32, feministisch, lesbisch, mit unerfülltem Kinderwunsch – Teil 3

Es ist an der Zeit über undifferenzierte rechtliche und medizinische Verhältnisse zu wüten, um die Diskussion über zeitgemäße Beziehungsformen voranzubringen.

Letzter Teil des Essays.

Vom Hoffen zum Scheitern

Jonathans Sperma ist für eine Insemination nicht geeignet. Es ist zu langsam und unkoordiniert. Dass sein Sperma nicht gut sei, hatte er uns schon bei dem ersten Treffen erzählt. Doch als die Ärztin in der Kinderwunschpraxis sagte, es habe keinen Sinn mit seinem Sperma weitere Versuche zu unternehmen, sah ich wie meine ganze Hoffnung in einer großen Pfütze unter meinem Stuhl dahinschwand. Was sollte das heißen? Es hatte doch alles so gut gepasst mit Jonathan, ich konnte mir keine*n bessere*n Spender*in vorstellen. Ich war verzweifelt. Das war ein herber Rückschlag. Wo sollte ich, wo sollten wir nun weitermachen? Meinen Bekanntenkreis hatte ich schon mehrfach abgescannt nach potenziellen Spender*innen. Ich hatte auch keine Lust mehr, diese ganze Aufbauarbeit im Kontakt mit der Person zu leisten. Es ist mir nicht leicht gefallen, Jonathan und Arne um diesen Gefallen zu bitten. Ein drittes Mal hätte ich nicht die Kraft und den Mut aufbringen können, möglicherweise eine befreundete Person in die unangenehme Situation zu bringen, ‚Nein‘ sagen zu müssen oder die Freund*innenschaft in Gefahr zu bringen. Nach dieser erschütternden Information wandte sich Klara an mich und bat mich darum, eine Pause einzulegen. Sie konnte das Kinderwunschthema mit seiner emotionalen Intensität nicht weiter begleiten. Das war innerhalb einer kurzen Zeit eine zweite Riesenklatsche. Jetzt wo es wirklich schwierig wird, neue Entscheidungen getroffen werden sollten und neue Schritte gegangen werden müssen, wollte sie aussteigen? Ich war sehr verunsichert. Wie viel Vertrauen konnte ich Klara entgegenbringen? Wie stabil war unsere Beziehung, wenn Klara bei Herausforderungen lieber einen Rückzieher machte. Ich fühlte mich sehr allein. Ich konnte Klaras Bedürfnis nach einer Entspannung in der Kinderwunschthematik verstehen, es strengte mich auch an, dass es gefühlt nicht voranging. Aber aufzuhören, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, erschien mir das Sinnloseste, um eine Veränderung zu erwirken. Ich hatte Angst, dass ich jetzt wieder allein weitergehen müsste. Gleichzeitig wollte ich mich von ihren Zweifeln und ihrer Erschöpfung nicht aufhalten lassen.

Schon am Tag nach dem ernüchternden Besuch in der Kinderwunschpraxis meldete ich mich auf einem Portal für Co-Elternschaft und Samenspende an. Mein Ziel war es, eine*n neue*n Spender*in zu finden. Die Erfahrungen auf dem Portal sind sehr vielfältig. Von sehr engagierten Spender*innen, die lange Portraits proaktiv an neue Menschen (wie mich) schickten und ihren perfekten Samen anpriesen, über gerade volljährige Menschen, die schrieben: ‚Ich helfe dir gern ein Kind zu bekommen, schreib mich einfach an‘, bis hin zu mittelalten Männern, die gern bereit waren zu helfen, allerdings nur bei einer Besamung mit natürlicher Methode – meint Sex. Die Suche auf dem Portal machte ich zum Teil alleine, zum Teil war Klara dabei. Wir formulierten gemeinsam einen Text mit dem wir interessante Profile anschrieben. Kriterien, die uns bei der Auswahl der Personen wichtig waren: Sie wohnen nicht in unserer Kleinstadt, aber auch nicht zu weit entfernt; im besten Fall haben diese schon eigene Kinder; bringen die Bereitschaft mit das Kind zu treffen, wenn es für alle Beteiligten cool ist, haben aber keinen Anspruch auf Kontakt. Mit zwei Personen hatten Klara und ich eine erste Verabredung über Zoom. Die Begegnung mit Paul via Videokonferenz war richtig angenehm und es schien vom ersten Moment an, vieles zu stimmen. Im Kontrast dazu trafen wir uns mit Gregor. Bei ihm war es dank seines Redeschwalls schwer möglich, selber etwas zu sagen. Gregor war ein erfahrener Spender und sich auch noch nicht sicher, wie viele Kinder er noch zeugen möchte. Er meinte auch, uns viele praktische Tipps für die nächste Insemination geben zu müssen, bis ich es schaffte ihn in seinem Monolog zu unterbrechen und ihm sagen konnte, dass wir selber schon zahlreiche Versuche unternommen hatten. So far, das gute an Gregor war, dass er uns eine Vorlage für einen Vertrag zwischen Spender*in und werdender schwangeren Person schickte, der im Weiteren noch Verwendung finden würde.

