Nachts in Mitteldeutschland

von | veröffentlicht am 04.05 2023

Beitragsbild: Transit-Magazin




diesen Beitrag teilen

Ich besuche an einem Donnerstagabend eine Freundin in dem Hausprojekt im Leipziger Süden, in dem sie übergangsweise wohnt. Wir essen zusammen Sommerrollen, trinken ACE-Saft aus Nostalgiegründen (war der schon immer sooo orange?) und Bier. Dann möchte ich zurück nach Halle, es ist kurz nach 12. Die Straßenbahnfahrerin, die mich zum Hauptbahnhof bringen soll, bleibt nur stehen, weil ich doll winke und verschreckt gucke. Sie wartet auf mich.
Der Rest des Heimwegs gestaltet sich jedoch eher umgekehrt: ich warte.
Seeehr lange. Nur die S3 fährt noch nach Halle, es ist die letzte vor 4 Uhr, um 1:33 Uhr und ich habe immer noch eine Dreiviertelstunde zu warten.
Die Langeweile und ein bisschen Beschwipsung vom ACE-Saft treiben mich in das MC Donalds – Pommes kaufen. Die Packung ist klein und unverschämt teuer, Mayo kostet extra (Frechheit) und aus den wenigen, an einer Hand abzählbaren Ausflügen in meiner Kindheit zu „MC Doof“ hatte ich das Ganze als leckerer in Erinnerung. Hunger habe ich eigentlich auch nicht.
Nach weiteren 20 Minuten Rumlungern auf der Eckbank fährt sie ein, die S3. Und hält an jedem kleinen Bahnhof unterwegs – so ist sie.
Auf eine Straßenbahn in Halle, die mich den 33minütigen Fußweg überspringen und schneller in mein Bett bringen könnte, hoffe ich gar nicht erst. Stattdessen lehne ich meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe und träume vom Leben in einer Stadt, in der die öffentlichen Verkehrsmittel kommen, wie ich sie brauche – am besten im 5-Minuten-Takt. Oder nachts, wenigstens alle 15.
Hach, einmal Berlin.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.