MLUnterfinanziert

Drohende Kürzungen an der Uni

von | veröffentlicht am 05.04 2022

Beitragsbild: Simon Zimmermann

Am 6.4.2022 soll der Senat der Universität Halle-Wittenberg über die Kürzungspläne des Rektorats entscheiden. 26 Professuren, 250 Mitarbeiter*innenstellen und 4000 Studienplätzen stehen auf dem Spiel, denn jährlich fehlen Millionenbeträge in der Finanzierung. Das Bündnis MLUnterfinanziert ruft zum Protest auf.




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Angespannte Stimmung

Seit etwa einem Jahr wird an der Martin-Luther-Universität (MLU) über eine Verkleinerung des Studienangebotes gestritten. Am 25. Mai 2021 veröffentlichte das Rektorat unter der Leitung von Christian Tietje einen „Plan zur Profilschärfung und Haushaltskonsolidierung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“. Darin wurde erklärt, der MLU würden durch eine strukturelle Unterfinanzierung jährlich die notwendigen finanziellen Mittel fehlen, für 2021 etwa 15 Millionen Euro. Um die bestehenden Kosten abzudecken sei eine Verkleinerung der Studierendenschaft sowie die Schließung einiger Fächer notwendig.

Als Reaktion auf den Plan gründete sich das Aktionsbündnis „MLUnterfinanziert“, das die Kürzungen sowohl als „Kahlschlag“ bezeichnet und damit ablehnt, als auch von der Landesregierung eine langfristige Ausfinanzierung der Universität fordert. Gebildet wird das Bündnis aus Studierenden und Angestellten der MLU, sowie politischen Akteuren wie lokalen Gruppen von ver.di und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Durch regelmäßige Organisation von Protesten konnte es eine Umsetzungen des ersten Kürzungsentwurfs vorerst verhindern. Seitdem haben das Rektorat, der akademische Senat und eine Kommission, deren Teil MLUnterfinanziert ist, in mehreren Runden über die sogenannte Haushaltskonsolidierung diskutiert. Der Rektor habe dabei die neuen Vorschläge gemacht, welche vom Senat durchgewunken und von der Kommission abgelehnt wurden, sagte Lukas Wanke, Sprecher des Bündnisses, im Gespräch mit dem Transit Magazin. So sei bemerkenswert, dass man sich im Rektorat um den Anschein bemüht habe, es handle sich um einen transparenten, partizipativen Prozess. Tatsächlich sei hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss der Hochschulöffentlichkeit gearbeitet worden.

Nun soll im Senat am 6.4. 2022 über die Kürzungspläne entschieden werden. Das genaue Maß war lange unklar, änderte die Hochschulleitung doch regelmäßig ihre Pläne. Passenderweise sind erst am 1. April 2022 die nun zu erwartenden Maßnahmen bekannt: 26 Professuren sollen nach Emeritierung unbesetzt bleiben, 250 Mitarbeiter*innenstellen gestrichen, die Zahl der Studierenden per Einschreibestopp um langfristig 4000 verringert werden.

 

Fatale Folgen drohen

Sollte der Senat den Kürzungen zustimmen, hätte das fatale Folgen für die betroffenen Institute. Fächer wie Japanologie, Indologie und Südasienkunde würden ganz verschwinden. Einige Professuren der Wirtschaftswissenschaften und Informatik würden geschlossen, übrige zusammengelegt und in Jura der zur Einschreibung notwendige Notendurchschnitt angehoben. Auch die Ausbildung in einigen Lehramtsfächern wie Sozialkunde oder in der Pädagogik für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen könnten sich verzögern und in der Qualität abnehmen. Die Naturwissenschaften stünden ohne Lehrstühle für Geometrie, Analysis oder organische Chemie da. Altgriechisch würde nur noch von einer Lehrstelle, zusammen mit Latein angeboten, das Sportinstitut würde mit dem Universitätssportzentrum zusammengelegt. Für ein Bundesland, in dem 50 Prozent der Lehramtsstellen unbesetzt sind, wären das keine rosigen Aussichten. Die Liste der betroffenen Lehrstühle ist lang. MLUnterfinanziert hat sie zur Übersicht festgehalten.

Dass die Auswirkungen für die Wissenschaftslandschaft spürbar wären, bezeugen zahlreiche Schreiben https://mlunterfinanziert.wordpress.com/ von Verbänden an den Rektor, wie vom Verband der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft oder dem Deutschen Verband der Archäologen.

Schon jetzt sind Verschlechterungen der Infrastruktur im Studium zu spüren. So hatten sich während der Corona-Pandemie kürzere Öffnungszeiten in den Bibliotheken etabliert. Diese könnten sich nun fortsetzen. Aktuelle Literatur kann nur noch stark begrenzt angeschafft werden und VPN-Zugänge, mit denen sich Studierende Literatur aus online Datenbanken beschaffen können, drohen nicht verlängert zu werden. Standorte stehen vor der Schließung, wie es etwa bei der Zweigbibliothek Vorderer Orient im Mühlweg bereits der Fall ist. Von solchen Maßnahmen sind nicht nur wenige Institute betroffen, sie vermindern die Qualität des Studiums für alle Mitglieder der MLU.

