Absurde Zustände bei der Passbeschaffung

Zur Situation geflüchteter Menschen mit subsidiärem Schutz

von | veröffentlicht am 06.04 2019
Symbolbild

Beitragsbild: Transit

Geflüchtete Menschen mit subsidiärem Schutz haben in Deutschland erhebliche Probleme, an einen Reisepass zu kommen. Familienbesuche? Dienstreisen? Ohne gültige Reisedokumente nicht möglich. In Halle gab es dazu ein Gespräch von Betroffenen mit der Bundestagsabgeordneten Petra Sitte. Unsere Autorin, die bei Solidarity City aktiv ist, fasst die Inhalte der Diskussion zusammen.




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Am 26. Februar lud die Gruppe Solidarity City in den WELCOME-Treff Halle um über aktuelle gesetzliche Regelungen für geflüchtete Personen mit subsidiärem Schutz zu diskutieren. In der letzten Zeit schilderten viele Besucher*innen vom WELCOME-Treff Situationen, in denen sie aus persönlichen oder beruflichen Gründen einen Reisepass benötigten. Der Ärger und die Hilflosigkeit, die mit den Schwierigkeiten zusammenhängen, für Menschen mit subsidiärem Schutz einen Pass zu beantragen, gab Anlass zu diesem Treffen. Geflüchtete können einen Reisepass nur in der Botschaft ihres Herkunftslandes bekommen. Ist kein Herkunftsland bestimmbar, schreibt der deutsche Staat ihnen eines zu. Über die damit verbundenen Probleme sprachen Hani vom Netzwerk „globaly connected“, die hallesche Bundestagsabgeordnete Petra Sitte (DIE LINKE) und einige betroffene Menschen.

Hani, der aus Syrien nach Deutschland flüchtete, berichtet von seinen Erfahrungen bei Reisen innerhalb der EU mit der Deutschen Bahn (DB) und Flixbus. Wenn er ein Onlineticket für eine Reise außerhalb von Deutschland bucht, weist die DB darauf hin, dass ein gültiger Identitätsnachweis mit sich zu führen sei. Seine Erfahrung ist, dass Reisen mit der DB mit einem Aufenthaltstitel mit subsidiärem Schutz keine Schwierigkeiten darstellen. Für Reisen mit Flixbus oder dem Flugzeug benötigt er allerdings bereits zur Buchung einen gültigen Reisepass. Ein anderer Teilnehmer berichtet von einem Gespräch mit der Ausländerbehörde, bei welcher er sich erkundigte, ob er ohne Reisepass Deutschland verlassen dürfe. Laut Behörde sei eine Ausreise aus Deutschland ohne Reisepass illegal. In der Gesprächsrunde wurde dies diskutiert: Stellt es eine Gefahr für die betroffene Person dar, ohne Reisepass außerhalb der Bundesrepublik Deutschland unterwegs zu sein? Unklar ist für Personen mit subsidiärem Schutz auch, wie die Polizei an Grenzübergängen reagiert, wenn diese ohne Reisepass versuchen die Grenze zu überqueren.

Reisen außerhalb der EU

I. berichtete von seiner persönlichen Situation. Er hat einen Aufenthaltstitel mit subsidiärem Schutz und möchte seine Eltern besuchen, die sich aktuell in einem außereuropäischen Land aufhalten, und es ist nicht dasselbe, aus dem A. geflüchtet ist. Um ein Visum für diese Reise zu beantragen benötigt er einen Reisepass.

Hani erzählt über die Situation eines Bekannten F. Dieser besitzt ebenfalls einen Aufenthaltstitel mit subsidiärem Schutz und sollte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine Dienstreise ins Ausland antreten. Es war ihm aufgrund eines fehlenden Reisepasses nicht möglich ein Visum für diese Dienstreise zu beantragen. Da er noch in der Probezeit war, verlor F. seine Stelle.

Ein weiteres Beispiel berichtet I., der sich im Rahmen seines politischen Engagements mit anderen aktiven Personen und Gruppen außerhalb Deutschlands treffen möchte und für diese Reisen ohne Reisepass keine Visa beantragen kann.

Eine Herausforderung stellt die Tatsache dar, dass eine Ausreise aus Deutschland für geflüchtete Menschen nur möglich ist, wenn der Aufenthaltstitel länger als sechs Monate gültig ist. Gleichzeitig ist eine Neubeantragung des Aufenthaltstitels nur möglich, wenn dieser abgelaufen ist. Das bedeutet, in den letzten sechs Monaten der Gültigkeit des Aufenthaltstitels ist keine Ausreise möglich. Menschen, die einen subsidiären Aufenthaltsstatus besitzen, bekommen zunächst einen Aufenthalt für ein Jahr zugesichert. Nach der ersten Verlängerung erhalten sie einen Aufenthalt über zwei Jahre. Durch diese Regelungen sind Auslandsreisen stark reglementiert bis gar nicht möglich oder mit der Gefahr verbunden von der Polizei festgehalten zu werden.

Der Besuch der Botschaft birgt für Menschen mit subsidiärem Schutz Gefahren und Widersprüche

Im Gespräch wurde über die Einführung des Aufenthaltstitels mit subsidiärem Schutz im Jahr 2016 diskutiert, welcher vielen geflüchteten Personen aus Syrien zugesprochen wurde. Eine Person, A., fragte, auf welcher Grundlage das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet, wer subsidiären Schutz in Deutschland bekommt. Ob es etwas mit der spezifischen Stadt oder Region zu tun habe, aus der die jeweils betroffene Person geflüchtet ist, konnte nicht geklärt werden.

