An dem einen oder anderen Punkt haben sie Recht

Anmerkungen zu einem Flugblatt der AG No Tears for Krauts

von | veröffentlicht am 01.05 2018

Beitragsbild: Transit

Am Rande der letzten Demonstration der Kampagne "Kick them out" sorgte ein Flugblatt der AG No Tears for Krauts für Verwunderung, in dem der feministische Schwerpunkt des Protestes gegen das Haus der Identitären Bewegung kritisiert wurde. Der Gastbeitrag widerspricht der Argumentation der AG, derzufolge das feministische Anliegen der Demonstration verkehrt sei, da es nicht die Kritik des Islamismus ins Zentrum rückt, sondern den Antifeminismus der in AG-Augen irrelevanten Identitären Bewegung.




diesen Beitrag teilen

Ein Flugblatt der AG No Tears for Krauts pöbelt gegen eine Antifa-Demo, die es sich vorgenommen hat, die Kampagne gegen das Hausprojekt der Identitären in Halle mit einer dezidiert feministischen Willensbekundung zu verbinden. Der Schwerpunkt eines solchen Flugblatts lässt sich denken: Da die Demonstranten nicht die Kritik des Islamismus ins Zentrum rücken, ist ihr gesamtes Anliegen verkehrt, gar „Appeasement gegenüber dem Islam“. Der Vorwurf der AG an die Antifa-Demo geht dabei einen kleinen psychologischen Umweg: Der Aufwand, den die Organisatoren der Kampagne und der Demonstration betreiben, resultiert für die AG nicht aus bestimmter Weltsicht, Argumenten, politischer Motivation – die unzureichend, verkehrt, kritisierenswert sein können – sondern es handelt sich um eine Vermeidungsstrategie. All das Organisieren, Argumentieren, Demonstrieren der geschmähten Antifas geschieht nur aus einem einzigen Grund, der sich hinter ihren offiziellen Verlautbarungen verbirgt: Um nicht über den Islam sprechen zu müssen.

Wenn eine Vermeidung als Hauptmotivation unterstellt ist, muss der Anlass der Demonstration selbst der Irrelevanz überführt werden. „Ein Dutzend Flachpfeifen, die ohnehin niemand zu mögen scheint“, „Unangenehme Nervensägen“, „Handlampen“, „Jungs und Mädchen mit ihrem penetranten Hang zur Selbstüberschätzung“, „Deppen von der IB“, „die ohnehin einflusslosen Mitglieder einer rechten PR-Sekte“ – so spricht man von Leuten, die man aus Geschmacksgründen nicht leiden kann, gegen die man aber sonst nichts groß einzuwenden hat. Aus Distinktionsgründen gesteht man ein, dass es sich um Fremdenfeinde handelt: Die Identitären, das sind „fremdenfeindliche Arschlöcher“. Man sollte nicht von Rassismus sprechen. Der kommt im Flugblatt der AG nur als Vorwurf vor, der – so wird es suggeriert – immer nur der Vermeidung dient.


Spräche man statt von Fremdenfeindlichkeit von Rassismus, könnte man Ahnung von ein paar Gründen bekommen, warum es sinnvoll ist, gegen die Identitären vorzugehen und ihre Ideologie ernstzunehmen.


Fremdenfeindlichkeit – das ist das Vorurteil von bornierten, randständigen Deppen, die einen Einfluss von „außen“ auf das Gewohnte nicht ertragen können. Als solches steht es unter der Würde der Ideologiekritik und ist frei vom Verdacht eine gesellschaftliche Funktion zu erheischen. Spräche man statt von Fremdenfeindlichkeit von Rassismus, könnte man Ahnung von ein paar Gründen bekommen, warum es sinnvoll ist, gegen die Identitären vorzugehen und ihre Ideologie ernstzunehmen.

Es ist kein Zufall, dass die Identitären im Zuge einer der größten rassistischen Mobilisierungen in der BRD seit den ’90er Jahren auf der Bildfläche erscheinen. Sie sind Teil einer Welle eines neuen Nationalismus, die sich spätestens seit Herbst 2015 Bahn bricht, einer konformistischen Revolte, die gegen Politik und Elite nur dann etwas vorzubringen hat, wenn es der Konstruktion eines Verrats an der deutschen Sache dienlich ist. Eine Ideologie, die ihre Adepten ansonsten auf das Bestehende verpflichtet, das als konfliktfreie Einheit imaginiert wird. Sie sind Teil eines breiten Netzwerks[1], das von den Burschenschaften über mittelständische Familienunternehmen, AfD, Pegida, „Friedensmahnwachen“, „Ein Prozent“, den rechten Rand der CDU/CSU bis in Teile des konservativen Feuilletons reicht, das immer mehr Einfluss auf immer größere Teile der Gesellschaft gewinnt.

