Wessen Zukunft eigentlich?

Ein Millionenzentrum kommt nach Halle, ist aber nicht für alle von hier.

von | veröffentlicht am 24.02 2023
Ein Bild vom Thälmannplatz in Halle/Saale, aufgenommen von Ost nach West 1991.

Beitragsbild: Thurn, Joachim F. | CC BY-SA 3.0 DE




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Magdeburg hat schon eins: Das Zukunftszentrum Digitale Arbeit Sachsen-Anhalt. Wir zieh’n nun also nach, aber bekommen das „für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“, kurz: Zukunftszentrum Deutsche Einheit. Das Wichtigste immer zuerst. Ein Prestigeprojekt mit eigener Bewerbungshomepage, Insta-Kampagne, tollen Botschafter*innen (Peter Maffay!) und ostalgischen Wendegeschichten obendrauf.

Inhaltlich baut es auf einer Empfehlung der Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ (mit u.a. Tatort-Liefers!) auf. Wie es einmal arbeiten soll und was genau passieren wird, das weiß noch kein Mensch so richtig, bis auf die Tatsache, dass es eine „Begegnungs- und Forschungsstelle“ sein soll. Ok. Deshalb wird wohl wichtig sein, wie dieses Zentrum inhaltlich ausgerichtet wird und wer dessen Gestaltung übernimmt. Hoffen wir mal, dass da nicht so naiv rumgeostet wird wie in die ZEIT, sondern vielleicht ja tatsächlich ’ne Würdigung für all die gebrochenen (Erwerbs-)Biographien gelingt, die sich im Rahmen der Übernahme durch den Westen oft völlig neu erfinden mussten?!

In und über Halle freu’n ’se sich jetze jedenfalls alle. Oder wie die Volksstimme schreibt: „Halle in der Erfolgsspur“. Was aber genau bringt dieses Zentrum (nach) Halle? Neben den 200 vom Bund finanzierten Arbeitsplätzen (Gibt’s für alle Wohnraum?) wohl auch ’ne Menge Besucher*innen (man rechnet mit 1Mio pro Jahr!) und „Ein Haus als Trostpflaster“ für die ostdeutsche Seele, wie die taz kommentiert. Dieses soll direkt am ehemaligen Galgtorvorplatz (dann Leipziger, auch mal Thälmann und heute wieder Riebeckplatz) auf einem Grundstück von Papenburg entstehen (ganz schön laut und trist, oder?) und 200 Mille kosten. Joa. Ne schöne Summe für „ein Guggenheim“ (SPD-Platzek) am verkehrsreichsten Platz weit und breit.

Eine Anforderung an die Bewerbungen ist auch der Anspruch, die „Entwicklung der Kommune zu fördern – auch im Sinne eines Beitrags zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse“. Doch diese Seite wurde auf der Hochglanzbewerbungshomepage gar nicht gezeigt. Dass knapp jedes vierte Kind in Halle in Armut aufwächst und was man dagegen zu tun gedenkt oder wie gar das Zentrum zur Bewältigung oder Thematisierung von solchen Missständen beitragen könnte, wird dort nicht erwähnt. Wichtiger war da schon „die zentrale Lage“, die „hervorragende verkehrstechnische Anbindung“ oder dass die Freizeit- und Kulturangebote [einer freien Szene, die man nur halbherzig fördert] fußläufig zu erreichen sind. Ferner wird „das spannungsreiche Nebeneinander von sozialer Segregation (sic!) und bürgerschaftlichem Zusammenhalt“ erwähnt (welch ein Hohn!). Jene sozialräumliche Segregation und Polarisierung in der Stadt sorgt einerseits dafür, dass die Stadtteile sozioökonomisch immer weiter auseinander driften. Zudem wird in Halles Innenstadt privatisiert, saniert und verdrängt. Diese prekäre Lage verdeutlichen nicht zuletzt die Beispiele der Stein 34 des Schiefen Hauses oder auf ganz andere, verantwortungslose Weise die Situation für die Bewohner*innen im Südpark oder die der HWG.

All das passte wohl nicht zum Image des aufstrebenden Metropölchens im südlichen Sachsen-Anhalt. Und für all die Menschen, die von diesen Entwicklungen negativ betroffen sind, wird dieses Zentrum, diese Zukunft wohl auch nicht sein. Herzlichen Glückwunsch, Halle!

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.