Um einen Reisepass zu beantragen ist es notwendig die Botschaft des – mutmaßlichen – Herkunftslandes aufzusuchen. Für einige Personen stellt dies eine Gefahr dar, wenn sie aus ihrem Land geflüchtet sind, weil sie dort gegen die aktuelle Regierung politisch aktiv waren.

Zum Beispiel betrifft es Menschen, die bei der Ausreise keinen offiziellen Grenzposten passiert haben, an dem ihre Ausreise registriert werden konnte. Zu befürchten ist, dass durch den Besuch in der Botschaft die jeweilige Regierung vom Aufenthalt in Deutschland erfährt.

Eine weitere Sorge bezieht sich auf die Familien, die sich noch im Herkunftsland befinden und möglicherweise durch die Polizei, den Geheimdienst oder die Regierung vor Ort in Gefahr gebracht werden, um die betroffene Person in Deutschland unter Druck zu setzten. Zudem wollen sie die Regierung des Landes, aus dem sie geflüchtet sind, nicht mit Geld unterstützen. Die Kosten für einen Reisepass bei der syrischen Botschaft betragen immerhin 400 Euro. Geld, das letztlich auch zur Finanzierung von Waffen für den Krieg verwendet werden könnte. Die aktuelle Regelung zur Passbeschaffung stärkt somit auch finanziell die Regierung in Syrien.

Welche Handlungsspielräume haben die Bundesländer in Bezug auf die Verfahrensregelung zur Passbeschaffung?

Jedes Bundesland verfügt über unterschiedliche Vereinbarungen zum Verfahren zur Reisepassbeantragung von Menschen mit subsidiärem Schutz. Zum Beispiel gab es bis Mai 2018 eine Regelung in Berlin, die es syrischen geflüchteten Menschen mit subsidiären Schutzstatus ermöglichte, bei der Ausländerbehörde einen Reisepass zu beantragen. Leider wurde diese Regelung wieder zurückgezogen und auch in Berlin müssen geflüchtete Personen ihren Reisepass wieder bei den zuständigen Botschaften beantragen.

Es wurde von dem absurden Beispiel berichtet, dass eine Person mit subsidiärem Schutz bei der Ausländerbehörde nachfragte, ob sie dort einen Reisepass beantragen kann, damit sie aus oben genannten Gründen nicht die Botschaft aufsuchen muss. Die Ausländerbehörde forderte einen Beleg dafür, dass ein Aufenthalt in der Botschaft eine Gefahr darstellt. Somit verlangt die Ausländerbehörde im Falle eines syrischen Antragstellers ein Schreiben einer diktatorischen Regierung darüber, dass sie die betroffene Person in Gefahr bringen würde, sobald diese die Botschaft betritt. Eine Möglichkeit, diese Schwierigkeit der Passbeschaffung zu umgehen, könnte eine Anfechtung des subsidiären Schutzes beim BAMF sein, mit der Perspektive einen Asylstatus zu erhalten. Dennoch stellt sich bei diesem Vorgehen der Anfechtung ein ähnlich absurdes Problem dar. So fordert das BAMF einen Beleg der syrischen Regierung über die bestehende Gefahr, wenn eine Person ihren subsidiären Schutz anfechtet, um einen Asylstatus beim BAMF zu beantragen, berichtet Hani.

Das macht deutlich, dass Sachsen-Anhalt seine Möglichkeiten in der Unterstützung von geflüchteten Personen in ihrer Mobilität und freien Ausübung von Arbeit, Engagement und Kontakt zur Familie nicht ausschöpft. Eine Regelung, dass zur Beantragung von Reisepässen von Personen mit subsidiärem Schutz andere Behörden wie die Ausländerbehörde oder das Einwohnermeldeamt zuständig sein können, wäre möglich und hat es bereits gegeben.

Netzwerk globally connected

Nach der Diskussion berichtete Hani von der Arbeit des Netzwerks globally connected. Dieses beschäftigt sich in einem Forschungsprojekt mit den Fragen, mit welchen Schwierigkeiten Menschen aus Syrien in Europa konfrontiert werden. Dabei geht es unter anderem um die Anerkennung der beruflichen und persönlichen Erfahrungen, die Syrer*innen mitbringen. Hier gilt es laut Hani die Rolle der unterschiedlichen politischen Systeme in Syrien und Deutschland zu berücksichtigen. Das Netzwerk versucht durch seine Arbeit die syrischen Stimmen bis in politische Entscheidungsebenen hörbar zu machen. Weiter beschäftigt sich das Netzwerk mit der Frage nach der Beziehung zwischen der syrischen Opposition, mit Ausnahme der radikalen Gruppen, zu europäischen Politiker*innen. Im Besonderen interessiert die Mitwirkenden im Netzwerk, wie eine Zusammenarbeit zu einer Verbesserung der Situation in Syrien beitragen kann.

Petra Sitte schloss die Diskussionsrunde mit der Zusage ab, mit ihren Kolleg*innen in Land- und Bundestag über die geschilderten Probleme zu diskutieren. Wir sind gespannt!

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.