Festung Europa zerschlagen

Demonstration zieht mit 250 Teilnehmer*innen durch Halle

von | veröffentlicht am 22.11 2021

Beitragsbild: Dani Luiz

Aus Anlass der aktuellen Situation an der Grenze zwischen Polen und Belarus fand am 20. November 2021 in Halle eine Demonstration statt.




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Am Samstag, den 20. November, organisierte die Seebrücke Halle gemeinsam mit der Aktivistischen Jugend Halle eine Demonstration gegen die rassistische Abschottungspolitik der EU. Anlass war die aktuelle Situation an der Grenze Polen-Belarus. Die Organisator*innen wollten auf die katastrophale Situation tausender Geflüchteter an den EU-Außengrenzen aufmerksam machen und ein Zeichen für grenzenlose Solidarität setzen.

In den letzten Jahren sind tausende Menschen im Mittelmeer ertrunken. Die EU versperrt die Balkanroute. Griechenland schottet sich ab und jeden Tag werden Geflüchtete gewaltsam abgeschoben. Zusätzlich zu den auftretenden Menschenrechtsverletzungen und zahlreichen Toten, die die EU und ihre Mitgliedsstaaten zu verantworten haben, spielen sich aktuell an der Grenze von Polen und Belarus weitere katastrophale Szenen ab.

„Mit der Situation zwischen Belarus und Polen ist ein weiteres Stück EU-Außengrenze zum Todesstreifen geworden.“ – Seebrücke Halle

Seit Wochen werden tausende schutzsuchende Menschen an der dortigen Grenze festgehalten. Während teilweise Minusgrade herrschen, müssen sie bei unzureichender medizinischer Versorgung an der Grenzzone ausharren, während Polen mit aller Macht versucht, die Geflüchteten an einem Grenzübertritt und Zugang zu einem rechtmäßigen Asylverfahren zu hindern. Die polnische Regierung hat seit einigen Wochen Militär und Polizei an der Grenze positioniert und versucht mithilfe von Stacheldraht und Wasserwerfern, die Geflüchteten aufzuhalten. Es gibt Berichte von Schüssen und zahlreichen illegalen Pushbacks. In den letzten Wochen sind bereits mindestens 13 Menschen gestorben, darunter ein eineinhalbjähriges Kind. Viele Menschen sind krank oder verletzt, wobei der Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung quasi verunmöglicht wird.
Das Grenzgebiet hat sich zu einer Sperrzone entwickelt, in die nicht einmal Medien, Menschenrechtsorganisationen oder Helfer*innen Zutritt bekommen.
Die polnische Regierung hat angekündigt, bis Ende des nächsten Jahres eine Mauer an der Grenze zu Belarus bauen zu wollen.
Dies zeigt eine neue Eskalation der EU-Migrationspolitik und der jahrelangen Politik der Menschenrechtsverletzungen und Abschottung. Auch die Reaktionen einiger Politiker*innen und Medien auf die Situation zeigt den rassistischen Grundkonsens unserer Gesellschaft. Menschen auf der Flucht werden als „hybride Kampfmittel“ entmenschlicht und so zum Spielball politischer Machtinteressen. Forderungen nach einem generell härteren Vorgehen gegen asylsuchende Menschen werden überall in der Gesellschaft laut.

Geflüchtete werden in öffentlicher Berichterstattung als Waffen entmenschlicht.

In Halle berichteten die Demonstrant*innen über diese Situation und forderten sofortige humanitäre Hilfe für die Menschen im Grenzgebiet, die Aufnahme der Geflüchteten und ein Ende der Menschenrechtsverletzungen durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Sie kritisierten, dass Menschen als Waffen stilisiert werden, dass von „hybrider Kriegsführung“ gesprochen wird und dass die katastrophalen Situationen an den Außengrenzen immer weiter zur Normalität werden.

In Redebeiträgen berichteten des Weiteren Geflüchtete über ihre Situation in Deutschland. Nach der Flucht erwarten die Menschen in Deutschland unwürdige Zustände, Schikanierung oder teilweise plötzliche Abschiebungen. Der strukturelle Rassismus der Gesellschaft und rassistische Behörden machen den Geflüchteten nicht nur auf der Flucht, sondern auch in Deutschland das Leben schwer.
Zudem wurde in einem Redebeitrag auf die besondere Betroffenheit von FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter*, Nicht-binäre, trans* und Agender) und queeren Personen aufmerksam gemacht. Vor, während und nach der Flucht sind diese besonders von Gewalt und Diskriminierung betroffen.

Die verschiedenen teilnehmenden Gruppen und Organisationen, wie z.B. Seebrücke Halle und Leipzig, Aktivistische Jugend Halle, Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt, Amnesty Halle und weitere appellierten an die Gesellschaft, Solidarität zu zeigen, und an die Politik, endlich zu handeln.
Es ist die Aufgabe von allen, sich für Menschenrechte, Rechte von Geflüchteten und gegen gesellschaftlichen Rassismus zu engagieren.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.