„Hasi“: Neues Leben in der Hafenstraße Nummer 7

Von der Gasanstalt zum soziokulturellen Zentrum

von | veröffentlicht am 31.10 2017

Beitragsbild: Transit

Seit Monaten wird um ein Haus in der Hafenstraße 7 in Halle gerungen. Es handelt sich um das Verwaltungsgebäude einer früheren Gasanstalt, das im Januar 2016 von einer Gruppe junger Aktivist*innen besetzt wurde. Nach einer schnellen Duldungsvereinbarung sollte auf dem Grundstück auf halbem Weg zwischen Alstadt und Neustadt ein Soziales Zentrum entstehen. Doch schon Anfang 2017 war die Zukunft des Projektes ungewiss geworden. Bis heute ist nicht geklärt, wie es langfristig in der Hafenstraße weitergehen soll. Denn die Initiative stößt nicht nur auf Gegenliebe.




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Am 14. Dezember 1856 ging Halle ein Licht auf:  Die städtische Gasbeleuchtung feierte Premiere. Zuvor war in der Hafenstraße unweit von Saline und Sophienhafen die erste hiesige Gasanstalt errichtet worden. Mindestens bis 1972 herrschte auf dem Gelände rege Betriebsamkeit. Danach verlor der Komplex mehr und mehr seine Bedeutung und geriet langsam in Vergessenheit. Die Vegetation eroberte sich den Raum an der Saale zurück – bis im Januar 2016 an selbiger Stelle nach über einem Jahrzehnt völligem Leerstandes erneut ein Licht aufflammte: “Hafenstraße in Halle: Aktivisten besetzen Haus der HWG”, titelte die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) am fünften Tag des Jahres. Das frühere “Beamtenhaus” der Anlage war über Nacht zum “Platz für alle”, so ein Transparent an der Fassade, verwandelt worden.


“Selbstbestimmt und selbstverwaltet können wir Alternativen zum allgemeinen Gegeneinander entwickeln und diese ausprobieren und einfordern.”


Der Gründungsaufruf ließ bereits erahnen, wohin die Reise des neuen Hausprojektes gehen sollte: Leerstand sei eine Chance, Projekträume zur freien und unkommerziellen Nutzung einzurichten und somit eine Infrastruktur zu schaffen, die in Halle ansonsten nicht zur Verfügung stünde: “Selbstbestimmt und selbstverwaltet können wir Alternativen zum allgemeinen Gegeneinander entwickeln und diese ausprobieren und einfordern.” Man wolle ein Ort “zum Austauschen und Weiterbilden sein. Ein Ort für alle in Halle.” Tatsächlich gab es zu diesem Zeitpunkt in Halle so gut wie keine Möglichkeit für Initiativen und Gruppen, kostenfrei und verlässlich an Räume für ihre ehrenamtliche Arbeit zu kommen.

Die regionale Berichterstattung überschlug sich angesichts der Besetzung geradezu. Und ebenso überschlug sich auch die Entwicklung: Nur zwei Tage nach Bekanntwerden der Besetzung wurde vermeldet, dass die Hallesche Wohnungsgesellschaft HWG als Eigentümerin sowie deren Besitzerin, die Stadt Halle, “schnell nach einer Lösung” suchen. Auch die erwartbaren Fronten taten sich schnell auf: Während CDU-Stadtrat Andreas Scholtyssek eine Räumung empfahl und die Besetzung als Straftat bezeichnete, warb das bündnisgrüne Stadtrats- und HWG-Aufsichtsratsmitglied Christian Feigl für eine einvernehmliche Lösung.

Blick aus dem Gasometer 1 zum Hauptgebäude auf dem Grundstück der Hasi. Hier ist eine Oase mitten in der Stadt entstanden.

