Bunt gespalten: Die Kommunalwahl in ausgewählten Grafiken

Ein Blick auf die politische Stimmung in den Stadtteilen zur Stadtratswahl in Halle

von | veröffentlicht am 03.06 2019

Beitragsbild: Transit

Halle hat gewählt – und die Ergebnisse zur Stadtratswahl sind in vielerlei Hinsicht überraschend: Die Grünen haben deutlich zugelegt und sind nunmehr drittstärkste Kraft in Halle, DIE LINKE kam (landesweit einzigartig) trotz Verlusten auf Platz eins über die Ziellinie, die CDU wird immer stärker an den Stadtrand gedrängt und die AfD blieb hinter ihren Erwartungen zurück. In diesem Beitrag soll anhand ausgewählter Grafiken dargestellt werden, welche Partei wo gewonnen hat, wo die jeweiligen Hochburgen zu finden sind und wo es am wenigsten Zuspruch gab.




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Die Ergebnisse in den Wahlbereichen

Wir beginnen mit einem Blick auf die Ergebnisse in den Wahlbereichen (Tafel 1). Diese wurden erst Ende 2018 neu aufgeteilt. Damit wurde auf die Bevölkerungsverschiebung (vgl. Tafel A) innerhalb der Stadt in den Jahren davor reagiert. Wahlbereich 1 umfasst die gesamte Neustadt und Nietleben, Wahlbereich 2 den Norden der Stadt von Dölau über Kröllwitz und Trotha bis nach Tornau, Wahlbereich 3 den Osten, beginnend mit dem nördlichen Teil der Innenstadt über Halle-Ost bis nach Reideburg, Wahlbereich 4 die Altstadt und den südlichen Teil der Innenstadt und Wahlbereich 5 mit dem gesamten Süden mit Südstadt und Silberhöhe bis hinaus in die Saale-Elster-Aue.

Am Wahlabend gab es zunächst vielerorts schockierte Gesichter, da die AfD zu Beginn der Auszählung bei über 20 Prozent gelegen hatte. Das lag daran, dass zunächst die Ergebnisse aus den kleinen Wahllokalen ins Stadthaus übermittelt wurden, da hier schneller ausgezählt werden konnte. Und diese Wahllokale lagen in den eher dünn besiedelten Gebieten außerhalb der Kernstadt. Am längsten wurde in der Innenstadt gezählt, da dort nicht nur viele Menschen wohnen, sondern auch die Wahlbeteiligung höher war.

Da in der Innenstadt die Grünen besonders stark abschnitten und dabei zum Teil weit vor allen anderen Mitbewerbern landeten, holten sie im Laufe der Auszählung nach und nach auf und wurden schließlich in gleich zwei Wahlbereichen, 3 und 4, stärkste Kraft. Die CDU holte den Norden, DIE LINKE die Neustadt und die AfD den Süden. Doch der alleinige Blick auf die jeweiligen Wahlsieger in den Wahlbereichen täuscht, denn nicht selten gab es bis zum Schluss ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

In Tafel 2 ist deshalb differenzierter dargestellt, wo die Wahlbereiche stärker umkämpft waren. Im Süden, also dem von der AfD letztlich gewonnenen Bereich, lagen am Ende AfD (19.15%), DIE LINKE (18.81%) und CDU (18.46) sehr dicht beieinander – mit einem Unterschied von jeweils nur wenigen Hundert Stimmen. In Wahlbereich 1 landete die Linke (22.67%) auch nur mit einem ebenso knappen Abstand vor der AfD (21.89%). Im Norden trennten CDU (19.69%) und Grüne (18.03%) nicht einmal zwei Prozent ebenso wie im Zentrum die Grünen (19.64%) von den Linken (18.06%). Nur den Wahlbereich 3 gewann eine Partei haushoch mit rund fünf Prozent vor den nächstplatzierten – die Grünen (22.54%).

Die Ergebnisse in den Stadtteilen

Ausgerechnet der sonst so konservative Osten der Stadt soll also grün geworden sein? Nein. Diese schmeichelhafte Zuschreibung verdanken die Grünen allein dem Umstand, dass die traditionell eher der CDU zugeneigten Einfamilienhaussiedlungen mit der Nördlichen Innenstadt und dem Paulusviertel in einem Wahlbereich zusammengefasst wurden – also mit zwei besonders einwohnerstarken Stadtteilen (vgl. Tafel II) mit einem besonders hohen Anteil an Stimmen für die Grünen.

