32, feministisch, lesbisch, mit unerfülltem Kinderwunsch – Teil 2

Ich wünsche mir, dass die Frustration im Zusammenhang mit einem unerfüllten Kinderwunsch mehr im öffentlichen Diskurs stattfindet

von und | veröffentlicht am 22.07 2022

Beitragsbild: Magdalena Gatz

Zweiter Teil des Essays.




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Ein Gefallen

Neben meinem besten Freund fiel mir nur noch eine weitere Person in meinem Bekanntenkreis ein, die ich mich trauen würde, auf dieses Thema anzusprechen. Ein Freund aus Unizeiten: Jonathan. Von ihm wusste ich aus unserer damaligen Beziehung und Freund*innenschaft, dass er aus privaten, ökologischen und politischen Gründen keine Kinder haben möchte. Diese Tatsache war mit ein Grund gewesen, warum ich unsere Liebesbeziehung damals nicht weiter verfolgen konnte. Ich weiß in ihm eine Person, die ich alles fragen kann und von der ich immer mit Respekt und Wertschätzung behandelt werde. Mir war klar, dass er mir sagen würde, wenn er es sich mit der Samenspende nicht vorstellen könnte. Das wäre natürlich schade, aber ok. Diese Klarheit machte mir Mut und ich schrieb ihm zunächst eine lange Mail mit meinem Anliegen und der Frage nach Austausch.

Zu diesem Zeitpunkt war das Coronavirus schon weit verbreitet und ich baute mir eine Wohnung in dem Hausprojekt aus, in welches ich zu Beginn der Pandemie eingezogen war. Jonathans Antwortmail las ich mit Freude, weil er meine Anfrage nicht ablehnte. Stattdessen fragte er, ob wir uns treffen wollten, um darüber zu sprechen. Ich lud Jonathan zu mir ein. Er wohnte in einer anderen Stadt zwei Stunden mit der Bahn entfernt. Vorher sprach ich mit Klara, ob sie bei dem Treffen dabei sein möchte, obwohl wir beide weiter davon sprachen, dass es mein eigener Prozess war und kein gemeinsamer. Wir beschlossen, uns beide mit ihm zu treffen und verbrachten ein schönes Wochenende zu dritt, bei dem sich Klara und Jonathan etwas kennen lernen konnten und auch ich mit ihm wieder etwas vertrauter wurde.
Wir saßen an einem lauen Sommerabend vor einem vietnamesischen Restaurant und sprachen über Politik und Kunst, als ich nochmal meinen Mut zusammennahm und ihn fragte, ob er sich vorstellen könnte, Samenspender für mein Kind zu werden. Ich erläuterte ihm, welche Auseinandersetzungen ich bereits in diesem Prozess durchlaufen habe und dass er für mich die letzte vertraute Person sei, die ich mir vorstellen konnte, zu fragen. Ansonsten würde ich dann also im nächsten Schritt auf die Möglichkeit einer unbekannten Samenspende ausweichen müssen. Jonathan erläuterte daraufhin, dass sich an seiner Haltung, keine eigenen Kinder haben zu wollen, nichts geändert habe und er auch keine Verantwortung für ein Kind übernehmen möchte. Er ist der Meinung, dass auf der Welt so viele Menschen leben, die er unterstützen könnte, sodass er keine weiteren dazu bringen müsse. An diesem Abend blieb seine Antwort also noch offen, aber es fühlte sich gut an, diesen konkreten Schritt gegangen zu sein.

Klara und ich fuhren am darauffolgenden Tag Jonathan nach Hause. Wir saßen im Auto und hörten Progressive Rock. Ich war aufgeregt und neugierig und wollte von Jonathan wissen, wie wir im Weiteren mit meiner Anfrage umgehen wollen. Ich fuhr auf der Autobahn und war froh um das Lenkrad zum Festhalten und die Verantwortung des Steuerns, um mich etwas von meiner Aufregung abzulenken. ‚Er habe über Nacht noch einmal nachgedacht‘, begann Jonathan mit seiner Antwort. Ich habe ihn nicht um seine Meinung bezüglich meines Kinderwunschs, sondern um einen freund*innenschaftlichen Gefallen gebeten. Deswegen wolle er mir diesen Wunsch nicht ausschlagen. Zumal ich, für den Fall, dass er sich nicht bereit erklären würde, eine andere Person – unbekannter Weise – fragen würde. Von der Warte würde so oder so ein weiteres Kind in diese Welt geboren werden. Jonathan hatte also ‚Ja‘ gesagt. So pragmatisch und zynisch seine Antwort war, ich konnte es kaum glauben. Ich war dankbar, aufgeregt und hoffnungsfroh. Es sollte tatsächlich möglich sein und das mit einer Person, der ich vertraute und die ich schätze. Ich überrumpelte Jonathan wohl etwas, als ich auf seine Frage, wann ich denn plane, den ersten Versuch zu starten, meinte, dass ich mir gut vorstellen könnte, mit dem nächsten Zyklus schon zu beginnen. Es würde ohnehin nicht beim ersten Versuch klappen, das war mir klar, zumal mein Zyklus mit seiner Unregelmäßigkeit kein leichtes Spiel ermöglichen würde. Dennoch, in diesem Moment stand alles unter dem Stern der Hoffnung.

