Ein Plan, die deutsche Wirtschaft zu zerstören

Die extreme Rechte versucht, die soziale Frage gegen die ökologische Frage auszuspielen - Compact ist ganz vorne mit dabei

von und | veröffentlicht am 14.11 2019

Beitragsbild: per.spectre

Als wohl einflussreichste deutsche Publikumszeitschrift der extremen Rechten bedient Compact notorisch die Erzählung des »Klimaschwindels« und versucht, Klimaschutz als Elitenthema gegen die Anliegen der »kleinen Leute« auszuspielen. Auch die diesjährige, für den 16. November in Magdeburg angekündigte »Konferenz für Souveränität« ist dem Thema »Klimawahn« gewidmet.




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von Michael Barthel und Anna-Lena Herkenhoff

Sprechen sollen dort etwa Michael Limburg, Vizepräsident des pseudowissenschaftlichen Klimawandelleugnungsvereins »Europäisches Institut für Klima und Energie« (EIKE), sowie, zum wiederholten Mal, Oliver Hilburger, Gründer der extrem rechten Betriebsgruppe »Zentrum Automobil« und Betriebsrat bei Daimler in Stuttgart. Sein Thema: »Wie der Krieg gegen das Auto unsere Arbeitsplätze gefährdet«. Mit dem Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel wird auch die AfD vertreten sein.

Jürgen Elsässer wird unter dem Stichwort »Öko-Diktatur« seine These eines »neuen Morgenthau-Plans« referieren, derzufolge Deutschland durch eine Deindustrialisierung, legitimiert als Klimaschutzmaßnahmen, wirtschaftlich geschwächt werden solle. Klimaschutz sei laut Elsässer ein Vorwand internationaler finanzstarker Kräfte, mehr Macht und Kontrolle zu erlangen. Der »Hauptstoß« dieses Planes richte sich »gegen Deutschland«, weil es der »wichtigste Industriestaat auf dem Eurasischen Kontinent« sei.

Die Verschwörungstheorie von der planmäßigen Zerstörung Deutschlands bedient das für Compact zentrale Narrativ, eine volksgemeinschaftliche Front gegen den beschworenen Feind – die internationalen Eliten und ihre links-grünen Handlanger – etablieren zu müssen. Die These einer »Deindustrialisierung« formuliert Compact zudem gezielt in Richtung der Arbeiter*innen – insbesondere in der Kohle- und Autoindustrie. Diese hat das Magazin als Klientel fest im Blick und will sie durch das Aufgreifen der sozialen Frage für die eigene reaktionäre Massenbewegung mobilisieren.

Die soziale Frage wird von rechts nicht als Klassenfrage aufgegriffen. Compact baut ein Narrativ auf, das Nationalismus und soziale Sicherheit gleichsetzt. So schrieb Elsässer etwa im September 2017: »Verteidigt die deutsche Autoindustrie! Patriotismus muss auch die Arbeiter und ihre Familien schutzen – Made in Germany steht fur Hochtechnologie, Mitbestimmung und soziale Teilhabe.« Es geht um eine Versöhnung von nationalem Kapital und nationalem Industrieproletariat. Der Feind, so Elsässer, sei hingegen die Politik, die die Interessen des Volkes verrate – indem sie den Klimaschutz voranbringt.

Nun betrifft in der Tat der durch eine klimapolitische Wende vorangetriebene Strukturwandel in einigen Regionen die Existenzen etlicher Menschen, und die Politik schafft es derzeit kaum, ihre Ängste ernst zu nehmen. Das Ausspielen der soziale Frage – so wie Compact sie deutet – gegen die ökologische Frage gelingt auch deshalb, weil soziale und ökologische Fragen zu oft nicht zusammen gedacht werden. Das lässt Raum für Deutungsangebote der extremen Rechten. Diese kann im Klimathema geeint auftreten, während ihre Fraktionen über andere Themen zerstritten sind. Vertreter*innen eines »Sozialpatriotismus« sind sich mit Wirtschaftsliberalen einig in der Ablehnung internationaler Zusammenarbeit in klimapolitischen Fragen, weil sie einen Souveränitätsverlust des deutschen Staates fürchten. Während sich die einen als legitime Interessenvertreter des deutschen Industrieproletariats inszenieren können, kritisieren die anderen befürchtete staatliche Eingriffe in die Wirtschaft als »Planwirtschaft« oder gar »Kommunismus«. Allen voran werden die Grünen – ohnehin »Speerspitze der neuen Weltordnung« (Elsässer) – hierfür wie für den drohenden Verlust Hunderttausender Arbeitsplätze verantwortlich gemacht.

Compact stellt sich als authentische Interessenvertretung von Arbeiter*innen in Kohle- und Autoindustrie dar, die um ihre soziale Sicherheit fürchten. Das Magazin suggeriert Handlungsfähigkeit, kann den Beschäftigten jedoch de facto nichts anbieten bis auf eine Möglichkeit, Dampf abzulassen und sich an einem Erklärungsangebot mit benennbaren Schuldigen festzuhalten. Letztlich geht es offenbar darum, Unterstützer*innen des rechten Netzwerks um Compact, AfD und Zentrum Automobil zu mobilisieren, um die soziale Bewegung von rechts zu stärken. Eine tragfähige Antwort auf Fragen sozialer Sicherheit liefert das Festhalten an fossilen Energielieferanten indessen sicher nicht.

Für die Linke gilt es neben der Bekämpfung des verschwörungsideologischen Weltbildes und seiner antisemitischen Strippenziehersymbolik aufzuzeigen, dass die rechte Deutung der sozialen Frage die Probleme der betroffenen Arbeiter*innen nicht löst. Eigene Deutungsangebote müssen soziale Frage und ökologische Frage zusammen denken. Hierzu gehört auch, die Perspektiven von Menschen ernst zu nehmen, die den Verlust ihres Arbeitsplatzes befürchten und um ihre soziale Sicherheit bangen – ohne rechte Ideologien zu akzeptieren und entsprechende Erklärungen für zulässig zu halten. Die Klimaschutzbewegung muss hier Gemeinsamkeiten ausfindig machen und sich Verbündete suchen. Auch Arbeiter*innen, denen der Verlust ihres Arbeitsplatzes droht, sind letztlich Opfer des Klimawandels. Linke Klimapolitik muss daher bei einer sozial-ökologischen Veränderung der Produktionsbedingungen ansetzen, statt auf eine Veränderung des Konsums abzuzielen.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.

Der Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Fantasien von der planmäßigen Zerstörung“ in der analyse&kritik 654 vom 12.11.19.