Duldung statt Räumung

Und die zeichnete sich dann sowohl schnell als auch tatsächlich einvernehmlich ab: “Es gibt keine Hausbesetzung mehr, es ist eine Duldung eingetreten. Wir wollen gemeinsam Lösungen entwickeln. Das zeigt, dass die Stadt mit solchen Situationen positiv umgeht“, teilte Oberbürgermeister Bernd Wiegand am Rande des Neujahrsempfangs der Stadt am 9. Januar 2016 trocken mit. Den Vorstellungen der ordnungspolitischen Hardliner ward so überraschend schnell vorerst der Riegel vorgeschoben. Es folgten Vertragsverhandlungen mit der HWG und deren damaligem Geschäftsführer Heinrich Wahlen. Und schon am 22. Januar zeigten sich beide Seiten optimistisch, “zeitnah unterzeichnen zu können”. Knackpunkt: die zeitliche Befristung im Vertrag. Während die HWG nur anderthalb Jahre anbieten wollte, drängte die Initiative “Wir brauchen Platz”, so nannten sich die Menschen der Hafenstraße 7 (kurz: “Hasi”) damals, auf mehr Zeit für den Aufbau und die Etablierung der angedachten sozialen und kulturellen Projekte. In diesem Punkt sollten sie jedoch eine Niederlage einstecken.

Nichtsdestotrotz kam am 25. Januar der entscheidende Beschluss der HWG: Die “befristete Nutzung der Liegenschaft” wurde beschlossen und vom HWG-Chef Wahlen waren erstaunlich wohlwollende Töne zu vernehmen: “Unser Ansatz, zunächst das Gespräch zu suchen, bevor zu repressiven Maßnahmen gegriffen wird, war richtig. In den Gesprächen gewannen wir den Eindruck, dass die in der Hafenstraße 7 verfolgten Ziele grundsätzlich zur Stadtteilarbeit und zur jugendlichen Stadtkultur beitragen können“. Zwar wurden enge Grenzen für die Nutzung von Haus und Grundstück in der Vereinbarung festgeschrieben und für den Fall von nachweisbaren Zuwiderhandlungen wurden Sanktionen vereinbart. Doch dafür gab es einen Wasser- und Stromanschluss durch die HWG – für das Hausprojekt und seine Vorhaben ein überlebenswichtiger Faktor.

Die Skandalisierung bleibt nicht aus

Friede, Freude, Eierkuchen also? Nein: Mit einer gewissen Freude am Skandal vermeldete die MZ nur einen Tag später, dass es jetzt nun “doch einen richtigen Konflikt in der westlichen Innenstadt” gäbe. Endlich. In der Tat war es zuvor in der Öffentlichkeit erstaunlich ruhig geblieben. Nun hieß es, dass verschiedene Anlieger*innen wenig erfreut über die Legalisierung der Hausbesetzung seien. 130 Unterschriften seien bereits gesammelt worden. Insbesondere Slogans wie “Anarchie ist machbar, Herr Nachbar” würden Besorgnis hervorrufen, so die Erzählung der MZ. Und gleich meldeten sich auch wieder die Ordnungsfetischisten aus der Politik mit der erneuten Forderung zu Wort, “die Hausbesetzung umgehend zu beenden”. Das war nun allerdings bereits geschehen durch eine “Gestattungsvereinbarung” mit der HWG. Von einer Besetzung konnte gar nicht mehr die Rede sein.


Bis Anfang 2017 schien sich die mediale Öffentlichkeit nicht mehr für das Projekt zu interessieren. Und für die nun beginnenden sozialen und kulturellen Projekte, für die das Haus genutzt werden durfte, interessierte sich anscheinend auch niemand mehr.


Weitere Beschwerden folgten, insbesondere in Richtung Stadt als Eigentümerin der HWG. Doch Oberbürgermeister Bernd Wiegand empfahl, dass “die Einwohner mit den neuen Nachbarn lieber zuvor mal Kaffee trinken sollten”. Auf diese Kommunikationsstrategie hatte die Hasi in der Nachbarschaft bereits gesetzt, bspw. mit einem Nachbarschaftskaffee, das bis heute angeboten wird. Und dann kehrte tatsächlich erst einmal Ruhe ein. Bis Anfang 2017 schien sich die mediale Öffentlichkeit nicht mehr für das Projekt zu interessieren. Der Skandal war vorbei, die Aufregung legte sich. Und für die nun beginnenden sozialen und kulturellen Projekte, für die das Haus genutzt werden durfte, interessierte sich anscheinend niemand mehr.

