Fleisch zu essen ist keine Norm

Über das Essen in Kindertageseinrichtungen und was wir unseren Kindern als Norm verkaufen

von | veröffentlicht am 06.06 2023

Beitragsbild: Magdalena | CC BY 2.0

Es ist nicht gerade leicht, einen Kitaplatz in Halle zu bekommen. Umso schwerer ist es, eine Einrichtung zu finden, bei der es möglich ist, über die Verpflegung des Kindes mitzubestimmen.




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Auf der Suche nach einem Kitaplatz für mein Kind habe ich mir verschiedene Einrichtungen in Halle angeschaut. Eine Frage stellte ich standardmäßig an alle Einrichtungsleitungen: Wie sieht es denn mit vegetarischem Essen aus? Diese Frage führte zu unterschiedlichen Reaktionen. Zum Beispiel: Die Kinder würden ohnehin das Essen wollen, was alle essen – was in dem Fall Fleisch bedeutete. Oder: Das ist schon möglich, in dem Fall würden die Kinder eine einzelne Assiette bekommen und ihr Essen nicht aus den gleichen Töpfen, wie die anderen Kinder (die offensichtlich alle Fleisch essen). Die Essensanbieter haben demnach ein vegetarisches Angebot. Bei genauerer Betrachtung besteht ein nicht-vegetarisches Essen meist aus den drei Komponenten Gemüse, Getreide und Fleisch oder Fisch. Das vegetarische Angebot besteht aus ungefähr drei Süßspeisen in der Woche (Milchreis, Milchsuppe, Eierkuchen o.ä.). Ich möchte nicht behaupten, dass das in allen Kitas in Halle so ist, sondern schildere hier nur meine Beobachtungen. Es ist ohnehin nicht besonders einfach, einen Kitaplatz in Halle zu bekommen. Umso schwerer ist es, einen zu finden, bei dem ich als Elternteil die Möglichkeit habe, über die Ernährung u.ä. meines Kindes mitzubestimmen. Aus diesem Grund war ich positiv überrascht über die Antwort der Leitung der Kita, für die wir uns letztlich auch entschieden haben, auf die Frage nach einer möglichen vegetarischen Ernährung unseres Kindes. Sie sagte: “Vegetarische und vegane Ernährung ist mindestens als Thema mittlerweile in den Kitas angekommen“, das sei allerdings noch ein Prozess, aber sie ist „optimistisch, dass auch die Essensanbieter bald mit entsprechenden Angeboten nachziehen werden.“ Sie machte den pragmatischen Vorschlag, dass ein Kind, welches ein vegetarisches Essensangebot erhalten soll, z.B. einfach die zwei fleischfreien Komponenten des Fleischmenus angeboten bekommen könnte. Denn eine gesunde und ausgewogene Ernährung könne ja nicht nur aus Süßspeisen bestehen.

Was mir diese Unterhaltungen in den Kindertageseinrichtungen vor allem gezeigt haben ist, dass Fleisch zu essen immer noch als die Norm angesehen wird. Das mag sich nicht besonders überraschend anhören für die Eine oder den Anderen. Doch wir leben im Zeitalter einer Klimakatastrophe und zwei Drittel der landwirtschaftlichen Klimagase stammen aus der Tierhaltung, schreibt der NABU. Besonders die Kinder, die jetzt in Kindertageseinrichtungen kommen, werden sich mit den Folgen der Klimakatastrophe weiter beschäftigen müssen bzw. ihre Konsequenzen erleben.

Im Zusammenhang mit dieser Thematik höre ich auch immer noch das Argument, dass die Kinder sich doch selber entscheiden können, ob sie Fleisch essen wollen oder nicht. Den freien Willen eines Kindes zu fördern, möchte ich gern unterstützen. Doch die Kinder, die jetzt in die Kita kommen, können sich nicht aussuchen, in welcher Verfassung ihnen die Erde überlassen wird. Deswegen ist es mir wichtig zu benennen, dass wir – die aktuellen Erwachsenen – die Norm für unsere Kinder setzen können. Und die Norm kann genauso gut heißen, grundsätzlich kein Fleisch in Kindertageseinrichtungen anzubieten. Was nicht bedeutet, dass Eltern ihren Kindern keine Wurst auf ihre Brote legen können oder was auch immer. Es geht nicht um Verbote oder darum, jemandem etwas wegzunehmen. Es geht darum, dass wir durch die Werte und Normen, die wir leben, etwas verändern können.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.