Endspiel. Stück in einem Akt. Erweiterte Fassung

Ein Auftritt von Innenminister Holger Stahlknecht im Landtag zum Thema "Linke Szene" in Sachsen-Anhalt

von | veröffentlicht am 25.11 2017

Beitragsbild: per.spectre

Für die Sitzungswoche zum 26./27. Oktober 2017 des Landtages von Sachsen-Anhalt beantragte die Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) eine Aktuelle Debatte zum Thema "Linke Szene in Sachsen-Anhalt - Hausbesetzung in der Hafenstraße 7 Halle". In Debatten zu solchen Themen lassen sich mitunter politische Grund- und Werthaltungen ablesen, für die sich ein genauerer Blick lohnt. Sie sind zugleich einstudierte, ja zum Teil ritualisierte Inszenierungen. Einen besonders bemerkenswerten Akt wollen wir unkommentiert herausgreifen: den Auftritt von Innenminister Holger Stahlknecht (CDU).




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„Das Absurde, mit Geschmack dargestellt, erregt Widerwillen und Bewunderung.“ (Johann Wolfgang von Goethe)


 

Personen

STAHLKNECHT, Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt, Reserveoffizier, letzter Dienstgrad: Oberstleutnant d.R.

LÜDDEMANN, Vorsitzende der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

RAUE, deutscher Politiker. Diplom-Ingenieur für Bauwesen und Erstunterzeichner der Erfurter Resolution und

RAUSCH, Immobilienunternehmer und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der

AFD ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND (AFD), deren beider Partei, Landesverband gegründet 2013, seit 2016 im sachsen-anhaltischen Landtag, Parteibanner: „Wir werden unser Land und unser Volk zurückholen“

CHRISTLICH DEMOKRATISCHE UNION DEUTSCHLANDS (CDU), links der AFD, Landesverband gegründet 1945 in Halle (Saale), seit 2002 Regierungspartei

SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (SPD), links der CDU, Zusammenschluss Landesverband 1990 in Quedlinburg, seit 2006 Regierungspartei

Szenerie

Die Bühnenausstattung ist von größter Schlichtheit. Ein Pult. Holztische im Oval. Schwarze Stühle. Nur die zur Handlung notwendigen Gegenstände. STAHLKNECHT mit dem Rücken zu Glasfront und Stahlträgern. Gegenlicht. Es ist dunkel geworden im sachsen-anhaltischen Landtag.

Handlung

STAHLKNECHT
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns in einer Aktuellen Debatte, die eigentlich mehr generell sein soll, im Augenblick sehr singulär mit Ereignissen in Halle.

LÜDDEMANN
Ja, mit Kommunalpolitik!

STAHLKNECHT
Ich werde zunächst einige Punkte zu Halle ausführen, soweit das überhaupt in den Möglichkeiten einer Landesregierung liegt, die Sie angesprochen haben, und werde zum Schluss allgemein zum Linksextremismus, den Sie ansprechen, und Anarchie etwas sagen.

Ich will erst einmal auf die Fakten eingehen. Sie führen aus, dass einige Anwohner aus dem Umfeld des in Rede stehenden Objektes Beschwerde führen über Ruhestörungen und andere Ordnungswidrigkeiten, die eben mit der Nutzung dieses Objektes einhergehen.

RAUE zurufend (unverständlich)

STAHLKNECHT
Ich will Ihnen die Zahlen nennen, die uns die zuständige Polizeidirektion Süd dazu berichtet hat. Im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 23. Oktober dieses Jahres, also sehr zeitgenau, gab es wegen ruhestörenden Lärmes am Objekt 16 polizeiliche Einsätze. Zudem sind sechs Strafanzeigen aufgenommen worden, beispielsweise wegen Sachbeschädigung und Beleidigung.

STAHLKNECHT mit Nachdruck
Fakten!

STAHLKNECHT ruhiger
Verfassungsschutzaspekte. Dieses Objekt wird „Hasi“ genannt und das Thema Freiräume bzw. deren Schaffung und Erhalt für deutsche Linksextremisten hat seit Jahren einen hohen Stellenwert. Als Freiräume gelten insbesondere besetzte Häuser, kollektive Wohnprojekte sowie selbstverwaltete sogenannte Jugend- und Kulturzentren. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass linksextremistische Gruppierungen, wie das Offene Antifa Plenum, die Rote Hilfe und die Interventionistische Linke Halle das „Hasi“ unterstützen.

AFD im Chor
Richtig!

