Kritik an die Uni!

Warum eine kritische Einführungswoche notwendig ist – Ein Kommentar

von | veröffentlicht am 16.10 2018

Beitragsbild: Transit

Noch bis zum 19. Oktober finden an der Universität Halle die Kritischen Einführungswochen (KEW) statt. Die Notwendigkeit für diese selbstorganisierte Einführungswoche wird gerade im Vergleich zu den offiziellen Orientierungstagen der Uni deutlich.




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Neben nützlichen Tipps und Tricks zur Bestehbarkeit des Studiums und zur Benutzung von StudIP und anderem Verwaltungskram geht es bei den Orientierungstagen der Martin-Luther-Universität Halle vor allem um Marketing: Die Uni begrüßt die neuen Studierenden, die sich ja schon für diesen Standort entschieden haben, mit dem erneuten Hinweis darauf, dass ihr Ziel das wirklich richtigste und beste war. In diesem Zuge schleppen sich Anfang Oktober jeden Jahres Tausende Menschen von einer Veranstaltung zur nächsten. Da wird ihnen dann erklärt, welche großartigen Chancen sie haben und welche selbstlosen Unternehmen ihnen dabei helfen werden. An dem Bedürfnis, solche Informationen zu bekommen, ist erstmal wenig Falsches zu finden. Trotzdem bieten diese Orientierungstage keinen Raum für selbstorganisierte und kritische Bildung. Noch weniger dienen sie dazu, das Studium und die Funktion der Universität im Kapitalismus realistisch darzustellen.

Die Kritische Einführungswoche (KEW) findet vom 10.-19. Oktober an der Martin-Luther-Universität und anderen Räumen statt. Organisiert wird die KEW von verschiedenen Initiativen und (hochschul-)politischen Gruppen. Die Veranstaltungen findet Ihr auch in unserem Kalender

Das aber wäre dringend nötig, denn das Studium ist voller Widersprüche: Es soll zum aufklärerischen Denken befähigen und dem gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtet sein, produziert aber Ausgrenzung, Leistungsdruck und Elitarismus. Denn für die spätere Stellung auf dem Markt qualifiziert eben nicht der Inhalt des Studiums, sondern der formelle Abschluss. Und dafür, dass die Einen sich im Sinne eines – mittlerweile sogar verpflichtenden „Studium generale“ bilden können, bleiben viele Andere draußen – aufgrund von NC- und Abschluss-Schranken, die den Zugang zu vermeintlich „allgemeiner Bildung“ eher speziell machen. Die Form der Vermittlung dieser Bildung ist autoritär: Trotz ausreichend formaler Qualifikation wird den Studierenden nicht zugetraut, ihr Studium selbst zu organisieren. Vielmehr prägen Maßnahmen wie Anwesenheitspflichten und Studienverlaufsplanungen den Alltag, der nicht einmal das Recht anerkennt, sich den eigenen Aufenthaltsort auszusuchen. Der aufklärerische Anspruch wird jedoch nicht nur auf der strukturellen Ebene verfehlt: Die Lehre ist von gewünschter „politischer Neutralität“ bei gleichzeitiger Einseitigkeit geprägt, denn gerade in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern sind die Aufgaben klar verteilt. So wie die Politikwissenschaft im Idealfall zum bürgerlichen Staat halten soll, so soll beispielsweise die Geschichtswissenschaft ihren Untersuchungsgegenstand von politischen Deutungen befreien. Währenddessen wird in den naturwissenschaftlichen Fakultäten die bei jeder Drittmitteleinwerbung weit vorne liegen und damit weit entfernt von Unabhängigkeit liegen – der Erfolg der Forschung klar an den Erfolgen im Wettbewerb gemessen.

Während der Kritischen Einführungswochen wird auf diese Probleme hingewiesen. Die Probleme und Potentiale der verschiedenen Fachbereiche und den damit verbundenen Bereichen der Gesellschaft werden diskutiert. Es gibt Veranstaltungen wie „Einbrüche des Postkolonialen im französischen Theater“ (IG Kritische Frankoromanistik) und „Feministische Ökonomik“ (Initiative Neue Plurale Ökonomik) oder „Soziale Determinanten von Gesundheit“ (Medinetz Halle). Diese zeigen die Erkenntnisse wissenschaftlicher Arbeit und das ihnen innewohnende Potential gesellschaftlicher Veränderung auf. In Anbetracht zunehmender sozialer Problemenlagen ist klar: Es gibt etliche Aufgabenbereiche für kritische Wissenschaft. Denn der Klimawandel, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, die kapitalistische Ausbeutung und die soziale Ungleichheit brauchen eine analytische Betrachtung, ebenso wie Rechtsruck und Diskriminierung. Aufgabe der Wissenschaft ist es diese zu liefern. Wir wollen deshalb gemeinsam diskutieren, was man an der Uni überhaupt machen kann, was es bereits für Projekte gibt und wie man sich an der Uni und in der Stadt dafür zusammenschließt, die Welt politisch zu gestalten.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.