Deshalb ist es insgesamt gar nicht so informativ, sich näher mit den Ergebnissen in den Wahlbereichen zu befassen. Viel interessanter sind die Ergebnisse in den Stadtteilen bzw. Stadtvierteln. Diese lassen einen genaueren Blick darauf zu, welche Bevölkerungsgruppen wie gewählt haben. Tafel I gibt einen Überblick über die Stadtteile und zeigt zudem auf, welche Bebauungsstruktur in diesen Teilen dominiert. Rund um den dicht bebauten gründerzeitlichen Stadtkern und die jüngeren dichteren Stadterweiterungen befinden sich ehemalige Dörfer, über die die Stadt einfach hinweg gewachsen ist, Einfamilienhaussiedlungen und relativ unveränderte Dorfkerne mit Neubauerweiterung; konzentriert im Südwesten, Westen und Nordwesten zudem die sozialistischen Großwohnsiedlungen Südstadt/Silberhöhe, Neustadt und Heide-Nord.

Der Blick auf Tafel II verrät, dass sich die Bevölkerung insgesamt sehr auf den gründerzeitlichen Kern, die südlichen und nördlichen Stadterweiterungen und eben jene Großwohnsiedlungen konzentriert. Im Vergleich dazu wohnen im quasi ländlichen Raum innerhalb der Stadtgrenzen wesentlich weniger Menschen. Die Wahlergebnisse in der Peripherie spielen demnach für das Gesamtergebnis der Stadtratswahlen eine deutlich geringere Rolle, auch wenn die Fläche auf der Karte zunächst ziemlich groß aussieht. Dies gilt es bei der Interpretation der Karten zu beachten. Zu beachten ist auch, dass bei der Darstellung der Ergebnisse in den Stadtteilen die jeweiligen Briefwähler*innen fehlen, deren Stimmen sich nur in den Gesamtergebnissen der Wahlbereiche wiederfinden.

Die grafische Darstellung der Spitzenreiter aus den jeweiligen Stadtteilen relativiert nun die bloße Darstellung der Wahlbereichsgewinner, wie Tafel 3 zeigt. Die Grünen dominieren hier deutlich und ausnahmslos den gesamten gründerzeitlichen Stadtkern zwischen Zoo und Melanchthonplatz sowie Salineinsel und Hauptbahnhof. DIE LINKE konnte lediglich mit Trotha, der Nördlichen Neustadt und dem Lutherplatz drei Stadtteile für sich gewinnen. Die AfD lag im übrigen Teil der Neustadt vorne, in Lettin im Norden, in Freiimfelde und Diemitz im Osten sowie in großen Teilen des Südens. Den Rest der Stadt – überwiegend ältere und neuere Einfamilienhaussiedlungen – holte die CDU, darunter der schon erwähnte traditionell konservativ wählende Osten der Stadt; und mit Ausnahme der drei nordöstlichen Dörfer Seeben, Tornau und Mötzlich.

Doch auch hier, wie bei den Wahlbereichen, verzerrt der alleinige Blick auf die Stadtteil-Spitzenreiter das Bild. Deshalb findet sich in Tafel 4 der differenzierte Blick in die umkämpfteren Gebiete. Hier bleibt das Bild eines CDU-dominierten Ostens erhalten, was dann letztlich nicht sonderlich überrascht. Auch der schwarze Fleck im Nordwesten (die Frohe Zukunft und die Gottfried-Keller-Siedlung) sowie das städtebaulich sehr junge Heide-Süd erscheinen als CDU-Hochburgen. Die AfD konnte hingegen nur die Südliche Neustadt und das Dorf Lettin klar für sich entscheiden.

Von der blauen Dominanz vom Beginn der Auszählung am Wahlabend ist somit nicht mehr allzu viel übrig. Bleibt noch der Blick in die Mitte: Hier lagen die Grünen in allen inneren Stadtteilen haushoch vorne. Die jeweils zweitplatzierte Linke folgte erst mit großem Abstand. Diese konnte zwar letztlich keinen Stadtteil wirklich klar für sich entscheiden, erzielte dafür aber in den meisten einwohnerstärkeren Gebieten jenseits des Stadtkerns relativ gute Werte – ein lilaner Gürtel um das grüne Herz.