Es gab natürlich einen großen Haken an dieser Variante der privaten Samenspende. Der*die Spender*in ist grundsätzlich dem Kind gegenüber unterhaltspflichtig, bis es zu einer Stiefkindadoption kommt. Das ist natürlich ein sehr großes Risiko für den*die Spender*in, denn auch wenn er*sie und ich uns noch so gut verstünden, kannten wir uns nicht und keine*r von uns könnte sagen, was in den nächsten Jahren passieren würde. Von der Warte war es nur verständlich, dass der*die potenzielle Spender*in eine Absicherung dafür haben wollte, dass er*sie nicht in finanzielle Pflichten genommen werden könnte. Eine Stiefkindadoption ist allerdings nur für verheiratete Paare möglich. Somit standen Klara und ich unverhofft vor einer neuen sehr großen Frage. Wollen wir heiraten, um unseren gemeinsamen Kinderwunsch zu erfüllen? Ich dachte mir ‚Fuck, wie ungerecht ist das denn. Hinz und Kunz bekommen alle Nase lang Kinder mit irgendwem und kein Hahn kräht danach.‘ Natürlich verstehe ich, dass diese gesetzliche Regelung in vielen Fällen richtig und wichtig ist, in denen sich Erzeuger*innen aus der Affäre ziehen und keine Verantwortung für ein Kind übernehmen wollen, an dessen Zeugung sie unmittelbar beteiligt waren. Doch in unserem Fall brachtet es uns in die Situation, über Heirat zu sprechen. Ich fand es unfair und wäre dennoch sofort bereit 50 Euro zu zahlen, eine Unterschrift zu leisten, eine Flasche Sekt zu teilen und damit die formale Situation erzeugt zu haben, um eine private Samenspende zu verfolgen. By the way, genau zu dieser Zeit gab es ein Urteil des EuGHs, dass ein Samenspender auch nach einer Stiefkindadoption und gegen den Willen der beiden Mütter das Recht zugesprochen wurde, das Spenderkind zu sehen. Das bedeutete, für Klara und mich würde eine Heirat nicht mal die Absicherung gewährleisten, dass der*die Spender*in auch gegen die ursprünglichen Absprachen Kontakt zu dem Kind einfordern könnte.

Das Problem war allerdings vielmehr, dass Klara nicht heiraten wollte. Ein Schlag ins Gesicht, ich verstand es wirklich nicht. Wo war der Unterschied, wenn sie sich darauf einließ, mit mir zusammen die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen und wir dafür noch unfreiwillig ein antiquarisches Konstrukt unserer Gesellschaft bedienen müssten, was uns lediglich die gleichen Voraussetzungen ermöglichte, wie einem hetero Paar. Ich fühlte mich verraten. War sie doch noch gar nicht so safe mit der ganzen Sache, wie sie mir immer zu verstehen gegeben hatte? Wieder fühlte ich mich sehr alleine und verzweifelt. Was sollte ich tun, wenn sie nicht mitmachte? Alleine weitermachen? Das geht mit einer privaten Samenspende auch nicht, denn dann gibt es das gleiche Problem, dass der*die Spender*in unterhaltspflichtig bleibt und darauf lässt sich kaum eine*r ein. Ich war wütend auf Klara und sie fühlte sich unter Druck. So sehr, dass sie in einem Moment das akute Schwangerschaftsvorhaben in Frage stellte bzw. unsere Beziehung. Das war zu viel für mich. Bei mir baute sich innerhalb von Sekunden eine meterdicke Mauer auf, hinter der ich mich versteckte und vor weiteren Verletzungen schütze. Niemensch konnte hinter dieser Mauer Kontakt mit mir aufnehmen, nicht mal ich selber konnte Kontakt zu mir aufnehmen, ich war wie in einer Schockstarre.

Magdalena

schreibt öfter für Transit. Wenn du mit ihr zu dem Thema in Kontakt treten willst, dann schreib ihr bei Instagram. @gatzmagdalena

Vom Scheitern, übers Sprechen zum Hoffen

Irgendwann schafften Klara und ich es wieder, mit weniger Emotionen und mehr Inhalt ins Gespräch zu kommen. Was bedeutete eigentlich eine Heirat? Mir bedeutete es tatsächlich nichts, ich hätte nie darüber nachgedacht zu heiraten. Obwohl, da es als konkrete Möglichkeit im Raum stand, konnte ich mir auch vorstellen, daraus ein kitschig-cooles Event zu machen. Für Klara hingen an dem Wort ‚Heirat‘ enge Vorstellungen von Monogamie, Unendlichkeit, Romantik. Ihre Beschreibung von dieser eingeengten Beziehungsvorstellung machte mir auch Angst und ich sträubte mich davor, diese mit unserer möglichen Heirat in Verbindung zu bringen. Da müssten wir also erstmal über offene Beziehungskonzepte oder ähnliches sprechen. Durch das Gespräch verstand ich aber mehr Klaras Ängste und sie verstand, warum ich diese Entscheidung so leichtfertig treffen konnte.

