Höckes Lernresistenz

Dritter Prozesstag gegen Björn Höcke vor dem Landgericht Halle

von | veröffentlicht am 14.07 2024

Beitragsbild: Dani Luiz

Am 03.05.2024 begann um 09.02 Uhr der dritte Prozesstag gegen Björn Höcke. Vorgeworfen wird ihm die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach §§ 86, 86a StGB. Höcke verwendete die verbotene Losung „Alles für Deutschland“ in einer Wahlkampfrede in Merseburg am 29.05.2021.




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Dieser Artikel ist Teil einer Serie an Berichten über das Verfahren gegen B. Höcke vor dem LG Halle und behandelt den dritten Verhandlungstag. Die Berichte über den ersten und zweiten Prozesstag sind bereits online abrufbar.

Neben den protokollarischen Berichten über den Inhalt der Verhandlung wird nach Abschluss des Verfahrens eine abschließende Analyse folgen.

Strafbarkeit von Höckes Lernresistenz

Im Vergleich zu den anderen Prozesstagen war der dritte Prozesstag überraschend kurz und bestand größtenteils aus Anträgen, deren Beratungen und abschließenden Angaben zu Höckes Person. Bei den Anträgen stand sein provokantes und strafrechtlich relevantes Verhalten nach seiner Rede in Merseburg sowie seine Gesinnung im Mittelpunkt.

Hierzu beantragte die Staatsanwaltschaft ein Video von einer Wahlkampfrede in Gera, vom 12.12.2023, in Augenschein nehmen zu lassen, bei der Höcke erneut Teile der verbotenen Losung verwendete.

Zur zeitlichen Einordnung: Höcke verwendete die verbotene Losung am 29.05.2021. Keine zwei Jahre später erfolgte „auch schon“ die Anklage am 16.05.2023, wobei in diesem Prozess insbesondere der Vorsatz als umstritten galt. Sieben Monate nach der Anklage verwendete Höcke – nun im Wissen um dem bevorstehenden Prozessauftakt – dieselbe Losung erneut in Gera. Hierbei sprach Höcke jedoch die Losung nicht vollständig selbst aus, sondern animierte das Publikum die Losung für ihn zu beenden. Diese Handlung stellt für die Staatsanwaltschaft ein strafverschärfendes Verhalten nach § 46 Abs. 1, 2 StGB dar, wobei dies in einem neuen Gerichtsverfahren separat beurteilt werden soll.

Die Verteidigung warf der Staatsanwaltschaft vor, dass dieser Antrag ein eklatanter Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot sei. Entweder könne die Tat in Gera eine strafverschärfende Nachtat sein oder eine eigene Straftat.

Das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB besagt, dass Umstände, die schon Merkmale des Straftatbestandes sind, nicht für die konkrete Strafzumessungsentscheidung erneut berücksichtigt werden können. Die Erfüllung eines Straftatbestandes gibt durch den gesetzlich vorgegebenen Strafrahmen seine Strafzumessung vor und darf daher nicht erneut als verschärfend oder mindernd berücksichtigt werden. Vereinfacht gesagt: Eine Handlung, die eine eigene Straftat darstellt, kann nicht zugleich als strafverschärfendes Verhalten für eine andere/dieselbe Handlung herangezogen werden.

Dabei ist jedoch zu vermerken, dass die wiederholende Begehung gleichartiger Taten Ausdruck einer niedrigen Hemmschwelle oder auch ein Indiz für eine besondere kriminelle Energie (§ 46 Abs. 2 StGB) sein kann. Aus einer hartnäckigen Tatwiederholung in Folge können sich demnach durchaus gesamtstrafverschärfende Umstände ergeben.[2]
Allein durch die in Augenscheinnahme des Videos kann demnach noch nicht von einem eklatanten Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot ausgegangen werden.

Verbündeter: Elon Musk

Um die Gesinnung Höckes weitergehend darzustellen, forderte die Staatsanwaltschaft u.a. die Verlesung der Tweets zwischen Höcke und Elon Musk sowie  von Ausschnitten aus seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“. Zwar hat schon 2019 ein Gericht entschieden, dass Höcke wegen dieses Buchs als „Faschist“ bezeichnet werden kann, aber es kann ja nicht schaden, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dies auch sehr gut zu begründen ist.

Gegen diese Anträge wendete die Verteidigung ein, dass diese völlig ungeeignet seien und kein Indiz für nationalsozialistische Gesinnung seien. Hierbei spielten Sie die gern verwendete Karte der „Meinungsfreiheit“ aus.

Weiterhin thematisierte die Staatsanwaltschaft den durch Höckes Rede ausgelösten Nachahmer- Effekt. Dabei gingen Sie auf die Kommentarspalte eines Videos von der entsprechenden Rede in Merseburg ein, wo die verbotene Losung mehrfach wiederholt wurde. Höcke habe durch seine Rede in weiten Teilen die unbekannte verbotene Loung wieder salonfähig gemacht.

Hiergegen wendete die Verteidigung ein, dass Höcke als bekannte Person nicht kontrollieren könne , ob und wieweit seine Person gefeiert wird. Das Merseburg-Video wäre nicht auf sein Bestreben  hin veröffentlicht worden. Zudem entspräche es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung , dass alle – die das Video anklicken – auch bis zum Ende gucken würden. Auch sei die verbotene Losung nicht durch die Rede von Höcke in Erinnerung der Menschen getreten, sondern nur durch das Gerichtsverfahren selbst.

Weiterhin will die Staatsanwaltschaft unter anderem die Wahlkampfplakate von Oehme sowie die dazugehörenden Strafanzeigen und Bescheide in Augenschein nehmen. Auf dem Wahlplakat hatte Oehme diese Parole bereits 2017 verwendet, worüber bereits im zweiten Bericht dieser Serie gesprochen wurde.

Hiergegen warf die Verteidigung vor, dass es sich dabei letztlich nur um Justizdokumente handele , die keine große Wirkung auf den Nachweis der Täterschaft haben könnten und damit als Beweis völlig ungeeignet seien.

Freitags macht die Verwaltung früh Feierabend

Zum Schluss hatte Höcke noch einmal Zeit sich als Opfer darzustellen, er habe als Politiker die Erfahrung gemacht, von den Medien bis in sein Privatleben verfolgt zu werden. Schließlich konnte Höcke auch nicht genau angeben, wie viel er im Monat verdient, da sich die Diäten nicht genau bestimmen lassen.

Nach einem kurzen hin und her, was man an diesem Tag noch schaffen könnte, schloss der Vorsitzende Richter die Verhandlung dann kurz vor 11:00 Uhr.


[1] Streng in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB- Kommentar, 6. Auflage 2023, § 46 Rn. 125.

[2] V. Heintschel-Heinegg in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 54 Rn. 20.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.