Magdalena

schreibt öfter für Transit. Wenn du mit ihr zu dem Thema in Kontakt treten willst, dann schreib ihr bei Instagram. @gatzmagdalena

Erste Versuche, Youtube-Videos, alles easy?

Direkt am nächsten Morgen schaute ich mir mit Klara Youtube-Videos über Insemination DIY an. Wie geht das überhaupt, was müssen wir bedenken? Ich hatte keine Ahnung. Es gibt lustige und empowernde Videos, welche die Bechermethode erklären. Das bedeutet, dass das Sperma entweder in einem Behälter aufgefangen wird, um mit einer Spritze in die Vulva eingeführt zu werden oder direkt in einen Mooncup ejakuliert und dieser anschließend eingesetzt wird. Hilfreich kann es in beiden Fällen sein, sogenanntes Preseed zu verwenden, welches dem Sperma den Weg zum Uterus erleichtert. Schade ist es, dass die meisten der Videos suggerieren, Insemination DIY sei total easy und oh wie schön, es klappt gleich beim ersten Versuch – so lange alles richtig gemacht wird und der Körper der Norm entsprechend funktioniert. Was aber wenn Letzteres nicht der Fall ist? Wenn der Zyklus unregelmäßig ist, wenn nur selten ein Eisprung stattfindet, wenn ich mich nicht auf Symptome meines Körpers verlassen kann, die auf einen Eisprung hinweisen?

Ich wünsche mir, dass die Frustration im Zusammenhang mit einem unerfüllten Kinderwunsch mehr im öffentlichen Diskurs stattfindet.

Mittlerweile weiß ich zumindest, dass diese Situation viele Personen betrifft aber ihre Geschichten selten erzählt werden. Erst wenn es dann am Ende doch geklappt hat und das Happy End alles Leiden, die Trauer und die Wut über gelernte Bilder vergessen lässt.

Klaras Rolle in dem Prozess meines Kinderwunsches war in diesem Moment die der Bystanderin. Sie begleitete mich in diesem Prozess. Sie wusste, dass eine Schwangerschaft und ein Kind große Auswirkungen auf unsere Beziehung und auch auf sie haben würde. Doch es war klar, dass ich das Kind bekommen möchte und nicht wir gemeinsam. Jonathan war bereit, schon im darauffolgenden Monat mit der ersten Insemination zu beginnen. Das war bei uns immer noch die Hochphase unserer Baustelle, es war also eine stressige Zeit, aber ich wollte nicht länger warten. Wie sollte ich den richtigen Zeitpunkt des Eisprungs bestimmen? Ich versuche es mit einer App, was bei meinem unregelmäßigen Zyklus allerdings etwas vage war. Eine Woche lang uriniere ich auf Ovulationstests, keiner davon schlug an. Ich lud Jonathan für den ersten Versuch eher intuitiv zu mir ein. An dem Tag des ersten Versuchs war ich so aufgeregt. Bis zum Nachmittag baute ich im Dachboden noch Türen ein, eine gute Ablenkung. Klara war an dem Tag auch da, doch sie plante nach Hause zu fahren, wenn Jonathan und ich den ersten Versuch starteten. Zu dritt bereiteten wir noch alles vor, machten es etwas gemütlich in der Gartenlaube, in der ich den Sommer über wohnte. Wir besprachen den weiteren Ablauf. Die Spannung in der Luft war kaum auszuhalten. Jonathan blieb dann alleine in der Gartenlaube mit einer Tupperdose und einer Einwegmenstruationstasse. Klara und ich spazierten durch den Garten. Wir versuchten uns voneinander zu verabschieden, doch es fiel uns sehr schwer. Ich nahm meinen Mut zusammen und fragte sie, ob sie sich vorstellen könne, zu bleiben. Sie war sehr erleichtert, dass ich diese Frage stellte und sagte, dass sie überhaupt keine Lust gehabt hätte, nach Hause zu fahren. Also gingen wir gemeinsam in die Gartenlaube, als Jonathan mit der Abgabe der Spende fertig war. Klara und ich verbrachten ein paar romantische Stunden für die erste Insemination. Mir ging es anschließend wie in einem Rausch, ich schwebte nur so durch die Gegend und grinste. Ich brachte Jonathan zur Bahn und verabschiedete mich auf ein Wiedersehen. Der erste Versuch war nicht erfolgreich.