Dabei hätte es einiges zu berichten gegeben, wie allein die Quartalsberichte des Hauses für 2016 zeigen: Konzerte, Theater, Workshops und Bildungsveranstaltungen. Ein Bewegungsraum und ein Lesecafé wurden eingerichtet. Schüler*innen waren im Garten im Rahmen eines Projektes zum Thema Nachhaltigkeit zu Gast. Verschiedene Initiativen boten Kurse an. Ein Lesekreis zog ein. Eine Zusammenarbeit mit dem Kinderkreativzentrum  Krokoseum der Franckeschen Stiftungen stand im Raum. Parallel dazu wurde viel gebaut. Und selbst im Winter kam das soziokulturelle Leben dank warmer Öfen nicht zum Erliegen. Das Jahr 2017 begann vorsichtig optimistisch.

Hafenstraße 7, 17. August 2017. Das “Gasometer 1” gleicht einem gut gefüllten Amphitheater. Viele Menschen sind dem Aufruf der Hasi zur Vollversammlung gefolgt.

Der Kampf ums Haus geht weiter

Hafenstraße 7, 17. August 2017. Das “Gasometer 1” gleicht einem gut gefüllten Amphitheater. Viele Menschen sind dem Aufruf der Hasi zur Vollversammlung gefolgt – einer Art gemeinschaftlicher Krisenintervention. Es steht auf Messers Schneide. In etwas mehr als einem Monat läuft die Gestattungsvereinbarung aus. Von “wohlwollenden Verhandlungen” zur Weiternutzung, wie sie in dem Duldungspapier festgeschrieben waren, konnte bis dato keine Rede sein, so die Aktivist*innen, die seit Anfang 2016 das Grundstück und Hauptgebäude aufgeräumt, repariert und zugänglich gemacht hatten.

Ein Blick über die Versammlung, zu der auch über eine halbe Stunde nach offiziellem Beginn noch Interessierte hinzustoßen, zeigt: Die Hasi ist tatsächlich ein Ort für alle geworden. Eine äußerst bunte Mischung füllt den idyllisch grünumrankten, ehemaligen Gasbehälter. Junge Elternpaare mit spielenden Kindern, Studierende, gutbürgerliche Mittvierziger und erstaunlich viele ältere Menschen. Einige von ihnen sind Anwohner*innen. Und fast alle zeigen sich bedrückt angesichts des drohenden Endes des Hausprojektes. In den Gesichtern der Redner*innen, die das Publikum aufklären wollen, zeigt sich Sorge, aber auch hoffnungsvoller Trotz, immer wieder von den solidarischen Bekundungen der Anwesenden bestärkt. Es ist zu spüren, dass hier etwas auf dem Spiel steht: Ein offener Raum im Stadtteil, in dem Menschen zusammenkommen und sich engagieren. Weit über 2.000 Arbeitsstunden seien in das Gelände geflossen, hieß es bereits im Januar 2017 nach nur einem Jahr Bewirtschaftung. Damals zeigte sich die HWG auch noch zufrieden mit der Umsetzung der Gestattungsvereinbarung.


“Für mich und meinen Mann ist das Haus ein Segen. Eine Bereicherung für die Stadt. Ich hoffe, dass es bleibt.”


Doch der Wind hat sich gedreht: Heinrich Wahlen, der frühere HWG-Chef, war in den Ruhestand geschickt worden. Dem neuen Geschäftsführer Jürgen Marx sei das Projekt ein Dorn im Auge, so heißt es. Seit sechs Monaten hätte verhandelt werden müssen, doch die HWG habe immer neue Forderungen gestellt, so die Vertreter*innen der Hasi. Sie können sich eines Eindruckes kaum erwehren: Es würden Gründe konstruiert, um die Hasi abwickeln zu können. Bspw. habe die Wohnungsgesellschaft vorgeschlagen, eine Heizungsanlage einzubauen, vermutlich um die Kosten für die Nutzung hochzutreiben und den Aufsichtsrat des Unternehmens davon zu überzeugen, dass das Projekt dem Unternehmen finanziell nicht gut tue.

Eine ältere Einwohnerin meldet sich etwas verschüchtert zu Wort. Zwar habe sie am Anfang Sorge gehabt “wegen der ganzen Zeitungsartikel”, doch “gab es immer Bemühungen um Austausch.“ Das habe ihre Befürchtungen schnell zerstreut. Eine unmittelbare Nachbarin der Hasi stimmt in diesen Tenor ein: “Für mich und meinen Mann ist das Haus ein Segen. Eine Bereicherung für die Stadt. Ich hoffe, dass es bleibt.”