Dennoch kamen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder zusammen, was das Thema ‚Kinderwunsch‘ anging. Klara wollte die Möglichkeit der Fremdsamenspende über eine Samenbank für uns überprüfen. Da diese nur in einigen Bundesländern in Deutschland auch für homosexuelle Paare möglich war, machten wir uns einen Termin in einer Kinderwunschpraxis in Berlin aus. Das Gespräch mit der Ärztin war grundsätzlich sehr nett, doch so ganz warm wurde ich mit der Situation der Fremdsamenspende nicht. Klara und ich hätten uns für den Fall, dass wir uns für diese Form entschieden hätten, sowohl einer rechtlichen Beratung, als auch einer psychosozialen Beratung unterziehen müssen. Ich habe noch nie gehört, dass hetero Paare vor einer Schwangerschaft eine Elternberatung machen müssten. Möglicherweise wäre es nicht schlecht aber ich sah da keinen Unterschied. Neu war für mich die Information, dass es nicht sicher sei, ob das Kind nach 16 Jahren tatsächlich Kontakt zu dem*der Spender*in aufnehmen könnte, denn diese wären wiederum nicht verpflichtet, aktuelle Kontaktdaten zu hinterlegen. Ob die Spender*innen Interesse daran hätten, dass das Kind sie kontaktiert, sei da nochmal eine ganz andere Frage. Ich hatte es bis dahin nicht so eingeschätzt, dass ich dem möglichen Kontakt zwischen Spender*in und Kind einen so hohen Stellenwert beimaß, aber so war es. Ich dachte, das Kind sollte die Möglichkeit haben selber zu entscheiden, ob und wieviel Kontakt zu der spendenden Person gut sei. Bis dahin könnten Klara und ich dafür sorgen, dass eine Grundlage für den Kontakt bestünde. Meine Haltung zur Fremdsamenspende war mir durch den Besuch klarer geworden. Nicht nur wegen eines hohen finanziellen Aufwandes bevorzugte ich die Alternative der privaten Samenspende, bei der Kontakt zwischen Spender*in und Kind entspannt möglich sei.

An dem Wochenende, nachdem ich diese Klarheit gewonnen hatte, fuhren Klara und ich einige Stunden mit der Bahn, um Paul analog zu treffen. Die Frage nach der Möglichkeit, mit ihm eine private Samenspende zu machen, war immer noch offen, da sich Klara in Bezug auf die Heiratsfrage weiterhin unsicher war. Das Treffen mit Paul war schön und bestätigte den ersten Eindruck, den ich schon bei dem Zoomtreffen von ihm hatte. Eine gute Mischung aus interessiert, zurückhaltend und interessant – nach dem Motto, er kennt uns gar nicht und würde uns einen so großen Gefallen tun – Respekt. Für mich war die Sache nach diesem Treffen noch klarer, ich konnte mir sehr gut vorstellen mit Paul die Inseminationsversuche fortzusetzen. Aus diesem Grund stieg meine Sorge, dass Klara anderer Meinung war. Wie hätten wir dann einen gemeinsamen Weg finden sollen? Bei einer langen Wanderung durch den Wald dauert es eine ganze Weile, bis wir gemeinsam den Mut hatten uns über unsere Eindrücke der letzten Woche auszutauschen. Ich war so krass erleichtert, als Klara mir sagt, dass sie sich den Weg mit der Fremdsamenspende eigentlich auch nicht vorstellen könne und Paul sehr sympathisch fand. Zuerst traute ich mich gar nicht zu verstehen, was sie da gerade gesagt hatte. Die Stimmung zwischen uns lockerte sich etwas, doch eine Spannung blieb erhalten. Klara wäre tatsächlich bereit zu heiraten, nicht aus Überzeugung, sondern als notwendigen Akt für die private Samenspende. Puh. Vor meinem inneren Auge tat sich wieder ein Weg auf. Ich konnte wieder vorausschauen und ich konnte mich darauf einlassen, noch zwei Monate mit einer neuen Insemination zu warten, bis Klara ihren Umzug hinter sich gebracht hätte. Auf meine To-Do-Liste schrieb ich: Heiratsantrag machen – für die nötige Romantik, aus Erleichterung und voll Vorfreude.

Das Ende dieser Geschichte ist noch nicht geschrieben. Dennoch hoffe ich mit diesen Erfahrungen andere Menschen anzusprechen, die in einer ähnlichen Situation sind oder die bereit sind, gemeinsam mit uns über die undifferenzierten rechtlichen und medizinischen Verhältnisse zu wüten, um die Diskussion über zeitgemäße Beziehungsformen voranzubringen.

Love is Love.


Redigiert von Luisa Schönfelder.

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