„Korrigieren Sie ihre fälschlichen Darstellungen!“

Ein Leserinbrief zur Berichterstattung der MZ über die Demo zum NSU-Prozess

von | veröffentlicht am 26.07 2018

Wir haben folgenden Leserinbrief erhalten, der eigentlich an die MZ und im besonderen an deren Journalisten Oliver Müller-Lorey gerichtet war. Da der Brief bisher nicht in der MZ veröffentlicht wurde, kommen wir dem Wunsch nach einer öffentlichen Richtigstellung der tendenziösen Berichterstattung der MZ zu der Demonstration nach dem Urteilsspruch des NSU-Prozesses gerne nach.




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Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr Müller-Lorey,

an Ihrer Berichterstattung über die Demonstration „Kein Schlussstrich“ vom vergangenen Donnerstag, 12.07. mit dem Titel „450 Menschen auf der Straße. Ein Zwischenfall bei Demo gegen die NSU-Urteile in Halle.“, habe ich großen Anstoß genommen. Der Artikel fokussiert sich auf einen von der Polizei angegebenen „Zwischenfall“, den Versuch einer gefährlichen Körperverletzung, der bis heute nicht weiter geklärt zu sein scheint. Neben einer fehlenden Beschreibung des eigentlichen Tatherganges, wirkt die Einbettung des Vorfalls hier äußerst ungünstig platziert. Die vorgenommene Darstellung der MZ stellt die Polizeimeldung in einen Kontext von Sprechchören, die sich gegen im NSU-Komplex involvierte Polizeibehörden richteten – und schafft damit die fälschliche Suggestion, es hätte sich um eine versuchte Körperverletzung aus der Demonstration heraus, womöglich sogar gegen die begleitende Polizei gehandelt. Diese dargestellte Interpretation ist jedoch fehlerhaft, da es sich bei dem „Zwischenfall“, der in der Geiststraße, Höhe Thaliapassage, stattfand, um einen Versuch der gefährlichen Körperverletzung gegen Demonstranten und Demonstrantinnen handelte. Durch den Wurf eines Glasgefäßes kurz nach der ersten Zwischenkundgebung aus einem Fenster eines umliegenden Hauses heraus wurde glücklicherweise nur der Lautsprecherwagen getroffen. Es handelte sich also um eine versuchte Körperverletzung, die auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demo gerichtet war.

Neben dieser Verklärung bietet der Artikel den Leserinnen und Lesern reichlich Raum zum Herbeiphantasieren „üblicher radikaler Demonstranten und Demonstrantinnen“, das nichts mit der inhaltlich wertvollen und darüberhinaus natürlich friedlichen Demonstration zu tun hat. Auch die Unterstellung, diese Demonstration sei „friedlicher als vergangene Demonstrationen“ erscheint fragwürdig. Es stellt sich mir die Frage, welche „gewalttätigen“ Demonstrationen an dieser Stelle gemeint sind und aufgrund welcher Eigenschaften derer ein Vergleich vorgenommen werden soll. Vielmehr erscheint es, als würde hier die denunzierende Kausalkette „Kritik an rassistischer Gewalt = links = ’schwarzer Block'“ fortgeführt werden, die schlichtweg fehlerhaft ist.


„Die Berichterstattung grenzt an Verunglimpfung der Veranstaltung“


Missverständlich erscheint außerdem die Fokussierung des Autors auf den oben genannten Zwischenfall, nicht jedoch auf die inhaltliche Ausrichtung und Gestaltung der Demonstration. Selbstverständlich liegt es bei dem Autor selbst, den Fokus der Berichterstattung zu wählen. Dennoch steht die vorgenommene Fokussierung in einem seltsamen Missverhältnis zu seinem eigenen Kommentar vom 11.07.2018, „Kommentar zur Straßenschilder-Aktion. Den Opfern unwürdig.“, wenn Versuche der respektvollen Ehrung unerwähnt bleiben und stattdessen der Fokus auf die tendenziöse Darstellung von „Zwischenfällen“, die vermeintlichen Reaktionen von Passantinnen und Passanten und den Kleidungsstil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gelegt wird. Die Tatsache, dass ein paar Stunden nach der ersten Veröffentlichung des Demoberichts eine zweite Version online erschien (die als solche nicht kenntlich gemacht wurde), die dem oben besprochenen Zwischenfall einen Platz in der Überschrift des Artikels einräumt, grenzt an Verunglimpfung der Veranstaltung.

Als Teilnehmerin an der Demonstration habe ich eine gelungene, vielfältige und selbstkritische Demonstration erlebt, die es geschafft hat, die Perspektiven der Opfer in die Inhalte der Demonstration einzubeziehen und damit einen weiteren Teil zu der Kritik am gescheiterten Aufklärungsverfahren staatlicher Behörden und  Gedenken der Opfer des NSU beigetragen hat. Ich formuliere daher den Wunsch, im Sinne einer Neutralität gegenüber den Teilnehmenden und den Inhalten der Demonstration, die Darstellungen sichtbar zu korrigieren und das dadurch fälschlicherweise erzeugte Bild kenntlich zu machen. Sinnvoll wäre es dazu sicher auch, Gegendarstellungen einzuräumen und die Stimmen der Demonstrantinnen und Demonstranten bewusst einzufangen, anstatt über vereinzelte Parolen ein pauschalisierendes Meinungsbild festzuhalten.

Alma S.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.