Nun werden Pläne geschmiedet, das Projekt zu retten: Offene Briefe, Petitionen und Zusammenarbeit mit anderen gemeinnützigen Einrichtungen. Man solle Netzwerke bilden und den eigenen Dunstkreis durchbrechen. Viele konstruktive Vorschläge kommen zusammen. Doch hinter allen stehen große Fragezeichen. Es bleiben ja nur noch wenige Wochen. Fast sieht es so aus, also würden die Proteste gegen die drohende Schließung sich viel zu spät erheben. Dabei hatte es schon ziemlich früh im Jahr Anzeichen für den Sinneswandel bei der HWG gegeben.

Stimmungsschwankungen

Das ganze Frühjahr über hatte die Wohnungsgesellschaft auf Zeit gespielt und keine Anstalten gemacht, ernsthafte Verhandlungen mit der Hasi aufzunehmen. Der Ton zwischen den einstigen Partnern war rau geworden. Im Sommer hatte es dann zwischenzeitlich einen Lichtblick gegeben: Beim Sommerfest schauten zahlreichen Politiker*innen vorbei, darunter der Oberbürgermeister, der das Projekt zu diesem Anlass als unterstützenswert bezeichnet haben soll. Doch dieses Zwischenhoch währte nicht lange: Das allgemeine Ressentiment gegen Linke brauchte nur die Anti-G20-Protest in Hamburg zum Anlass um sich dann auch gegen die Hasi zu richten. Das Motto der rechtskonservativen Hardliner – “linke Zentren konsequent dicht machen” – schien nun auch für die Hasi zu gelten, die sich, so der medial transportierte Vorwurf, zum “Treffpunkt für die linksautonome Szene” entwickele.


Zum Problem wird die rechtskonservative und fatalerweise vom Mainstream weitgehend übernommene Zuschreibung, dass linkes Engagement etwas Negatives sei.


Als Belege für diese Behauptung wurden zwei Videos angeführt, die vermummte Gestalten auf dem Gelände bzw. in der Nähe der Hasi zeigen. Kein Wort davon, dass es bspw. Menschen aus der Hasi waren, die bei einem brutalen Überfall rechter Gewalttäter auf mehrere Menschen nach den erfolgreichen Protesten gegen einen bundesweiten Naziaufmarsch am 1. Mai in Halle zu Hilfe eilten und die Angreifer in die Flucht schlagen konnten. Kein Wort davon, dass die Hasi zu jenen Einrichtungen in Halle zählt, die klare Kante gegen die erstarkende Rechte und ein in diesem Zusammenhang zunehmend menschenfeindliches Klima zeigt. So gesehen lässt sich die Hasi tatsächlich auch problemlos als Treffpunkt linker Menschen bezeichnen. Von Menschen, die sich antifaschistisch engagieren. Zum Problem wird hier eher die rechtskonservative und fatalerweise vom Mainstream weitgehend übernommene Zuschreibung, dass linkes Engagement etwas Negatives sei.

HWG-Chef Marx spielt diese Stimmungsmache anscheinend in die Karten: Fakten würden keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch die Stimmung in der Stadt, soll er gegenüber Hasi-Vertreter*innen deutlich gemacht haben. Und an dieser Stimmung bastelte derweil auch weiter die Lokalausgabe der MZ gemeinsam mit besorgten Anwohner*innen der Hafenstraße. “Hausbesetzer verängstigen Nachbarn”, hieß es da am 20. Juli skandalisierend – und falsch: Schließlich handelte es sich qua Nutzungsvereinbarung nicht um eine Hausbesetzung. Und Anfang August wurde lanciert, dass sich die ganze Auseinandersetzung bereits auf juristischer Ebene befindet: Schon seit 2016 scheinen sich besagte Anwohner*innen um eine Nutzungsuntersagung durch die Stadt zu bemühen.

Das Hauptgebäude der Hasi bietet Raum für Kreativität.