Die Hochburgen

Das Resultat: DIE LINKE konnte die Stadtratswahl mit 17.78 Prozent stadtweit für sich entscheiden, ganz knapp vor der CDU (17.42%) und den Grünen (16.28%). Tafel 5 zeigt, in welchen Gebieten die Linken eher stärker und in welchen sie eher schwächer abgeschnitten haben. Dabei fällt auf, dass es ihnen im Gegensatz zu ihren stärksten Konkurrenten gelungen ist in nahezu allen urbanen Stadtgebieten gleich gute Ergebnisse einzufahren. Am stärksten schnitt die Partei in den Großwohnsiedlungen, aber auch in den Kernstadtrandlagen ab – zwischen Trotha und der Silberhöhe, Freiimfelde und der Westlichen Neustadt.

Ganz anders das Ergebnis der zweitplatzierten CDU, wie Tafel 6 zeigt. Die Konservativen fuhren ihre schlechtesten Ergebnisse in der Kernstadt ein, wo sie ihren Status als Volkspartei quasi verloren haben. Auch in den Großwohnsiedlungen konnten sie nicht wirklich punkten. Dafür aber im sogenannten Einfamilienhausgürtel, insbesondere im Osten der Stadt. Interessanterweise sind das gerade jene Gegenden von Halle mit dem höchsten Durchschnittsalter (vgl. Tafel B), der geringsten Arbeitslosenquote (vgl. Tafel C) und der höchsten durchschnittlichen Pro-Kopf-Wohnfläche (vgl. Tafel III).

Wo die CDU besonders schwach abschnitt, waren die Grünen besonders stark, wie Tafel 7 verrät: In der Kernstadt und etwas weniger in den angrenzenden Vorstadtteilen wie Kröllwitz. Vor diesem Hintergrund fallen die für grüne Verhältnisse trotzdem immer noch beachtlichen zweistelligen Ergebnisse in den dünner besiedelten Gebieten zunächst nicht auf. Und selbst in den Gegenden, in denen die Grünen am schlechtesten abschnitten, kamen sie locker über die fünf Prozent. Doch entscheidend waren hier ohnehin die Gewinne in den dicht bewohnten Gründerzeitgebieten. Interessante Fußnote ist das sehr gute Ergebnis in den nordöstlichen Dörfern Seeben, Tornau und Mötzlich, wo die Partei insgesamt mehr als 20 Prozent der Stimmen holen konnte. Womöglich haben hier die Konflikte um eine mögliche nördliche Umgehungsstraße sowie ein weiteres Gewerbegebiet am Autobahnanschluss Tornau polarisiert.

Nun zur AfD: Tafel 8 weist hier für die Kernstadt ein ebenso starkes Stimmungsloch auf wie für die CDU. In keinem der gründerzeitlichen Stadtteile konnte der politische Arm der sogenannten Neuen Rechten zweistellig werden. Ihre Hochburgen hat die AfD eher in den Großwohnsiedlungen und hier liegt der wesentliche Unterschied zur CDU. Zudem konnte die Partei in dem ein oder anderen dörflichen Stadtteil wie Lettin, Kanena/Bruckdorf oder Tornau punkten. Doch diese Stimmen waren aufgrund der geringen Anzahl an Wahlberechtigten in diesen Gebieten nicht entscheidend für den Wahlausgang.

Die SPD (Tafel 9) ist die vierte und letzte Wahlliste, die ein zweistelliges Gesamtergebnis erzielen konnte. Allerdings nur knapp und ohne wirkliche Hochburgen. Den besten Wert erzielten die Sozialdemokrat*innen im Paulusviertel, den schlechtesten in Mötzlich. Insgesamt ist das Bild relativ ausgeglichen. Man könnte jedoch sagen, dass die SPD dort bessere Werte erzielte, wo die Mieten vergleichsweise höher ausfallen (vgl. Tafel D) und/oder die Bevölkerung ein wenig älter ist (vgl. Tafel B). Auch die FDP (Tafel 11) war für ihre Verhältnisse eher dort stark, wo die Mieten höher bzw. die zur Verfügung stehende Pro-Kopf-Wohnfläche (vgl. Tafel III) größer war. Ihren besten Wert holten sie im Genscher-Geburtsort Reideburg, ihren schlechtesten in Tornau.

Bleiben abschließend die beiden parteiunabhängigen Listen, die in Fraktionsstärke in den Stadtrat gewählt wurden. Hier fällt beim Blick auf Tafel 10 (Hauptsache Halle) und Tafel 12 (MitBürger) auf, dass sie sich die Stadt quasi gut untereinander geteilt haben. Die Wiegand-nahe Liste Hauptsache Halle, die zum ersten Mal bei einer Stadtratswahl kandidierte, war im Südwesten stärker. Die Mitbürger konnten dagegen im Nordwesten punkten. Möglicherweise haben für diese Aufteilung die jeweiligen Kandidat*innen in den Wahlbereichen (Westen & Süden versus Osten und Norden) gesorgt.