In diesem Milieu hat der Furor gegen „Gendermainstreaming“, „Verschwulung“, „Verweiblichung“ und „Verweichlichung“ sowie „Frühsexualisierung unserer Kinder“ und „Zerstörung der natürlichen Familieneinheit“ einen großen Stellenwert. Aus diesem Grund ist es richtig, wenn Antifa-Gruppen in ihrem Agieren gegen die Identitären auch einen feministischen Schwerpunkt setzen. Dass die AG dies nicht weiß, ist ihnen zu verzeihen – es sind schließlich (so die Selbstauskunft) keine Nazi-Experten.

Aber zurück zur unterstellten Vermeidungsstrategie: „Wenn Ihr Euren Lieblingsfeinden unbeirrbar Sexismus und Rassismus unterstellt, braucht Ihr Euch gar nicht erst die Frage zu stellen, ob sie an dem einen oder anderen Punkt nicht vielleicht doch Recht haben.“ Wieder eine Argumentation über Umwege: Anstatt direkt hervorzukehren, dass die Identitären in einigen Punkten aus Sicht der AG tatsächlich Recht haben – was sich dann argumentativ prüfen ließe – wird anderen unterstellt, die Frage zu vermeiden, ob die Identitären nicht vielleicht doch (wenn auch nur an dem einen oder anderen Punkt) Recht haben könnten. Dem Vorwurf ist vorgesorgt, die AG könnte behauptet haben, dass die Identitären Recht haben.

Stellen wir uns die Frage, deren Vermeidung die AG die Antifas zeiht, und geben dieser Fragestellung jenen Fokus, der der AG so wichtig ist: Inwiefern haben die Identitären in einigen Punkten Recht, was die Kritik des Islams betrifft? Volker Weiß hat in seinem Buch „Die autoritäre Revolte – Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlands“ in detailreicher Recherche herausgearbeitet, dass die Ablehnung des Islamismus im intellektuellen Milieu der Neuen Rechten – insbesondere im Umfeld der Jungen Freiheit und des Instituts für Staatspolitik: ideologisches Studentenfutter für unsere Identitären – wenn überhaupt, dann nur einen oberflächlichen, kurzfristig strategischen Charakter hat[2]. Als Hauptfeind macht diese intellektuelle Strömung die USA und die Amerikanisierung aus, gegenüber deren Einfluss sogar ein Bündnis mit Kräften aus dem „islamischen Kulturkreis“ denkbar ist.

Kürzlich hat der Blog der Zeitschrift Sezession (auf dem auch der Identitäre Till Lucas-Wessels eine regelmäßige Schüler-Kolumne veröffentlicht) die Thesen des Publizisten Thor von Waldstein veröffentlicht. In diesen Thesen führt Waldstein aus, dass die Europäer stets einiges mit den islamischen Völkern verbunden habe und dass die „Massenimmigration“ aus diesen „Völkern“ ein Instrument Dritter sei, um die Europäer vom Islam zu entfremden[3]. Dass die Islamisten heute so aggressiv und eroberungswillig auftreten, sei vor allem die Schuld der USA und Israel. Und eine Voraussetzung, wehrhaft gegen die amerikanische Instrumentalisierung zu werden, sei die Befreiung vom „Shoabusineß“. So viel zur Behauptung der AG, in diesem Milieu lasse sich kein Antisemitismus ausmachen. Wir wünschen der AG viel Erfolg, bei diesen Leuten „den einen oder anderen Punkt“ zu finden, mit dem sich eine Kritik des politischen Islams machen lässt (oder verzeihen ihr nachsichtig diesen Fehler, da es sich ja nicht um Nazi-Experten handelt).

Nun ließe sich die Frage stellen, ob die AG No Tears for Krauts an dem einen oder anderen Punkt ihres Flugblatts nicht vielleicht doch Recht hat. Es gehört nicht viel dazu, festzustellen, dass linke Bewegungen sich schwer damit tun, eine Kritik des politischen Islams zu formulieren[4]. Und insbesondere im linksradikalen Feminismus ist eine solche Kritik, wenn, dann nur randständig zu finden und das, obwohl die Ideologie des Islamismus sich zentral auch gegen die Selbstbestimmung von Frauen richtet.


Im Modus der Islamkritik, wie sie die AG einfordert, geht aber nicht nur die Kenntnisnahme des Rassismus in dieser Gesellschaft verloren, sondern auch die der Geschlechterverhältnisse in den hiesigen Verhältnissen.