STAHLKNECHT
Linksextremisten unterschiedlicher Prägung, darunter insbesondere Autonome, reklamieren nach eigenem Bekunden seit Jahren für sich die Schaffung und den Erhalt selbstbestimmter, subkultureller Strukturen und möglichst staatlich unkontrollierter Freiräume sowohl außerhalb des kapitalistischen Systems und seiner Verwertungslogik als auch außerhalb der die sie stützenden gesellschaftlichen Normen und Institutionen. Diese Freiräume seien für sie notwendige Rückzugsräume zur Verwirklichung der eigenen Lebensentwürfe. Sie sind darüber hinaus aber auch Ausgangspunkt antistaatlicher Aktivitäten.

AFD zurufend
Richtig!

STAHLKNECHT
Zumindest die Bezüge zur Interventionistischen Linken Halle sowie zur Roten Hilfe e. V. sprechen für eine linksextremistische Beeinflussung des „Hasi“.

AFD zustimmend

STAHLKNECHT
Kommunale Aspekte. Die Stadt Halle hat darüber informiert, dass von der Stadtratsfraktion Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und Mitbürger für Halle ein Antrag zum Erwerb der Liegenschaft Hafenstraße 7 gestellt worden sei, und zwar im nichtöffentlichen Teil der Sitzung. Sie wollen also diesen Bereich, über den ich eben berichtet habe, im Stadteigentum erwerben.

RAUSCH
Die wollen Linksextremismus fördern!

STAHLKNECHT
Die Stadtverwaltung will die politische Willensbildung abwarten; das muss man auch respektieren, weil dort eben auch Artikel 28 des Grundgesetzes in Bezug auf die Selbstverwaltung gilt. Die Stadt hat uns nur versichert, dass die Vorgaben des Kommunalverfassungsgesetzes, also die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, beachtet würden.

STAHLKNECHT sehr sachlich
In Bezug auf die Entscheidung des Aufsichtsrats der Halleschen Wohnungsgesellschaft zur Verlängerung eines Nutzungsvertrages zwischen der Wohnungsgesellschaft und dem Capuze e. V. kann ich allerdings nur anmerken, dass sich eine solche Entscheidung der Einwirkungsmöglichkeit – Herr Farle weiß das als Rechtsanwalt, ebenso wie ich – der Kommunalaufsicht entzieht. – Das sind die Bestände.

STAHLKNECHT nach kurzem Innehalten
Jetzt will ich einiges allgemein sagen. Wir brauchen in diesem Land weder Rechtsextremismus noch Linksextremismus.

CDU und AFD Beifall

AFD im Chor zurufend
Richtig!

STAHLKNECHT
Linksextremismus und sie unterstützende Strukturen zeichnet eben auch aus, dass sie den Staat nicht akzeptieren und die von ihnen ausgehende Gewalt, weil sie gegen den Repressionsapparat gerichtet ist, immer als gute Gewalt bezeichnen. Sie schaffen dadurch in diesen Bereichen rechtsfreie Räume und zeigen dann der Bevölkerung – man denke nur an den G-20-Gipfel, dass man in diesem Staat unter Aushebelung des Rechts machen kann, was man will.

STAHLKNECHT räsonierend
Der Bürger aber hat den Anspruch, und zwar zu Recht, auf einen funktionierenden Rechtsstaat. Wir brauchen also keinen Rechtsruck in diesem Land, sondern wir brauchen einen funktionierenden Rechtsstaat.

CDU Beifall

SPD horcht auf: Beifall

STAHLKNECHT
Aber die Linksextremen unterlaufen dieses und stärken damit wiederum den Rechtsextremismus und stärken damit auch einen Rechtsruck, weil der Bürger der Auffassung ist, dass Rechtsstaat nicht mehr funktioniert.

CDU Beifall

AFD zustimmend

STAHLKNECHT
Damit ist – unabhängig von der Zahl der Straftaten – für die Stabilität in diesem Land der Linksextremismus genauso gefährlich wie der Rechtsextremismus. Das muss man auch so deutlich sagen.

STAHLKNECHT nachdenklich
Es gibt einen Professor der Politikwissenschaften – damals war das ganz neu.

STAHLKNECHT plötzlich aufgeregt
Es hat eine riesige Aufregung gegeben, als ich das damals zitiert habe; ich sage es dennoch erneut, der gesagt hat: Die Antifa organisiert die Anti-Antifa!

STAHLKNECHT ruhiger
So ist das. In dem Sinne herzlichen Dank.

CDU Beifall

AFD zustimmend

Das vollständige Transkript der Rede von Holger Stahlknecht gibt es hier.

Hier geht’s zur Zusammenfassung der Landtagsdebatte.