Bauhaus gegen Fischfilet

Die Stiftung Bauhaus Dessau kapituliert vor dem rechten Pöbel

von | veröffentlicht am 19.10 2018

Beitragsbild: per.spectre

Die Kontroverse um das Konzert-Verbot der Stiftung Bauhaus Dessau für die Band “Feine Sahne Fischfilet” könnte eine Provinzposse sein - wenn es nicht um eine international renommierte Institution ginge und darum, dass Nazipöbler mit staatlicher Unterstützung einmal mehr einen Erfolg landen konnten. Vielleicht geht es auch um nicht weniger, als die Selbstaufgabe der sogenannten “demokratischen Mitte”.




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Im Jahr 1933 wurde das Bauhaus, damals nur noch als private Einrichtung in Berlin zuhause, von den Nationalsozialisten gezwungen, sich aufzulösen. Zuvor war es 1925 von rechten politischen Kräften aus Thüringen bereits nach Dessau vertrieben worden, wo es als staatlich anerkannte Hochschule bis 1932 für kurze Zeit eine neue Bleibe fand. Dann war auch im damaligen Anhalt Schluss.

Nun, heute, 2018, beugt sich eine Nachfolgerin der berühmten Kunst(gewerbe)schule, die Stiftung Bauhaus Dessau, offenbar wieder – und diesmal ganz ohne Not – dem Druck von Rechts und verbietet ein Konzert der nicht nur in antifaschistischen Kreisen populären Band “Feine Sahne Fischfilet” auf der Bauhausbühne. Diese wurde seit 2011 für eine ZDF-Konzertreihe vermietet, in der die besagte Rostocker Band auftreten sollte. Sie war zuletzt nach ihrem Auftritt beim “Wir-sind-mehr”-Konzert in Chemnitz aus rechten und konservativen Kreisen heftig angegriffen worden, weil sie zwischen 2012 und 2014 im Verfassungsschutzbericht von Mecklenburg-Vorpommern auftauchte.


Die Staatskanzlei hat dem Druck von weit Rechts ausgerechnet über jene international angesehene Kulturinstitution Recht gegeben, die zuvor schon dreimal, in Weimar und Dessau und Berlin, der rechten Ideologie und Repression zum Opfer gefallen war.


Unterstützung fand die Absage wohl in der Magdeburger Staatskanzlei. Deren Chef Rainer Robra (CDU) ist in Personalunion Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Bauhaus Dessau – und Minister für Kultur. Ausgangspunkt der Diskussion um den Auftritt der Punkrock-Band seien “Pöbeleien von Nazis gegen das Konzert” gewesen, so die Landtagsabgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE) bei Facebook. Dabei sei auch von “Kulturabschaum” gesprochen worden. Es folgte heftige Kritik aus CDU und AfD gegen die Veranstaltung. Quade bezeichnet den Vorgang als „unfassbar geschichtsvergessen, bitter und gefährlich“. Der grüne Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel spricht von “Wahnsinn, was da bei Bauhaus passiert” und sieht die Kunstfreiheit in Gefahr. Man solle doch nicht die Konzerte verbieten, gegen die Nazis mit Aufmärschen drohen, sondern die Nazi-Aufmärsche selbst.

Die Signale der Konzertabsage sind fatal: Erstens machen CDU und AfD in Sachsen-Anhalt einmal mehr gemeinsame Sache. Ja die CDU und deren Minister vollziehen die Position der extrem Rechten mittlerweile in einer Manier, als hätten sie nur darauf gewartet, dass jemand ihre heimlichen Träume offen ausspricht. Zuletzt hatten beide Parteien den Verein Miteinander e.V. attackiert, der sich für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft einsetzt, und zuvor bereits unter fadenscheinigen Gründen eine Kommission im Landtag zur Untersuchung des Linksextremismus in Sachsen-Anhalt eingesetzt. Und zweitens: Die Staatskanzlei hat dem Druck von weit Rechts ausgerechnet über jene international angesehene Kulturinstitution Recht gegeben, die zuvor schon dreimal, in Weimar und Dessau und Berlin, der rechten Ideologie und Repression zum Opfer gefallen war.

