Kopierpausen führte zu fünf Verhandlungsunterbrechungen innerhalb von zweieinhalb Stunden und noch war das Verfahren nicht durch Verlesung der Anklageschrift eröffnet worden.
Erst nach der schließlich angesetzten Mittagspause, kam es um ca. 13:10 Uhr endlich zur Verlesung. Diese dauerte keine fünf Minuten und nach einigen Formalien, war die Verhandlung dann um 13:25 Uhr für den Tag vorbei.

Inhaltlich hätte man den Tag innerhalb einer halben Stunde abhandeln können. Dank Verzögerungstaktiken, deren Sinn sich noch nicht ganz erschließen lässt, dauerte der Tag aber knapp über vier Stunden.

Vier weitere Verhandlungstage geplant

Für die Verhandlung sind ursprünglich vier Verhandlungstage vorgesehen, allerdings hat die Staatsanwaltschaft bereits angekündigt, weitere Termine anzusetzen, da zu erwarten ist, dass die Verteidigung ihre Verzögerungstaktik weiter fortsetzt und die Verhandlungen mit zahlreichen Anträgen und Beschwerden unterbricht.
Für Höcke steht auf jeden Fall einiges auf dem Spiel. Denn das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach Paragraf 86a kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. Ungünstig für Höcke – durch den Prozess könnte Höcke sein passives Wahlrecht verlieren oder bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten sogar das aktive und passive Wahlrecht.
Schon nach dem zweiten Verhandlungstag am 23.04.24. stellte das Gericht jedoch klar, dass in diesem Verfahren maximal eine Geldstrafe zu erwarten und auch ein Entzug des passiven Wahlrechts unwahrscheinlich sei.

Bereits jetzt merkt man, wie er versucht, den Prozess als „Verfolgung der Opposition“ auszulegen, jedoch hat er dafür in Halle keine breite Unterstützung mobilisieren können. Vor dem Gericht tönten vielmehr die zahlreichen Sprechchöre der antifaschistischen Kundgebung, die ein deutliches Zeichen gegen rechtes Gedankengut und den Vormarsch der AfD setzte.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.