Hasi in der Offensive

Die Menschen aus der Hasi blieben derweil selbst nicht untätig: Eine Demonstration für den Erhalt von Freiräumen in Halle am 15. Juli bildete quasi den Auftakt für eine Gegenkampagne. Das Leben in der Stadt brauche Räume, “die es lebenswert machen und in denen selbstbestimmt Dinge getan werden können”, so der Demoaufruf. Und ab August tauchten im Stadtbild mehr und mehr Solidaritätsbekundungen an das Hausprojekt in Gestalt von Transparenten an Hausfassaden auf. Verschiedene Gruppierungen erklärten ihre Unterstützung. Ein zahlreich mitgezeichneter offener Brief ging an die HWG. Bürger*innen der Stadt wendeten sich an den HWG-Aufsichtsrat, die HWG-Führung sowie Kommunalpolitiker*innen mit der Bitte um Fortführung des Projektes. Die Stadtratssitzung vom 30. August wurde mit einer Kundgebung auf dem Marktplatz begleitet. Das Lokalfernsehen berichtete und zeigte dabei überwiegend wohlwollende Anwohner*innen. Und auch die überregionale Presse wird auf den “Häuserkampf” in Halle aufmerksam. So merkte die Tageszeitung taz mit Blick auf das kürzlich eröffnete Hausprojekt von Kontrakultur an: “Das linke und das rechte Haus in Halle: Die Identitären können für die Zukunft planen. Die Linken müssen bangen” – und lud am 19. September im Rahmen ihrer Diskussionsreihe “meinland” sogar zum Runden Tisch nach Halle ein.


Die Menge an Aktivitäten und Solidaritätsbekundungen für den Erhalt des Projektes im Zeitraum Juli bis Oktober 2017 ist kaum zu überblicken, geschweige denn zusammenzufassen.


Das Haus präsentierte sich zum Tag des offenen Denkmals, was über 400 Menschen nutzten, darunter auch der Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby. Zuvor hatten sich bereits die damalige Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE, Petra Sitte (“das muss weitergehen”), sowie die bündnisgrüne Landesumweltministerin Claudia Dalbert (“Wir brauchen solche Orte: friedlich frei bunt selbstbestimmt!”) vor Ort ein Bild vom Haus gemacht. Und auch von verschiedenen Stadtratsfraktionen gab es Zuspruch: Die Fraktion “MitBÜRGER für Halle – NEUES FORUM” zählte die Hasi in ihrem Amtsblatt-Beitrag vom 14. August zu den erhaltenswerten kulturellen Freiräumen in Halle. Bündnisgrüne und DIE LINKE zogen in der Ausgabe vom 27. September nach: Die grüne Ratsfraktion sprach mit Blick auf die zahlreichen Freiraumprojekte in Halle, darunter die Hasi, vom “Salz in unserer Suppe”. Und die linke Fraktion bemerkte mit Blick auf den gesellschaftlichen Rechtsruck: “Ein Projekt sterben zu lassen, das für ein friedliches Miteinander steht, das soziokulturelle Leben in der Stadt bereichert und auch dafür angefeindet und angegriffen wird, wäre fatal.”

Die Menge an Aktivitäten und Solidaritätsbekundungen für den Erhalt des Projektes im Zeitraum Juli bis Oktober 2017 ist kaum zu überblicken, geschweige denn zusammenzufassen. Sie zeigt: Über das Streitobjekt Hasi hat sich in Teilen der Stadt ein Bewusstsein für die Bedeutung soziokultureller Freiräume entwickelt, in denen sich Menschen ohne finanziellen Aufwand oder die Bindung an einen festen Träger gemeinsam verwirklichen und Gesellschaft mitgestalten können. Und dass die aktive Gegenwehr vermutlich gar nicht so groß ist, wie die MZ oder auch die örtliche CDU darzustellen versuchen, lässt hoffen, dass dieses Bewusstsein tatsächlich auch trägt. Das dürfte auch Oberbürgermeister Bernd Wiegand mitbekommen haben, als er Mitte September zu einem Anwohner*innen-Gespräch einlud, bei dem der Zutritt nur mit Kontrolle des Personalausweises möglich gewesen sei: “Wie sich im Nachgang herausstellen sollte, bekundeten die anwesenden Anwohner*innen vor allem ihre Wertschätzung für das Projekt Hasi. Kritische Stimmen waren hingegen kaum zu vernehmen. […] Ein ähnliches Stimmungsbild hatte […] HalleSpektrum auf den vorherigen Veranstaltungen feststellen können.”

