„Antifa heißt Landarbeit“

Interview mit der Gruppe Antifa06

von | veröffentlicht am 22.03 2018

Beitragsbild: antifa06.blogsport.eu

„Antifa heißt Landarbeit“ ist oft auf Aufklebern und Transparenten zu lesen. Aber wie ist es bestellt um eine antifaschistische Jugendkultur auf dem Land? Im südlichen Sachsen-Anhalt hat sich nun eine neue Antifa-Gruppe gegründet, die diesen Spruch wörtlich nimmt und den ländlichen Regionen wieder Leben einhauchen will. Wir trafen uns mit einer Vertreterin der Gruppe Antifa06 und sprachen mit ihr über die dringende Notwendigkeit eines praktischen Antifaschismus abseits der Großstadt, über die Spezifika des südlichen Sachsen-Anhalts und über die zukünftigen Pläne der Gruppe.




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Transit: Wer seid ihr und warum habt ihr Euch dazu entschlossen eine neue Gruppe zu gründen?
Mila: Unsere noch sehr neue Gruppe besteht aus ganz unterschiedlichen Menschen. Was uns eint ist die Tatsache, dass wir alle aus Käffern im südlichen Sachsen-Anhalt kommen oder nach wie vor dort wohnen. Merseburg, Bad Lauchstädt, Leuna, alleine die Namen dieser Orte hören sich ja schon wie eine Bedrohung an. Wir wissen, was es bedeutet, als „die Zecke“ auf dem Dorf zu gelten. Viele, die nie auf dem Dorf gewohnt haben, können sich das vielleicht nicht vorstellen. Der Anpassungsdruck ist enorm hoch, Und wenn man weder Teil der Freiwilligen Feuerwehr oder des Fußballvereins sein möchte und sich auch auf dem jährlichen Dorffest eher unwohl fühlt, dann gilt man schnell als der Außenseiter. Um diese Isolation aufzubrechen, haben wir die neue Gruppe gegründet.
 
Transit: Was wollt ihr erreichen?
Mila: Wir wollen zum einen Netzwerk, Ansprechpartner und Unterstützungsstruktur für Jugendliche sein, die sich mit dem rassistischen Normalzustand auf dem Dorf nicht anfreunden wollen und die relativ früh gemerkt haben, dass sie nicht Teil der Dorfgemeinschaft sein wollen oder können. Zum anderen wollen wir aber auch intervenieren, wenn es rassistische Übergriffe oder Mobilisierungen gibt. Die Demonstration in Merseburg war eine unserer ersten Aktionen und wir waren ganz zufrieden mit ihrem Verlauf. Immerhin 70 Menschen folgten unserem überwiegend intern verbreiteten Aufruf. Auch zukünftig werden wir genau hinschauen und eingreifen, wenn der Volksmob mobilisiert.
 
Transit: Was unterscheidet Euch von anderen Gruppen?
Mila: Wir wollen nicht die x-te politische Gruppe in Halle sein, sondern uns explizit auf ländliche Regionen konzentrieren. Dabei haben wir einen klaren antifaschistischen Schwerpunkt im klassischen Sinn. Zudem sind wir um einiges jünger und noch relativ unerfahren. Wir hoffen, dass uns andere Gruppen in unseren Anliegen unterstützen, wenn es notwendig wird. Wir wollen aber keine reine Szenepolitik betreiben. Um effektive Politik zu machen, muss man aus der Szene heraus agieren, alles andere wäre nur Selbstbespaßung und wenig förderlich, um progressive, antifaschistische Politik den Leuten attraktiv zu machen.
 
Transit: Was ist das Besondere am südlichen Sachsen-Anhalt?
Mila: Leuna, Merseburg, Bad Dürrenberg, Mücheln, Weißenfels – Wer denkt nicht zuerst beim Klang dieser Namen an rassistische Übergriffe auf Migrant*innen und Linke und an irre hohe AfD-Wahlergebnisse. Man kann schon sagen, dass vielerorts ein rechter Konsens bzw. eine politische Antriebslosigkeit herrscht, wenn man nicht gerade den rechten Konsens teilt. Diese Antriebslosigkeit wollen wir überwinden und linke Politik vorantreiben. Weiterhin gibt es eine große rechtsradikale Szene, die im Vergleich zu vergangenen Jahren zwar eher unorganisiert ist, aber trotzdem eine große Gefahr darstellt.
Eine weitere Herausforderung ist letztlich, dass es aufgrund großer Distanzen zwischen den Dörfern und Kleinstädten und der fehlenden Subkultur mit ihren Rückzugsorten besonders schwierig ist, antifaschistische Strukturen aufzubauen. 
 
Transit: Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Mila: Die Situation in Merseburg wird uns sicherlich weiter beschäftigen, Liebich, AfD und Co haben ja angekündigt, wenigstens ein Mal pro Monat vor den dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten demonstrieren zu wollen. Außerdem steht im Juni der jährliche Naziaufmarsch in Merseburg an, der hoffentlich nicht so reibungslos wie ein den letzten Jahren ablaufen wird. Wir können uns außerdem vorstellen, etwas zum Gedenken an die drei Todesopfer rechter Gewalt, die es im Saalekreis seit 1990 gab, beizutragen. Dies spielt im öffentlichen Diskurs nämlich kaum eine Rolle.
 
Transit: Wie kann man euch erreichen?
Erreichen kann man uns über Facebook oder per E-Mail, welche auf unserem Blog antifa06.blogsport.eu zu finden ist. Wir haben großes Interesse daran, weitere kids vom Dorf oder aus der Kleinstadt kennen zu lernen, die Interesse an antifaschistischer Politik haben. 
 
 

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.