Es folgten acht weitere erfolglose Versuche. Diese Monate waren zwiegespalten, es gab die eine Hälfte des Hoffens und Abwartens, dann die große Enttäuschung, Trauer und gleich darauf das Planen des nächsten Versuchs. Dieses emotionale Auf und Ab war eine sehr große Belastung, sowohl persönlich, als auch für Klaras und meine Beziehung. Ich hatte mit starken Selbstzweifeln und Selbstabwertung nach jedem gescheiterten Versuch zu kämpfen. Was ist los mit mir? Warum klappt es nicht? Habe ich es nicht verdient? Ist es vielleicht besser so? Es gab auch Anteile in mir, die sich dachten, in eine Welt in der die Auswirkungen des Klimawandels jetzt richtig spürbar wurden und immer noch die Mehrheit der Menschen nicht checkten, dass es der letzte Moment ist, etwas dagegen zu tun, war es vielleicht auch besser, gerade kein weiteres Kind zu gebären. Sollte ich meine Kapazitäten nicht viel eher in den Erhalt dessen stecken, was gerade in Gefahr ist? Darf ich einem egoistischen Wunsch nachgehen?

KiWuPras, Spritzen, Geduld und Folikeldurchmesser

Ich versuchte mir Unterstützung von meiner Gynäkologin zu holen. Sie verschrieb mir ein Medikament, welches eigentlich in der Brustkrebstherapie eingesetzt wird, durch das mein Zyklus in den kommenden Monaten regelmäßiger werden sollte. Das hatte wesentliche Vorteile, weil ich so den Zeitpunkt für eine mögliche Insemination besser bestimmen konnte. Ich bin irgendwann auch dazu übergegangen, einmal im Monat in eine Kinderwunschpraxis zu fahren. Dort wurde die Reife des Follikels bestimmt und dadurch ein möglicher Zeitpunkt für einen Eisprung berechnet. Ich bekam auch jedes Mal eine eisprungauslösende Spritze, sodass eigentlich die besten Umstände für eine Befruchtung gegeben sein sollten. Mit dieser Kinderwunschpraxis hatte ich Glück, da mir in einer anderen Praxis mit sehr viel Skepsis begegnet wurde, als ich zum Erstgespräch mit meiner Freundin kommen wollte.

Einige Menschen in meiner Umgebung bekamen natürlich mit, dass ich in einem Inseminationsprozess steckte. Sie stellten sehr intime Fragen zu der Methode. Meist antwortete ich dennoch ausführlich. Ich verstehe ihr Interesse, doch so genau fragen sie sicherlich nicht nach der Zeugung bei hetero Paaren nach, die ein Kind bekommen haben. Viel schwieriger für mich war es, durch das Mitwissen der anderen immer wieder damit konfrontiert zu werden, dass unsere Versuche bis dato erfolglos blieben. Das war erst mal gar nicht so ungewöhnlich. Auch bei hetero Paaren kann es mehrere Jahre dauern, bis es zu einer Schwangerschaft kommt oder es klappt gar nicht. Doch ich empfand das Wechselspiel aus Hoffen und Enttäuschung sehr belastend, gerade wenn ich dann noch andauernd darüber berichten musste. Auch die Ärztin in der Kinderwunschpraxis war irgendwann verwundert, da wir durch die Behandlung so akkurat den Zeitpunkt für den Einsprung feststellen konnten. Ich fand Kommentare wie den einer guten Freundin: ‚Ach, du musst einfach nur etwas mehr Geduld haben‘ verletzend und fühlte mich nicht verstanden. Doch es hatte sich auch etwas Positives verändert. Klara war vom ersten Versuch an jeden Monat bei der Insemination dabei. Es dauerte noch eine Weile, bis sie es irgendwann aussprach. Es war nicht mehr möglich, von ‚meinem‘ Prozess zu sprechen. Klara war und ist emotional und praktisch total involviert. Von da an war es ein gemeinsamer Prozess und es geht um unser Kind.

Redigiert von Luisa Schönfelder.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.

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