Neben den unmittelbaren Folgen an der Uni seien Forschung und Lehre in Zeiten des Strukturwandels von Braunkohle-, Auto- und Agrarindustrie wichtig, sagte Lokalpolitiker Hendrik Lange (Die LINKE) bei einer Demonstration am 16. März auf dem Universitätsplatz. Außerdem betonte er die Bedeutung von Bildung und interkultureller Kompetenz in einer von Krisen gezeichneten Zeit.

Mit Blick auf die Demographie Sachsen-Anhalts könnten sich die Kürzungen langfristig negativ auswirken. Denn die Studierenden und Angestellten der MLU leben, arbeiten und konsumieren in Halle. Sie tragen wirtschaftlichem Wohlstand und kulturellen Angebot der Stadt bei, machen sie somit attraktiver für junge Menschen zuzuziehen und auch nach der Ausbildung dort zu bleiben. Es ist daher wenig verwunderlich, dass sowohl der Bürgermeister Halles, Egbert Geier (SPD), als auch wirtschaftliche Vertretungen wie der Bundesverband mittelständische Wirtschaft Unternehmerverband Deutschland e.V. und die Handwerkskammer Halle (Saale) vom Land eine Ausfinanzierung der Uni forderten.

Eine Kürzungsentscheidung träfe somit auf unterschiedlichen Ebenen und wäre aus verschiedenen Gründen nicht nachvollziehbar.

 

Was ist Sachsen-Anhalt die Hochschulbildung wert?

Verursacht wird die angebliche Profilschärfung durch die strukturelle Unterfinanzierung der Landesregierung Sachsen-Anhalts. So hatte man 2014 den sogenannten „Hochschulstrukturplan“ verabschiedet. Darin war die Profilierung und Kostenoptimierung der gesamten Hochschullandschaft beschlossen worden. Zwar wurde eine Budgetsteigerung zwischen 2002 und 2013 um 10 Prozent (etwa 30 Millionen Euro)festgestellt, jedoch ebenso bemerkt, dass die effektiv zur Verfügung stehenden Mittel gesunken waren. Aus dem Papier zum Hochschulstrukturplan geht hervor, dass dies auf eine festgelegte Beteiligung der Hochschulen an den Tarifzahlungen der Belegschaft, dem Inflationsausgleich und nicht zuletzt an Kürzungen um 28,8 Millionen Euro von 2002 zurückzuführen sei. Dies hätte die Hochschulen bei der Umsetzung früherer beschlossener Umstrukturierungen behindert, durch den knappen Haushalt des Landes seien diese weiter notwendig.

Nachdem von der Landesregierung wenig in der aktuellen Kürzungsdebatte zu hören war, hatte die Hochschulöffentlichkeit Hoffnung in die Teilnahme des Wissenschaftsministers Sachsen-Anhalts, Armin Willingmann (SPD), an der öffentlichen Senatssitzung am 16. März 2022 gesetzt. Diese wurde jedoch enttäuscht, da der Minister weiter an der vermeintlichen Notwendigkeit Geld zu sparen festhielt und eine Verkleinerung der Universität ausdrücklich befürwortete.

Der Wissenschaftsminister Sachsen-Anhalts, Armin Willingmann (SPD) nahm am 16. März noch an der öffentlichen Senatssitzung teil. MLUnterfinanziert hatte während der Kundgebung zuvor Forderungen gestellt, er würde der Universität die finanzielle Unterstützung des Landes versprechen und die Kürzungen verhindern. Die Frage, ob es einem Land, das sich #moderndenken auf die Fahne schreibt, gut steht seine Hochschullandschaft gaeradezu zu demontieren, drängt sich unweigerlich auf. Doch darauf war von Willingmann keine Antwort zu hören. Er tritt weiterhin für den Sparkurs ein. Somit wird Tietje, mehr schlecht als recht, zwangsweise zum Exekuteur, während sich die Landesregierung hinter dem fadenscheinigen Argument eines zu schmalen Haushalt versteckt.

 

Kann der Plan noch abgewendet werden?

Die Situation scheint aktuell wenig aussichtsreich. Dennoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass politischer Protest öffentliche Kürzungsdebatten beeinflussen kann, wie der sogenannte Bernburger Frieden von 2013 demonstrierte. Damals konnten Sparpläne der Landesregierung deutlich abgemildert werden. MLUnterfinanziert ruft daher am 6.4.2022 um 12 Uhr zum Protest auf dem Universitätsplatz auf. Außerdem gibt es eine Petitiongegen die Kürzungen.

Der Autor

ist Teil der Transit-Redaktion. Er studiert an der MLU.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.