Rechten Terror benennen und bekämpfen

Rückblick auf die Demonstration in Halle 

von | veröffentlicht am 25.06 2019

Am Samstag den 22. Juni fanden bundesweit Demonstrationen anlässlich des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) statt. Auch in Halle rief die Gruppe „NSU-Komplex auflösen Halle“ sehr kurzfristig zur Demonstration unter dem Motto „Kein Einzelfall. Rechten Terror benennen und bekämpfen“ auf. Letztlich waren es gut 150 Antifaschist*innen, die sich an der Demonstration beteiligten und ihre Wut und Trauer über den kontinuierlichen Rechtsterrorismus auf die Straße trugen.




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Die Auftaktkundgebung startete mit einer Gedenkminute für Walter Lübcke und alle Betroffenen rechter Gewalt. Lübcke wurde in der Nacht zum 2. Juni mutmaßlich von dem einschlägig vorbestraften Neonazi Stephan E. auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen. Der CDU-Politiker hatte 2015 den Kurs Angela Merkels in der Flüchtlingspolitik öffentlich verteidigt und war deswegen ins Visier von Neonazis geraten. Nachdem der rechtsextreme Blog Politically Incorrect die Privatadresse Lübckes veröffentlichte und andere bekannte Rechtsextremist*innen wie Akif Pirinçci und Erika Steinbach die Aussagen Lübckes (zum Teil verfälscht) verbreiteten, erhielt Lübcke zahlreiche Morddrohungen und stand teilweise unter Polizeischutz.

Kein Einzelfall

Die Gruppe „NSU-Komplex auflösen Halle“, die zur Demonstration aufgerufen hatte, startete mit einem ersten Redebeitrag, der die Kontinuität rechten Terrors und die Zusammenhänge zum gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck deutlich machte. Bei dem Mord an Walter Lübcke handele es sich eben nicht um einen Einzelfall oder um „eine neue Dimension rechter Gewalt“, vielmehr reihe sich der Mord in eine lange Tradition von Rechtsterrorismus ein, der von den Sicherheitsbehörden vertuscht, verharmlost oder sogar durch den Verfassungsschutz hofiert werde. Der Redebeitrag endete mit den Forderungen nach Abschaffung des Verfassungsschutzes, der Bekämpfung von strukturellem Rassismus, der Entschädigung von Betroffenen, der Errichtung von Gedenkorten und der Entkriminalisierung antifaschistischer Strukturen.


„Antifaschismus ist nicht extremistisch, sondern extrem wichtig“


Mittlerweile war die Zahl der Teilnehmenden auf ca. 150 Personen angewachsen, die über den Marktplatz, die Große Ulrichstraße und die Bernburger Straße lautstark zum Reileck zogen. Auf einer Zwischenkundgebung kritisierte die Landtagsabgeordnete Henriette Quade (Die LINKE) eine aktuelle Initiative aus der zweiten Reihe der CDU Sachsen-Anhalt, die eine Koalition mit der AfD anvisiert und sich dafür ausspricht, das „Soziale mit dem Nationalen zu verbinden“. Quade betonte, dass rechtsterroristische Taten in einem gesellschaftlichen Klima der Verharmlosung und des Rechtsrucks stattfänden, was sich exemplarisch an der Diskussion über die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Linksextremismus oder an der scharfen Asylrechtsverschärfung zeige, die kürzlich von der großen Koalition beschlossen wurde. Stattdessen machte sie sich für einen entschlossenen Antifaschismus stark, denn der Mord an Walter Lübcke „macht nicht nur betroffen, sondern auch wütend. Lasst uns zusammenstehen und nicht leiser, sondern lauter werden. Antifaschismus ist nicht extremistisch, sondern extrem wichtig.“


„Meine Bündnisse sind nicht unteilbar“


In einem weiteren Redebeitrag kritisierte eine Aktivistin eine überwiegend weiße Linke, die die Betroffenenperspektive zu wenig berücksichtige. „Meine Bündnisse sind nicht unteilbar“, sagte sie mit Blick auf antisemitische Gruppen, die aus Bündnissen nicht ausgeschlossen wurden. Zudem müssten Bedürfnisse von Betroffenen ernster genommen und transphobe, sexistische und misogyne Angriffe und Beleidigungen verunmöglicht werden. „Es wird Zeit, dass sich unsere Bündnisse verändern. Aktivist*innen müssen ihre eigene Positionierung anerkennen und kritisch reflektieren.“

Die Demo endete am Landesmuseum, wo noch mal auf die Verstrickungen des Verfassungsschutzes mit rechtsterroristischen Netzwerken hingewiesen wurde. Zudem thematisierte der letzte Redebeitrag den Hass, der in den sozialen Medien vor allem von AfD-Sympathisant*innen und Politiker*innen verbreitet wird und seine Entsprechung auf der Straße findet.

Das Schweigen des bürgerlichen Spektrums

Dass sich 150 Menschen so spontan zusammenfanden und damit ein wichtiges Zeichen gegen den rechten Terror setzten, kann Hoffnung machen. Dass sich eine antifaschistische Linke dabei nur auf sich selbst verlassen kann, zeigt das gänzliche Fernbleiben eines bürgerlichen Spektrums, dessen Schweigen selbst nach dem Mord an einem der Ihren nicht zu überhören ist und einmal mehr fassungslos macht.

 

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.