Karstadt droht mit Häuserkampf

Prominente Entmietung in der Leipziger Innenstadt

von | veröffentlicht am 10.04 2018

Beitragsbild: Transit

Nach Ostern wurde bekannt, dass die Leipziger Karstadt-Filiale womöglich bald ihr Kaufhaus in der Messestadt räumen muss. Der Vermieter der Immobilie hatte dem Unternehmen gekündigt, nachdem es sich geweigert hatte, einer drastischen Mieterhöhung zuzustimmen. Karstadt geht nun an die Öffentlichkeit mit Worten, die Erstaunen hervorrufen dürften.




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„Erlebnis-Shopping im Herzen Leipzigs hat eine Adresse – Karstadt in der Petersstraße!“ heißt es derzeit noch auf der offiziellen Karstadt-Internetseite. Bald könnte diese Adresse Geschichte sein, glaubt man zumindest den aktuellen Medienberichten über die traditionsreiche Filiale des Kaufhaus-Konzerns in der Leipziger Altstadt. Einen Tag vor Ostern sei die Kündigung des Vermieters eingegangen, weil das Warenhaus in Mietverhandlungen eine Erhöhung um immerhin 68 Prozent nicht akzeptieren wollte, so die Leipziger Volkszeitung LVZ.

Kampf um jeden Quadratmeter

Für mehrere Hundert Beschäftigte dürfte diese Nachricht ein ziemlicher Schock gewesen sein. Dem lesbar fassungslosen Standort-Chef sei „selbst fast die Stimme weggeblieben“, als er die Belegschaft informieren musste. Neben dem Arbeitsplatzverlust drohe der Bachstadt schließlich das Ende einer „beeindruckenden Einkaufsstätte“ und der nach eigenen Angaben deutschlandweit besten Süßwarenabteilung, ausgezeichnet mit dem „Süßen Stern“. So weit, so tragisch. „Geh ich halt zu Kaufhof“, werden die ein oder anderen treulosen Leipziger*innen denken und schulterzuckend die Zeitung weiterblättern.

Doch dann lässt sich der örtliche Karstadt-Chef mit Worten zitieren, die alle Häuserkampf-erprobten Menschen hellhörig werden lassen: Man wolle „auf jeden Fall“ in Leipzig und in der aktuellen Immobilie bleiben. Und: „Wir werden um jeden Quadratmeter kämpfen.“ So steht es schwarz auf weiß: „Wir werden um jeden Quadratmeter kämpfen.“ Das muss man zweimal lesen. Doch damit nicht genug: Mit Mahnwachen und Demonstrationen sollen Druck ausgeübt und die Menschen in Leipzig aufgerüttelt werden. Steht der Messestadt damit ein Häuserkampf bevor, wie ihn das Land noch nicht gesehen hat? Bekommt die „Hasi“ in Halle einen ungeahnten Leidensgenossen und womöglich auch Bündnispartner im Kampf gegen spekulierende Immobilienfirmen?

Recht auf Innenstadt

Es sieht ganz danach aus. Wie in Halle im Fall des soziokulturellen Zentrums in der Hafenstraße 7 der hallesche Oberbürgermeister, wolle auch das Leipziger Stadtoberhaupt um den Verbleib von Karstadt „kämpfen“. Diverse Parteien haben ebenso bereits Unterstützung zugesagt. Ein breites Bündnis zeichnet sich ab, um ein Recht auf Innenstadt (Rais) für bedrohte Konzern-Filialen einzufordern. Folgerichtig hat sich unter anderem das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ mit Karstadt solidarisiert und das Unternehmen zur #leipzigfueralle-Demo am 20. April eingeladen – nicht ohne sich ein Augenzwinkern verkneifen zu können, beklagt sich hier doch ein kapitalistisches Unternehmen über den kapitalistischen Prozess der Mehrwertgenerierung. Ein Prozess, der ursprünglich überhaupt zu der fragwürdigen Entscheidung, das eigene Haus an Investoren zu veräußern und sich dann dort wieder einzumieten, geführt haben dürfte. Wer macht schon so etwas Dummes, wo doch allen bekannt ist, dass Eigentum doch zumeist einen gewissen Standort- und Kostenvorteil mit sich bringt? Einige Städte und Gemeinden werden bei dieser Frage betreten zu Boden schauen.

Nun, Spaß beiseite. Entmietung ist in Deutschland Alltag. In der Regel finden allerdings Rausschmiss oder Rausekeln von Mieter*innen eher im Stillen statt – es sei denn, die betroffenen Menschen tun sich zusammen. Eine breite politische Solidarisierung ist da oftmals nicht in Sicht – geschweige denn politisches Handeln. Eine helfende Hand reichen hier oftmals nur gesellschaftlich marginalisierte linke Organisationen. Nun hat es einen im Mittelpunkt von Leipzig stehenden prominenten Konzern-Ableger erwischt, der einen Ton anschlägt, der – wenn er denn aus linkem Munde tönen würde – die Sicherheits- und Ordnungskonservativen zum Widerstand gegen den Häuserkampf in den Ring gerufen hätte. Wir erinnern uns in Halle noch sehr deutlich an die Kriminalisierung der Hasi durch sogenannte Innenexperten. Doch Karstadt ist systemrelevant statt umsturzverdächtig und so darf man gespannt sein, wie dieser Leipziger Häuserkampf ausgeht. Und ob die etablierte Politik die Analogie zum zigtausendfachen alltäglichen Kampf um Wohnraum in Deutschlands Städten hinbekommt.

"Stadt für alle"

Anlässlich des Recht-auf-Stadt-Forums, das vom 20.-22. April in Leipzig stattfinden wird, ruft das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ zur #leipzigfueralle-Demonstration am 20. April ein. Die Demonstration soll um 16 Uhr auf dem Augustusplatz starten.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.