Kopflos zur Unzeit

Bernd Wiegand muss vorerst den Schlüssel abgeben

von | veröffentlicht am 09.04 2021

Beitragsbild: Transit

Nach einer beispiellosen Impf-Affäre muss Halles Stadtoberhaupt Bernd Wiegand das Rathaus erst einmal räumen, bis die Untersuchung dazu abgeschlossen ist. Bis dahin droht der Stadt eine fatale Hängepartie an der Spitze.




diesen Beitrag teilen

Das war in der Konsequenz absehbar: Der Stadtrat von Halle suspendiert den Oberbürgermeister. Dass die Suspendierung unbegrenzt ist, ist jedoch eine neue Note, die für die Stadt inmitten einer nie dagewesenen Notlage eine Hängepartie mit ungewisser Länge bedeutet. Je nach dem, wie lange das Verfahren gegen Bernd Wiegand jetzt dauert, führt nun mit dem Bürgermeister und Finanzbeigeordneten Egbert Geier (SPD) eine Person auf unbestimmte Zeit die Amtsgeschäfte, die für diese Aufgabe gar nicht von der Bevölkerung gewählt wurde. 

Mit der Bewertung der Causa Wiegand durch die Staatsanwaltschaft, die diese Woche gerade rechtzeitig vor der heutigen Sitzung die Öffentlichkeit erreicht hatte, war der bisherige Oberbürgermeister allerdings auch schon politisch erledigt. Wenn die Vorwürfe so stimmen, wie es in der Presse berichtet wird, hat Bernd Wiegand in seiner Position nichts mehr zu suchen. Und dann sollte es baldigst Neuwahlen geben. Doch dafür müsste er zurücktreten, was eine große Überraschung wäre. 

Eine schnelle Neuwahl wäre auch nicht ganz ohne. Freilich, die Ortsverbände der Parteien haben ja nur darauf gewartet, eine Chance zu erhalten, wieder selbst die Spitze im Rathaus besetzen zu dürfen. Doch wen wollen sie eigentlich ins Rennen schicken? Die Kandidaten aus der letzten Abstimmung sind verbrannt, die Vorbereitung für neue Personen ist ziemlich kurz. Das Ganze käme einer Lotterie gleich, auch angesichts einer sehr merkwürdigen politischen Landschaft in Halle, in der irgendwie alles durcheinander geht, niemand miteinander klar zu kommen scheint und die Sympathieträger:innen Mangelware sind. 

Halles CDU-Chef und Bildungsminister Marco Tullner (CDU) wird wohl kaum nach den Sternen greifen wollen. Die FDP wird wohl nicht noch einmal mit dem beim letzten Mal bereits im ersten Wahlgang ausgeschiedenen Silbersack antreten und das rot-grün-rote Bündnis, das Hendrik Lange immerhin in die Stichwahl gegen Wiegand befördert hatte, war ohnehin nie wirklich ernst gemeint. Bleibt eigentlich nur jemand aus der verbleibenden Stadtspitze oder eben eine gänzliche Überraschung. 

Gerade jetzt bräuchte es eigentlich eine entscheidungsfreudige Stadtverwaltung und einen sachorientierten Stadtrat. Stattdessen viel Missgunst, persönliche Fehden, politisches Geplänkel, Empörung und Gezeter – während die Bevölkerung auf dem Zahnfleisch von Ausgangssperre zu Ausgangssperre kriecht und eigentlich überhaupt keinen Bock darauf hat, sich nun auch noch hierrüber Gedanken machen zu müssen. Eine vertrackte Situation. 

Doch am Anfang stand letztlich das Verhalten eines Oberbürgermeisters, das – bei allem, was an Informationen bekannt ist – nun einmal das Vertrauen in ihn endgültig zerstört hat. Diese Verantwortung trägt Bernd Wiegand letztlich ganz allein. Den Schaden jedoch, den trägt nun die ganze Stadt. 

Vielleicht dämmert es den politischen Gruppierungen im Stadtrat auch schon, dass es so nicht weiter geht. Die Bevölkerung wird jetzt nicht in Jubelstürme über den Sieg des Kommunalparlaments ausbrechen. Es gab ja auch einige, die von Wiegands Impfangebot ebenso Gebrauch gemacht hatten. Der Letzte ist gerade erst aufgeflogen. Es gibt also einiges gut zu machen. Und Egbert Geier als Interim-OB sowie Katja Müller (Die Linke) als Stadtratsvorsitzende stehen hierbei nun vor einer großen Herausforderung 

About

Sasha Waltze ist Mitglied der Redaktion und beschäftigt sich derzeit mit diversen Krisen, Bildung und der Komplexität unserer Welt.

 

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.