Demonstration gegen Repression und Polizeigewalt

In Solidarität mit den Betroffenen der Silvesternacht in Connewitz

von | veröffentlicht am 14.01 2020

Beitragsbild: Indymedia

Am Abend des 13.01.2020 demonstrierten etwa 60 Personen unangemeldet, lautstark und mit reichlich Pyrotechnik gegen die Repression und Polizeigewalt an Silvester am Connewitzer Kreuz.




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Hintergrund ist die Provokations- und Eskalationsstrategie der Leipziger Polizei rund um den Jahreswechsel, die ihren traurigen Höhepunkt in massiven Gewaltausbrüchen und dem Verbreiten von Falschmeldungen fand. Die anschließende mediale und politische Hetze schuf eine Atmosphäre, in der jede*r Kritiker*in des Polizeieinsatzes zum*zur Linksextremist*in wurde, während Polizeisprecher von einer „neuen Stufe linksextremer Gewalt“ (Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft) und „Verbrechern und Unmenschen“ (Leipzigs Polizeipräsident) sprachen, die sich „nach dem Muster der RAF“ (Rainer Wendt, natürlich) entwickeln würden.

Neben der großen Schar an Journalist*innen und Medienhäusern, die nichts weiter taten, als die Pressemitteilung der Polizei abzuschreiben, die diese noch in der Silvesternacht veröffentlichte, gab es auch einige wenige, die sorgfältiger recherchierten, Augenzeugen befragten und letztlich versuchten, ein differenziertes Bild bei der Rekonstruktion der Ereignisse in der Silvesternacht zu entwickeln. Dabei stellte sich rasch heraus, dass die Pressemitteilung der Polizei je nach Lesart einige Unwahrheiten, Übertreibungen oder mindestens Unklarheiten enthielt.

Während es unmittelbar nach dem Einsatz noch hieß, dass ein Polizist einer „Notoperation“ unterzogen werden musste, ließ das Krankenhaus verlautbaren, es habe unter lokaler Betäubung ein Eingriff am Ohr stattgefunden. Die Gefahr eines Gehörverlustes oder gar Lebensgefahr habe zu keiner Zeit bestanden. Die Polizei musste anschließend ihre Pressemitteilung korrigieren. Weiter hieß es zunächst, dass ein brennender Einkaufswagen mitten in eine Einheit von Bereitschaftspolizist*innen geschoben worden sei. Augenzeug*innen und Filmaufnahmen zeichnen allerdings ein anderes Bild: Der als brennende Polizeiwagen dekorierte Einkaufswagen ist weit von den Polizeieinheiten entfernt platziert worden. Auch diese Darstellung musste die Polizei korrigieren.

Im Gegenteil beklagt eine Vielzahl an Augenzeug*innen massive Polizeigewalt sowie ein „unkoordiniertes und aggressives“ Vorgehen der Polizei. Polizist*innen seien immer wieder aggressiv in die Menschenmenge gestürmt, hätten dabei Personen geschubst, geschlagen und getreten. Betroffene Personen berichten von einer gebrochenen Nase, einem ausgerissenen Piercing und von reglos auf dem Boden liegenden Menschen, die zum Teil weitere Schläge und Tritte von Polizist*innen einstecken mussten. Zumindest teilweise sind diese Szenen auch durch Videos belegt, die im Netz kursieren. Die Staatsanwaltschaft rät den Geschädigten der Polizeigewalt mittlerweile, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. In der Logik der Staatsanwaltschaft ist das zwar folgerichtig, der Ratschlag wirkt allerdings angesichts des bekannten Ausgangs der meisten solcher Verfahren wie der blanke Hohn: 97% aller Verfahren gegen Polizisten werden eingestellt und enden nicht selten in Gegenanzeigen.

Die Polizei ermittelt unterdessen wegen unterschiedlicher Delikte in der Silvesternacht in Connewitz gegen mehrere Personen, wobei die Staatsanwaltschaft den oben beschriebenen Vorfall trotz aller Ungereimtheiten sogar als „versuchten Mord“ einschätzt. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es kurz vor der Silvester, in der Nacht vom 29. auf den 30.12., eine Tat an anderer Stelle gab, die man als Mordversuch einordnen könnte: Laut Medienberichten schoss ein 72jähriger CDU-Kommunalpolitiker und laut mutmaßlichem Facebook-Profil AfD-Sympathisant einem jungen Mann in den Rücken, nachdem er ihn rassistisch beleidigt hat. Vorweg ging angeblich ein Streit über Lärm. Auch hier ermittelt die Polizei, allerdings ist der Tatverdächtige wieder auf freiem Fuß. Der Vorwurf lautet in diesem Fall gefährliche Körperverletzung. Soviel zum Bewertungsmaßstab deutscher Ermittlungsbehörden.

Eine weitere angeklagte Person aus der Silvesternacht in Connewitz wurde bereits in einem Eilverfahren zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er einem Polizisten ein Bein stellte. Auch hier drängt sich ein Vergleich auf: Der Überfall von 250 Neonazis auf den Stadtteil Connewitz, bei dem zahlreiche Geschäfte, Kneipen und Personen massiv angegriffen wurden, ist mittlerweile vier Jahre her. 215 Tatverdächtige wurden unmittelbar nach der Tat von der Polizei festgesetzt. Die ersten Prozesse gegen die Tatverdächtigen begannen allerdings erst zwei Jahre später. Insgesamt läuft die juristische Aufarbeitung sehr schleppend. Der späte Prozessbeginn führt schließlich dazu, dass allein aufgrund der verstrichenen zwei Jahre das Strafmaß reduziert wird. Da passt es nur allzu gut ins Bild, dass der durch das Beinstellen geschädigte Polizist angeblich auf einem Foto mit rechten Kampfsportlern posiert, wie in den sozialen Medien zu lesen ist.

Man mag über Form und Auftreten der gestrigen Spontan-Demonstration streiten. Das Werfen von Böllern dürfte viele Menschen im Viertel erschreckt, das martialische Auftreten abgestoßen haben. Zudem schloss die klandestine Mobilisierung viele Menschen aus, die einem Protest gegen die Polizeigewalt an Silvester am Connewitzer Kreuz aufgeschlossen gegenüber stehen. Was bleibt ist aber ein solidarisches Zeichen an alle von Repression und Polizeigewalt Betroffenen. Und das ist in erster Linie erfreulich.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.