Verlängerung

28. September 2017: Der Aufsichtsrat der HWG beschließt in seiner Sitzung die Verlängerung der Gestattungsvereinbarung mit der Hasi bis Ende Januar. Ein sicherer Erfolg in der Auseinandersetzung um die Hafenstraße 7 und langfristige Planungssicherheit sehen allerdings anders aus. Aus der Hasi folgt deshalb auch sofort die Forderung nach einer dauerhaften Lösung.  Während sich die linke Stadträtin Ute Haupt optimistisch zeigt, dass diese nun erreicht werden kann, spricht die MZ von einer “Gnadenfrist” und verhärteten Fronten und lässt als Anwalt der “genervten Anwohner” wieder CDU-Stadtrat und -Fraktionschef Andreas Scholtyssek zu Wort kommen. Dieser beklagt unter anderem, dass andere Vereine auch Geld bräuchten und nicht einfach so ein Haus besetzen könnten. Was der MZ in diesem Zusammenhang nicht gelingt, erledigt das Hallespektrum mit einer Frage, deren Antwort nicht zuletzt die Menschen in der Hasi brennend interessieren würde: “Herr Scholtyssek, wo sind die genervten Anwohner?

Dass bei der örtlichen Union und diversen Hafenstraßenanlieger*innen tatsächlich die Nerven blank liegen, hatte sich in den Tagen vor dem Beschluss bereits abgezeichnet. Denn nach der erfolgreichen Vollversammlung und der anlaufenden Kampagne, die stadtweit für immer mehr Aufmerksamkeit für das Hausprojekt sorgte, sprach sich Oberbürgermeister Bernd Wiegand in der Einwohnerfragestunde der Stadtratssitzung am 30. August tendenziell für das Projekt aus. Die Stimmung hatte sich noch einmal zugunsten der Hasi gedreht. Dennoch wurde es ein letztes Mal kritisch, als nur wenige Tage später “Hasi bleibt”-Schriftzüge an der CDU-Kreisgeschäftsstelle im Mühlwegviertel auftauchten. Wasser auf die Mühlen der örtlichen CDU und deren Forderung nach einer Schließung.


Das Schüren von Angst gegen linkes Leben, quasi ein letzter Versuch die Hoheit im politischen Machtkampf um das Hausprojekt zu gewinnen, konnte das Blatt nicht mehr wenden.


Es folgte die Verlesung eines Beschwerdebriefes von kritischen Anwohner*innen der Hafenstraßen im Ordnungsausschuss durch dessen Vorsitzenden – Andreas Scholtyssek. Zudem tauchte ein weiterer, nichtöffentlicher Brief von angeblich 88 besorgten Anwohner*innen auf. Und in einem letzten Beitrag vor der abschließenden Aufsichtsratsentscheidung wurde wieder mit der vermeintlichen Angst der Einwohner*innen vor Anarchie in der Nachbarschaft gespielt: Kritiker sähen “das Haus als Treffpunkt von Linksextremisten, als Hort anarchistischer Chaoten, die die Anwohner mit lauten Konzerten bis tief in die Nacht terrorisieren.”

Doch dieses Schüren von Angst gegen linkes Leben, quasi ein letzter Versuch die Hoheit im politischen Machtkampf um das Hausprojekt zu gewinnen, konnte das Blatt nicht mehr wenden. Die Solidarität in Teilen der Stadt und der soziokulturelle Beitrag des Hausprojektes für das Leben in Halle schienen die Entscheidungsträger*innen im Aufsichtsrat mehrheitlich überzeugt zu haben. Zumindest vorerst, denn bis Januar 2018 ist nicht viel Zeit. Ein gutes Vierteljahr noch um zu zeigen, dass die Hasi vom soziokulturellen Hausprojekt zu einem unverzichtbaren Freiraum für die ganze Stadt reifen kann.

"Hasi"

Hasi steht für Hafenstraße 7 – die Hausnummer der ehemaligen ersten halleschen Gasanstalt. Dort befindet sich seit Januar 2016 ein Hausprojekt, das sich zum sozialen Zentrum in dem Gebiet zwischen Alt- und Neustadt entwickelt.

Die Hasi ist grundsätzlich offen für alle und bietet Räume für Initiativen und Projekte und freut sich über Mitarbeit im Haus und im Garten.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.