1931 forderte die NSDAP, damals bereits stärkste Fraktion im Dessauer Kommunalparlament, eine „sofortige Streichung sämtlicher Ausgaben für das Bauhaus„. Ein Jahr später legte sie mit der Forderung nach einem Abbruch des Gebäudes nach. Beides konnte jeweils nur knapp verhindert werden. Doch am 22. August 1932 “wird im Dessauer Gemeinderat der Antrag der NSDAP, den Lehrbetrieb des Bauhauses zum 1. Oktober einzustellen, mit 20 gegen 5 Stimmen der KPD und des Oberbürgermeisters Hesse angenommen. Die Mitglieder der SPD, die das Bauhaus bis dahin politisch entscheidend mitgetragen hatte, enthalten sich der Stimme.” Ein Liberaler und fünf Kommunisten standen dem Bauhaus damals nur noch zur Seite. Nach der kurzen Zwischenstation Berlin blieb für viele Bauhaus-Vertreter*innen wie Walter Gropius schließlich nur noch das Exil. Andere, wie der Kommunist und Designer Franz Ehrlich, kamen ins Konzentrationslager. Einige, wie die Textilkünstlerin Otti Berger, wurden dort ermordet.

In einem vor diesem Hintergrund haarsträubenden Statement zum Konzert-Verbot macht sich das Dessauer Bauhaus eine Presseerklärung des staatlichen Bauhauses Weimar vom 29. Januar 1920 zu eigen. Darin heißt es “daß jede politische Tätigkeit im Bauhaus von jeher untersagt war”. Zur Erinnerung: Fünf Jahre später musste diese Einrichtung auf Druck von Rechts schließen. Gleichzeitig schreiben die heutigen Bauhaus-Vertreter*innen in Dessau, dass politisch extreme Positionen, “ob von rechts, links oder andere” am Bauhaus Dessau keine Plattform fänden, “da diese die demokratische Gesellschaft – auf der auch das historische Bauhaus beruht – spalten und damit gefährden” würden.


Mit dem Konzert-Verbot gegen eine als links geltende Band beziehen die Stiftung Bauhaus Dessau bzw. die Staatskanzlei und der Kultur-Minister jedoch Stellung für eine autoritäre Gesellschaft, in der Kunst und Kultur einer Staatsdoktrin folgen.


Der Widerspruch zwischen beiden Aussagen kann größer nicht sein. Ja diese Aussagen und ihre Kombination sind historisch, politisch und gesellschaftspolitisch bestenfalls als ahnungslos zu bezeichnen. Denn wer für eine demokratische Gesellschaft Partei ergreifen will, kann nicht unpolitisch sein. Wer eine demokratische Gesellschaft als Grundlage seiner Existenz versteht, der braucht auch eine Kultur, die für eine eben solche Gesellschaft Stellung bezieht. Mit dem Konzert-Verbot gegen eine als links geltende Band beziehen die Stiftung Bauhaus Dessau bzw. die Staatskanzlei und der Kultur-Minister jedoch Stellung für eine autoritäre Gesellschaft, in der Kunst und Kultur einer Staatsdoktrin folgen – wie es zum Beispiel die AfD Sachsen-Anhalt in ihrem Wahlprogramm für die letzte Landtagswahl forderte. Mit dieser Aktion bleibt das Bauhaus also nicht politisch neutral, sondern zieht sich mit der Unterstützung seiner ideologischen Feinde einen Teil des Bodens der eigenen Existenz unter den Füßen weg.

Die neuen Nazis wird es freuen: Einmal mehr haben sie ihren Willen bekommen mit ein bisschen Geschrei und Gepöbel. Die demokratische Gesellschaft, die das Bauhaus nach eigenen Angaben erhalten will, gibt sich wieder etwas mehr selbst auf. Diesen Schaden wird auch die Kultur zu spüren haben, und dies, wie zu sehen ist, nicht erst dann, wenn Geschrei und Gepöbel in Parlamenten Mehrheiten erhalten – wie am 22. August 1932 im Dessauer Stadtrat.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.