Dass sich Linke in diesem Zusammenhang so schwer tun, hat sicherlich mit einer gesellschaftlichen Gemengelage zu tun: In einer Situation, in der mit dem Verweis auf den Islam rassistisch mobilisiert und rassistische Politik gemacht wird, befürchtet man, selbst Teil einer rassistischen Verschlagwortung zu werden und begeht den Fehler, den Rassisten die Bearbeitung dieses Themas zu überlassen. Es käme aber darauf an, selbst eine materialistisch fundierte und emanzipatorische Kritik des Islams zu formulieren[5], als Kritik einer Ideologie, die in immer weiteren Teilen der Welt an Einfluss gewinnt – vielleicht kann eine solche Kritik, wenn sie eine nicht-ethnisierte Erklärung plausibel macht, selbst dem Rassismus entgegen wirken[6]. Die AG begeht allerdings den Fehler, die Ambivalenz in die andere Richtung aufzulösen: So zu tun, als ob es das Problem des Rassismus nicht gäbe, der bei ihnen deshalb nur als Rassismusvorwurf auftaucht.

Im Modus der Islamkritik, wie sie die AG einfordert, geht aber nicht nur die Kenntnisnahme des Rassismus in dieser Gesellschaft verloren, sondern auch die der Geschlechterverhältnisse in den hiesigen Verhältnissen. Angesichts der Wucht dessen, was dem Islam vorzuwerfen ist, erscheinen die in gar glanzvollem Licht:

„Frauen haben in westlichen Gesellschaften nahezu die gleichen Chancen und Rechte wie Männer. Sie können ihren Wunschberufen nachgehen, in manchen Gegenden verdienen sie inzwischen aufgrund ihrer höheren Qualifikation sogar mehr als Männer, und in Halle sind Frauen unter den Studenten in der Überzahl. Und während sie im Islam dem Gutdünken und der Willkür der Männer ausgesetzt sind, werden hier Übergriffe auf ihre (sexuelle) Selbstbestimmung gesellschaftlich verurteilt und geächtet.“

Die Behauptung der Chancengleichheit und die Suggestion des gleichen Einkommens sind schlichtweg falsch. Es stimmt, dass die Frauenerwerbstätigenquote seit den 90er Jahren stetig gestiegen ist – und es ist zu begrüßen, wenn dies dazu führt, dass sich Frauen dadurch von Männern unabhängig machen können. Allerdings sollte man sich auch vergegenwärtigen, dass dieses Jobwunder vor allem durch den Ausbau des Niedriglohnsektors, der Minijobs und dem Anstieg von Teilzeitstellen zustandegekommen ist. Und diese Prekarität ist weiblich: Wenn Frauen erwerbstätig sind, arbeiten sie einerseits in genau solchen flexibilisierten Arbeitsverhältnissen, da sie dies nach wie vor zusätzlich zu und neben der Kinderpflege und familiärer Fürsorge tun müssen. Andererseits arbeiten Frauen nach wie vor vorwiegend in Berufen, die als weiblich gelten – als Kindergärtnerinnen, Altenpflegerinnen, Krankenschwestern usw. –, die zudem schlechter bezahlt sind als traditionell männliche Berufe. All dies führt dazu, dass Frauen im Durchschnitt nur die Hälfte dessen verdienen, was Männer als Lohn nach Hause bringen – und da sie weniger arbeiten und weniger verdienen, haben sie auch einen geringeren Rentenanspruch.[7]

Darüber hinaus ist nur für einen positivistischen Soziologen alles gesagt, wenn man auf gleiche Chancen und Rechte, auf Einkommen und Qualifikation verweist – eine materialistische Kritik kann an diesem Punkt niemals stehen bleiben. Man könnte sonst auch die Kritik der Ausbeutung im kapitalistischen Normalbetrieb an den Nagel hängen, weil ihr immer wieder entgegengehalten wird, dass heute doch alle die gleichen Chancen und Rechte hätten. Das Geschlechterverhältnis geht tiefer als die Ebene des Rechts. Nur so viel: Karin Hausen hat in ihrem maßgeblichen Text „Die Polarisierung der ‚Geschlechtscharaktere‘ – Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben“[8] von 1976 herausgearbeitet, dass der bürgerlichen Aufklärung ein immanenter Widerspruch innewohnt: Gerade weil mit den Aufklärungsdiskursen um 1800 herum in der Konsequenz eine Gleichstellung der Frauen nahe lag, wurde in ihnen die Vorstellung der Geschlechtscharaktere erfunden, mit denen die gesellschaftliche Ungleichheit von Mann und Frau wiederum naturalisiert wurde. Mit Hilfe dieser Naturalisierung wurde ein Komplex von Arbeitsteilungen, pädagogischen, medizinischen Maßnahmen und gesellschaftlichen Sphärentrennungen begründet und legitimiert, die entlang der Geschlechtertrennung verlaufen, die bis heute nachwirken und unter denen vor allem Frauen zu leiden hatten und haben.

