Landtagswahl: so geht’s nicht weiter!

Die Wahl in Sachsen-Anhalt ist nun endlich vorbei, Anlass zur Erleichterung gab es kaum

von | veröffentlicht am 06.06 2021

Sachsen-Anhalt halt gewählt und es ist so gekommen, wie es letztlich zu erwarten war - bis auf ein überraschend starkes Ergebnis der CDU, das sich allerdings auch leicht erklären lässt. Eine erste grobe Einordnung der Ergebnisse und ein noch gröberer Ausblick auf eine ungewisse Zukunft.




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Nun ist es endlich vorbei: Die Sorge darum, dass in Sachsen-Anhalt eine extrem rechte Partei die meisten Stimmen erhält. Die Angst davor, dass ein ziemlich rechter und in den letzten fünf Jahren über weite Strecken unberechenbarer CDU-Landesverband am Ende ein fatales Experiment mit der AfD startet. Und das war es dann schon mit den guten Nachrichten.

Für den überraschend deutlichen Abstand zwischen CDU und AfD haben wohl viele Wähler*innen gesorgt, die vor lauter Sorge um einen AfD-Sieg schließlich ihre Stimme in die Union investiert haben dürften, statt in die in den Umfragen zuvor schon machtlos erscheinenden Parteien links der Konservativen. Und das sind DIE LINKE, die SPD und die Grünen: sie sind machtlos. Und die anstehende Entscheidung, in eine Koalition mit einem wiedererstarkten Partner und einem geradezu unheimlich beliebten Ministerpräsidenten zu gehen, wird daran nichts ändern. Heilung in der Opposition oder Themen setzen auf der Regierungsbank? Beides keine Garantie für bessere Wahlergebnisse in einem halben Jahrzehnt.

Und so steht neben einer weiteren Rechtsverschiebung im Landtag auch ein ebensolcher Positionswechsel in der Landesregierung an.

Immerhin. Es gibt wieder etwas zu entscheiden. Denn die Fortsetzung des bisherigen Bündnisses ist zumindest nicht alternativlos. Die FDP ist wieder da. Und es steht außer Frage, dass die CDU diese lieber als Bündnispartner hätte als bspw. die sehr unbequemen Grünen. Und so steht neben einer weiteren Rechtsverschiebung im Landtag auch ein ebensolcher Positionswechsel in der Landesregierung an. Denn die FDP ist keinesfalls so freiheitlich, wie sie immer tut. Schon gar nicht in Sachsen-Anhalt, wo die Neoliberalen wohl näher an den Positionen der AfD sind als an jenen der Grünen: Bagatellisierung oder gar Leugnung der Klimakrise (okay, die interessiert in Sachsen-Anhalt ohnehin nur wenige, trotz schon seit Jahren anhaltender extremer Dürre), ein verzerrtes Bild von Freiheitsrechten (ohne Schutz der Freiheit anderer und in der Regel nur für jene, die sie sich leisten können, siehe Coronapandemie), das Primat der Wirtschaft über sozialen Fragen (Stichwort Arbeitnehmer*innen-Rechte oder Asylrecht).

In der Lage der SPD möchte jetzt wohl niemand stecken: Sie scheint für die Regierung gesetzt, wenn die CDU die Grünen wirklich loswerden will. Doch sollten die Sozis mit der CDU und der FDP in eine Regierung gehen, hätten sie in dieser kaum Gewicht gegen das Dreamteam der Bundesrepublik. Sie müssten also in den Sondierungen darauf drängen, dass die Grünen an Bord bleiben (was diese sicherlich gerne tun würden), ohne dafür eigentlich stark genug zu sein. Dass die Grünen sich Jamaika mit zwei Koalitionspartnern antun, von denen sie regelrecht gehasst werden, ist derzeit hingegen kaum vorstellbar.

Aus progressiver Perspektive ist das Wahlergebnis ein Desaster, mehr noch als schon bei der letzten Landtagswahl. Und ein Ausweg scheint nicht in Sicht. Was die letzten fünf Jahre allerdings gezeigt haben: Mitregieren und dabei hoffen, dass es einem honoriert wird, funktioniert nicht. Aus der Opposition heraus fundierte Breitseiten auf rechte Umtriebe und das Versagen – bspw. in der Schul- oder Rechtspolitik – zu feuern bringt auch keine Punkte. Natürlich kann man froh sein, dass die sozialen und umweltpolitischen Akzente der Sozialdemokrat*innen und Grünen in der bisherigen Regierung einiges verbessert und – wohl viel mehr noch – Schlimmeres verhindert haben. Doch es reicht nicht für wirkliche Veränderungen, sei es an der prekären finanziellen und gesellschaftlichen Situation, in der sich große Teile der Bevölkerung befinden, sei es an der kritischen Lage, in die sich unsere Lebensbedingungen auf absehbare Zeit bewegen werden.

So kann es eigentlich nicht weitergehen. Wahlen, bei denen die Wahlentscheidung eher aus Dystopievermeidung heraus erfolgt, statt aus einer Aussicht auf echte gesellschaftliche Fortschritte.

So kann es eigentlich nicht weitergehen. Wahlen, bei denen die Wahlentscheidung eher aus Dystopievermeidung heraus erfolgt, statt aus einer Aussicht auf echte gesellschaftliche Fortschritte. Die ständige Prognostiziererei spielt dabei keine gute Rolle, ja sie spielt womöglich eine manipulierende Rolle, denn über Prognosen lässt sich mittlerweile Wähler*innenverhalten offenbar mehr beeinflussen, als über inhaltliche Positionen, geschweige denn Wahlprogramme. Das ist für eine Demokratie, die auf informierte Entscheidungen angewiesen ist, auf Dauer wettbewerbsverzerrend. Die Verschwörungsmythen, Weglassungen, Lügen und Vereinfachungen (extrem) rechter Politiker*innen aus verschiedenen Parteien, die auch aufgrund ihres aufmerksamkeitsgenerierenden, sensationstauglichen Charakters weite Verbreitung finden und kaum einzufangen sind, stellen ein noch größeres Problem dar.

Was also tun? Wenn es darauf schon eine Antwort gäbe, wären wir vielleicht nicht in dieser Situation, denn diese Frage hat sich vor fünf Jahren schon genauso drängend gestellt (und vielleicht auch schon vor zehn Jahren, doch das ist lange her). Es gab in den letzten fünf Jahren allerdings auch keinerlei wahrnehmbare Anstrengungen, (gemeinsam) Antworten darauf zu finden. Selbst nach dem Anschlag von Halle gab es am Fuße der abschwellenden Beileids-, Empörungs- und Nie-wieder-Kurve keine ernstzunehmende Diskussion darüber, wie die prekäre gesellschaftspolitische Lage in Sachsen-Anhalt wirksam angegangen werden könnte. Und da ist sie wieder: die Machtlosigkeit. Möge keine Ohnmacht daraus werden. Fünf Jahre wären dafür nun nochmal Zeit.

About

Sasha Waltze ist Mitglied der Redaktion und beschäftigt sich derzeit mit diversen Krisen, der Komplexität unserer Welt und frustrierenden Wahlergebnissen.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.