Fiktive Blöcke

Am Ende dieser Auswertung noch ein kurzer Blick auf fingierte Parteien-Blöcke. Zunächst auf Rot-Rot-Grün, legitimiert dadurch, dass sie mit einer relativ klaren antifaschistischen Haltung ein gewichtiges kleinstes gemeinsames Vielfaches aufweisen – und in den nun folgenden Oberbürgermeister*innen-Wahlkampf schicken sie mit Hendrik Lange einen gemeinsamen Kandidaten. Mit Blick auf das Ergebnis zur Stadtratswahl dürften sie, wenn das Bündnis denn hält und die Wähler*innen ihnen bei der Wahl des Kandidaten auch folgen, gar nicht so schlechte Karten haben. Tafel 13 zeigt, dass sie sich gerade in der Kernstadt und damit in den einwohnerstärkeren Gebieten auf ein hohes Wähler*innenpotenzial stützen können. Am höchsten ist es im Paulusviertel mit rund 60 Prozent. Und auch in den Großwohnsiedlungen werden gemeinsam bis zu 40 Prozent erreicht.

Es ist für die CDU sicher nicht sehr schmeichelhaft, mit der AfD in eine Grafik geschmissen zu werden. Doch solange die CDU in Sachsen-Anhalt mit der AfD flirtet und alles, was den Anschein macht, links zu sein, ablehnt, darunter irrsinnigerweise auch den Antifaschismus, solange muss man ihr das immer wieder zumuten. Ein solcher rechts-konservativer Block hätte, wie Tafel 14 zeigt, im Zentrum der Stadt eher schlecht Karten. Da werden insgesamt gerade einmal rund 20 Prozent erreicht. In den Großwohnsiedlungen ist Schwarz-Blau hingegen aufgrund der dortigen Stärke der AfD gleichauf mit Rot-Rot-Grün und in den besseren Einfamilienhauslagen aufgrund der dortigen Stärke der CDU etwas weiter vorne. Der Oberbürgermeister-Kandidat der CDU (Andreas Silbersack von der FDP) dürfte es somit insgesamt schwerer haben aufgrund der Schwäche der CDU in den dichter besiedelten Stadtteilen.

Da bundesweit die Grünen auch immer mal mit der CDU anbandeln (die SPD tut das auch, allerdings mit einem stärkeren sozialpolitischen Anspruch als die Grünen, und sie ist derzeit nicht so entscheidend), noch ein kurzer Blick auf einen fiktiven Block beider Parteien (der so in Sachsen-Anhalt wohl angesichts der Stimmung zwischen beiden Parteien nicht mehr zu erwarten ist). Dieser würde vor allem in der teureren Hälfte der Stadt, ungefähr nördlich der Hochstraße punkten (Tafel 15).

Und wenn man AfD und DIE LINKE aufgrund ihres ihnen zugeschriebenen Potenzials als Protestparteien kumuliert, so heben sich mit bis zu knapp 50 Prozent die Großwohnsiedlungen Neustadt und Silberhöhe ab, in denen die Arbeitslosigkeit in der Stadt mit Abstand am höchsten ist (vgl. Tafel C) und die Mieten noch vergleichsweise gering sind (vgl. Tafel D). Auch die Zufriedenheit mit dem Wohnumfeld ist gerade hier am niedrigsten in der Stadt und in den letzten Jahren brandeten in diesen Stadtteilen, vor allem auf der Silberhöhe und am Südpark in der südlichen Neustadt, immer wieder soziale Konflikte auf. Hier ist womöglich die Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation und folglich mit der Politik von CDU und SPD am größten.

Für die Großwohnsiedlung Heide-Nord ist eine Bewertung insgesamt schwierig, da der eigentliche Stadtteil Heide-Nord/Blumenau nicht nur die sozialistischen Neubauten, sondern ältere und neuere Einfamilienhaussiedlungen umfasst, für die mit Blick auf die Wahlergebnisse in anderen Bereichen der Stadt ein anderes Wahlergebnis anzunehmen ist als für die benachbarte Großwohnsiedlung selbst.