In ähnlichen Mustern lässt sich immer wieder zeigen, wie gerade eine formelle Gleichstellung Ideologien hervor- oder mit sich bringt, die gesellschaftliche Ungleichheiten stützen oder neu konstituieren. So ist es sicherlich kein Zufall, dass gerade in den letzten Jahren – in einer Situation, in der der Arbeitsmarkt Frauen immer mehr geöffnet wird (wobei sich die Konkurrenz gleichzeitig verschärft) – sich mit Männerrechtsbewegung, Antifeminismus und Anti-Gender-Mainstreaming eine verschärfte Frauenfeindlichkeit Bahn bricht. Dazu kommt, dass der Tendenz nach die Folgen der kapitalistischen Krise(n) immer der Fürsorge der Frauen anheimgegeben werden. Das Körperliche und die Reproduktion bleiben weiterhin an den Frauen haften, auf Kosten ihrer individuellen Möglichkeitsspielräume. Ein Umstand, den es zu kritisieren gilt. Insbesondere von denen, die darunter zu leiden haben – sie sollten die Solidarität solcher erwarten können, die es nicht unmittelbar betrifft, die aber dazu fähig sind, einen Zusammenhang mit dem verkehrten gesellschaftlichen Ganzen zu erkennen.


Innerhalb der sehr allgemeinen Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen durch die Geschlechtertrennung Leid erzeugt oder begründet wird, gibt es Differenzen, die eine kluge Gesellschaftskritik nicht übersehen darf.


Nun gibt es bei all dem relevante Unterschiede zur Frauenfeindlichkeit innerhalb des Islamismus. Oder anders formuliert: Innerhalb der sehr allgemeinen Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen durch die Geschlechtertrennung Leid erzeugt oder begründet wird, gibt es Differenzen, die eine kluge Gesellschaftskritik nicht übersehen darf. In „westlichen“ Gefilden wird das Geschlechterverhältnis nicht durch einen unmittelbaren Zugriff auf den Körper vollzogen[9] – in direkter Abhängigkeit von der Ägide des Patriarchen, bewacht von den Brüdern, die es werden wollen – sondern sachlich vermittelt und über Gesundheits- und Familienpolitik, durch die Gleichheit vor dem Gesetz hindurch. Diesen Unterschied zu erkennen und zu benennen ist auch und gerade aus einer antirassistischen Perspektive geboten – etwa wenn es darum geht, Solidarität für Frauen zu organisieren, die aus muslimisch geprägten Ländern geflohen sind und/oder auch nach ihrer Flucht in muslimischen Familien leben. Heißt das aber, dass Feminismus nur eine Kritik des Islamismus bedeuten darf und den Fokus auf die hiesigen Verhältnisse aufgeben muss? Nach der AG No Tears for Krauts schon. Zumindest ist es ihnen „übler Zynismus, wenn […] von einer ‚gesamtgesellschaftlichen Frauenverachtung‘ gefaselt wird“. Das ist wie wenn jemand auf die hungernden Kinder in Afrika verweist, um die Kritik an Hartz IV oder an Ausbeutung im Rahmen einer normalen Anstellung des Zynismus zu überführen[10].

Es ist beides einer gründlichen Kritik zu unterziehen: Der Sexismus innerhalb der westlichen Gesellschaften, wie die Frauenunterdrückung innerhalb des Islams – für beides sind die jeweils dem Gegenstand angemessenen Begriffe zu finden, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Für wen Feminismus nur dann eine Geltung hat, wenn es um den Islam geht, muss sich dem Verdacht aussetzen, dass es ihm um etwas anderes geht. Und der gibt den Universalismus auf, den die iranischen Frauen einforderten, die auch vom Kick-Them-Out-Aufruf zitiert werden: „Freiheit ist nicht östlich und nicht westlich, sie ist universell.“


Fußnoten

[1]Ein Netzwerk, das offensichtlich in der Lage ist, ein solches Hausprojekt wie das der Kontrakultur zu finanzieren.

