Druck „von oben“ auf die Uni Leipzig?

Studentisches Engagement in Sachsen im Visier des Innlandsgeheimdienstes

von | veröffentlicht am 09.03 2019

Beitragsbild: Transit

Versucht der Verfassungsschutz Einfluss auf Hochschulleitungen beim Umgang mit studentischen Gruppen zu nehmen? Diesen Verdacht legt zumindest der jüngste Vorgang an der Universität Leipzig im Zusammenhang mit den dortigen Kritischen Einführungswochen nahe.




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In Sachsen sorgte im Februar die Meldung für Aufregung, der sächsische Verfassungsschutz habe Druck auf die Leitung der Universität Leipzig ausgeübt. In der Folge habe die Unileitung den Kritischen Einführungswochen (KEW) bereits im Oktober 2018 zunächst die Raumnutzung für bestimmte Veranstaltungen der KEW untersagt. Seitdem läuft die Aufklärung der Vorgänge, unter anderem auch über eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, wie es in einer Pressemeldung der KEW Leipzig heißt. Wir haben uns in Leipzig bei der KEW-Organisation nach dem aktuellen Stand erkundigt:

Transit: Wie wurde die Einmischung des sächsischen Verfassungsschutzes (VS) in den Uni-Betrieb in Leipzig bekannt?

KEW: Immer im Herbst organisieren wir als linke Studierende in Leipzig gemeinsam die Kritischen Einführungswochen. Bisher hatten wir nie ernsthafte Probleme mit der Uni-Leitung. Beim letzten Mal gab es das erste mal Probleme bei der Beantragung der Räume. Wir hatten direkt das Gefühl, dass diesmal etwas anders ist. Die Anträge wurden innerhalb der Uni-Verwaltung von Bereich zu Bereich weitergereicht, anscheinend wurden sie sehr genau geprüft. Eine Woche bevor die KEW starten sollten, erreichte uns dann die Nachricht der Raumverwaltung, dass acht unserer über 80 Veranstaltungen nicht stattfinden können. Das wurde damit begründet, dass Organisationen, mit denen wir bei den Veranstaltungen  kooperieren wollten, vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet werden.

Das kam uns damals schon komisch vor. Mit den genannten Organisationen arbeiten wir praktisch seit der ersten KEW zusammen. Vorher war das nie ein Problem. Damit stand der Verdacht im Raum, dass die Uni Druck „von oben“ bekommen hat. Um den Sachverhalt zu klären, haben wir das Gespräch mit der Rektorin gesucht. In diesem Gespräch konnten unsere Vermutungen leider nicht entkräftet werden. Im Gegenteil. Es taten sich immer mehr Widersprüche auf. Darum haben wir unseren Verdacht öffentlich gemacht und gemeinsam mit einem Landtagsabgeordneten der LINKEN einige Anfragen an die sächsische Regierung gestellt. Mittlerweile hat die Rektorin auch öffentlich eingeräumt, dass es ein Treffen zwischen ihr, dem Präsidenten des VS und dem damaligen Leipziger Polizeipräsidenten gab.

Transit: Was wisst ihr bislang zum Vorgang?

KEW: Nicht sehr viel. Wir wissen, dass die Rektorin sich mindestens ein mal mit dem Verfassungsschutzpräsidenten und dem damaligen Polizeipräsidenten von Leipzig getroffen hat und dass die KEW bei diesem Gespräch Thema waren. Interessant wäre, ob der VS über dieses Gespräch hinaus Druck auf die Uni gemacht hat. Oder ob es eine Weisung aus dem Wissenschaftsministerium gab. Wir halten beides für möglich. Dass die Uni-Leitung hier ausschließlich auf eigene Initiative handelt, wie es jetzt zum Teil in den Medien dargestellt wird, glauben wir hingegen
nicht. Die bereits erwähnten Anfragen werden hoffentlich Klarheit schaffen.

Transit: Welche Konsequenzen gibt es für die KEW in Leipzig? Was befürchtet/erwartet ihr mittelfristig?

KEW: Bisher gibt es keine Konsequenzen. Selbst die Räume, die uns im Herbst versagt wurden, haben wir damals nach einem unangemeldeten Besuch im Rektorat dann sehr schnell doch bekommen. Im Moment sind wir mit der Vorbereitung einer außerplanmäßigen Dauer-KEW im Sommersemester beschäftigt. Am 1. September wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt und da wollen wir vorher an der Uni viel Programm machen. Die Raumanträge dafür liegen bei der Raumverwaltung der Uni. Ob bei der Genehmigung diesmal alles glatt geht, werden wir in den nächsten Wochen wissen.

Transit: Wie bewertet ihr die ganze Angelegenheit und werdet ihr selbst Konsequenzen daraus ziehen?

KEW: Wir haben den Eindruck, dass Teile der sächsischen Regierung vor den Landtagswahlen versuchen, die Handlungsspielräume der Studierendenschaft an der Uni Leipzig einzuschränken. Wenn sich das bewahrheitet, wäre das ein großer Skandal. Angesichts der weiteren Rechtsverschiebung des politischen Klimas in Sachsen und deutschlandweit ist es wichtig, dass Orte wie die Uni Leipzig einer kritischen Zivilgesellschaft Raum für Diskussion und Vernetzung geben. Darum ist unsere Konsequenz, uns jetzt noch stärker ins Zeug zu legen und noch mehr Studierende zu ermutigen, aktiv zu werden.

KEW Leipzig

Alternativ zu den „normalen“ Einführungswochen stellen die KEW bereits seit einigen Jahren eine kritische Einführungswoche auf die Beine. Es soll ein Raum geschaffen werden, in dem sich Studierende über politische und gesellschaftskritische Inhalte austauschen können. Da es in der Universität meist an linken Themen mangele, versuchen die KEW durch ein progressives Alternativprogramm zu einer Politisierung des Campus beizutragen.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.