Zusammenfassung

Würde man die stadtteilscharfen Wahlergebnisse in Halle auf eine Zielscheibe kleben, so würde man mit einem Pfeil in der Mitte nicht ins Schwarze, sondern ins Grüne treffen. Und dieser Sachverhalt fällt ziemlich deutlich aus und ist umso gewichtiger, als dass dort ein großer Teil der halleschen Bevölkerung lebt. Die Menschen sind hier vergleichsweise jung, der Zuzug ist groß, die Mieten ziehen an und die Beschäftigungsquoten sind relativ gut. Insgesamt ein Stadtgebiet, das sich mittlerweile schön herausgeputzt hat, das allerdings besonders von sozialer Entmischung betroffen ist, und in dem es dem Großteil der Bevölkerung nach objektiven Kriterien wohl vergleichsweise gut geht. Hier leben die sozial Privilegierten, die nicht zuletzt häufiger wählen gehen.

Trifft man nicht ganz ins gründerzeitliche Zentrum, so landet der Pfeil im inneren Ring, einer Mischung aus Vorstadt, genossenschaftlicher Stadterweiterung und sozialistischer Großwohnsiedlungen. Hier liegen Rot-Rot-Grün und Schwarz-Blau in etwa gleichauf. Die Arbeitslosenquoten sind hier in den alten Vorstädten und neueren Großwohnsiedlungen höher, ebenso wie das Alter der Bevölkerung, das insbesondere rund um den Galgenberg und auf Höhe der Rabeninsel im Durchschnitt Höchstwerte erreicht. Hier nahm die Bevölkerung in den letzten Jahren auch eher ab. Dafür sind die Mieten noch nicht ganz so stark angezogen oder sogar vergleichsweise niedrig. Hier finden sich die sozial wohl am besten durchmischten Gebiete der Stadt und gerade mit den Großwohnsiedlungen auch jene Stadtteile, wo die Menschen die größten Sorgen haben dürften, insbesondere weil ihnen nur ein vergleichsweise geringes Einkommen zur Verfügung steht, ja, nicht wenige über gar keinen Arbeitsplatz verfügen.

Wer schließlich den Rand der Scheibe trifft, der trifft im Einfamilienhausgürtel mit ziemlicher Sicherheit die CDU und ansonsten eher Blau und Grün, je nach Wohnlage. In den Stadtteilen, in denen noch Einfamilienhaussiedlungen (aus-)gebaut werden (insbesondere nördlich und südlich der Heide sowie in Halle-Ost), gibt es Bevölkerungsgewinne. Hier leben eher Menschen im mittleren Alter, die sich ein Haus oder eine teurere Mietwohnung leisten können. Die Arbeitslosigkeit ist noch geringer als in der Kernstadt. Auch hier dürfte es den Menschen nach objektiven Kriterien vergleichsweise gut gehen. Auch hier leben eher sozial Privilegierte. Hier finden sich im Übrigen auch die meisten PKW pro 1.000 Einwohner*innen (vgl. Stadtteilkatalog 2017, Stadt Halle), von denen in den Großwohnsiedlungen und in der gründerzeitlichen Kernstadt pro Kopf am wenigsten gezählt werden.

Und so ergibt sich für Halle ein relativ buntes Bild aus zum Teil sehr unterschiedlichen Wahlergebnissen. Es weist, neben den durchaus beruhigend geringen Anteilen für die AfD in weiten Teilen der Stadt, auf eine starke soziale Spaltung hin – in wenigen anderen deutschen Städten sind schließlich unterschiedliche Einkommensklassen räumlich so stark voneinander getrennt wie in Halle. Nahezu nirgendwo sonst ist die Kinderarmutsquote so hoch wie hier. Davon bekommen die Menschen in den schmucken Gründerzeitvierteln, wo sich das liberale (durchaus progressiv gestimmte) Bürgertum auch mal fünf Prozent der Stimmen für eine Satirepartei leisten kann (bei der Europawahl sogar rund 10%), und in den idyllischen Einfamilienhauslagen, wo das Sättigungspotenzial wohl am höchsten und das Veränderungsstreben am geringsten sein dürfte, jedoch wenig mit. Und die Kommunalpolitik zeigte sich bislang relativ machtlos angesichts der weiteren Verschärfung sozialer Ungerechtigkeit. Hier liegt wohl auch die größte Herausforderung für die nächsten fünf Jahre in der Stadt – gerade der überwiegend privilegierte rot-rot-grüne Kern der Stadt (Bewohner*innen wie Politiker*innen) hat dabei eine besondere solidarische Verantwortung.

Zu den offiziellen Wahlergebnissen der Stadt Halle (Saale): Link.

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