[2]Neben dem Umstand, dass die Neue Rechte eine weit verbreitete Feindlichkeit gegenüber dem Islamismus aufgreift, um gegen Migration und „ethnische Vermischung“ zu hetzen, neidet sie dem Islamismus sogar einige Eigenschaften, insbesondere im Bezug auf Vorstellungen von Männlichkeit. So diagnostiziert Marc Jongen auf der Winterakademie des Instituts für Staatspolitik im Februar 2017 – einer Schulungsveranstaltung, die insbesondere für das Umfeld der Identitären angelegt ist – dem Islam, eine „thymotisch hochgepuschte Kultur“ zu sein, wobei er diese „Thymos-Spannung“ eigentlich gern bei deutschen Männern sehen würde. Ein Beispiel dafür, dass es richtig ist, wenn die „Kick-them-Out“-Kampagne eine ideologische Schnittmenge zwischen beiden Milieus konstatiert.

[3]Dass einige Eigenschaften des „islamischen Kulturkreises“ im neurechten Milieu durchaus geschätzt werden, aber eine Einwanderung aus diesem Kulturkreis abgelehnt wird, ist zentraler Bestandteil des Ethnopluralismus. Ein Begriff, dem die AG No Tears for Krauts keine Erklärungskraft beimessen möchte.

[4]Erfreuliche Gegenbeispiele sind etwa das Bündnis „Drift – Feminist Alliance for Communism“: http://feministdrift.org, die Aktion 3. Welt Saar: https://www.a3wsaar.de/islamismus/ oder – um ein Beispiel aus dem französischen Raum zu nennen – die Position des anarchistischen Buchladens „La Discordia“ in Paris: http://www.magazinredaktion.tk/paris.php.

[5]Eine emanzipatorische Islamkritik setzt sich meines Erachtens aus zwei Bestandteilen zusammen: Einerseits Kritik des Islams als Entzauberung der religiösen Vorstellungen (d.h. „positivistische“ Kritik der Religion), andererseits Kritik des Islamismus als einer modernen Ideologie, wobei diese Ideologie auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zurückgeführt werden muss (d.h. materialistische Religionskritik, wie sie Marx in „Zur Judenfrage“ vorstellt). Eine materialistische Kritik des Islamismus kann ihr Urteil dabei kaum aus einer Exegese des Korans ableiten, ebensowenig wie sich etwa der Evangelikalismus aus der Bibel heraus erklären lässt.

[6]Vernünftige Positionen zum Verhältnis von Rassismus-, Nationalismus- und Islamismuskritik finden sich in einem Flugblatt der „Brigade Rosa“: https://translibleipzig.wordpress.com/2015/01/29/dokumentiert-ein-flugblatt-anlasslich-der-legida-demonstrationen/ und in einem Flugblatt der „Assoziation Aufklärung und Kritik“: http://aakkp.blogsport.eu/2015/01/12/ecrasez-linfame-ueber-den-unterschied-von-fremdenfeindlichkeit-und-religionskritik/

[7]Vgl. zu diesem Absatz: Lilly Lendt und Andrea Trumann: Kritik des Staatsfeminismus. Oder: Kinder, Küche, Kapitalismus, Berlin 2015. Ergänzend sei außerdem der Text „Frauenarbeit und kapitalistische Reproduktion“ von Ilona Bauer empfohlen, erschienen in der 14. Ausgabe der Zeitschrift „Autonomie – Materialien gegen die Fabrikgesellschaft“, der das Verhältnis von produktiver und reproduktiver Arbeit im Kapitalismus marxistisch-materialistisch reflektiert.

[8]Erschienen in: Werner Conze (Hrsg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1976.

[9]Was nicht bedeutet, dass es gar keinen Zugriff auf weibliche Körper gäbe: Nach wie vor unterliegen weibliche Körper einem viel intensiveren medizinischen Zugriff, da ihnen aufgrund der Gebärfähigkeit eine viel größere bevölkerungspolitische Aufmerksamkeit zuteil wird. Femizide – frauenfeindliche Morde – sind zudem ein globales Phänomen und werden auch in der hiesigen Öffentlichkeit viel zu oft als „Familientragödien“ verharmlost.

[10]Die AG No Tears for Krauts verharmlost das Gewaltverhältnis, das der traditionellen Kleinfamilie zugrundeliegt, wenn sie die Warnung vor einem Erstarken konservativer, traditioneller Rollenbilder angesichts des Islamismus – dem „größten Agenten der Frauenunterdrückung in Deutschland“ – in den Wind schlägt und den Verfechtern dieser Rollenbilder sogar unterstellt, „individuelle Freiheiten“ zu verteidigen. Wie schön ist die Freiheit, ausgebrannt am Herd zu stehen.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.