„Das IfS. Faschist*innen des 21. Jahrhunderts“

Eine Veröffentlichung liefert wichtige Erkenntnisse über das rechte Netzwerk im sachsen-anhaltischen Schnellroda

von | veröffentlicht am 03.01 2021

Ein kürzlich erschienener Sammelband gibt einen Einblick in die rechten Umtriebe rund um das „Institut für Staatspolitik“. Das Kollektiv „IfS dichtmachen“, das selbst inhaltlich an der Veröffentlichung beteiligt war, hat sich das Buch für uns angeschaut und gibt einen kurzen Überblick über die Entwicklung und den aktuellen Zustand des rechten Thinktanks.




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Das sogenannte „Institut für Staatspolitik“ („IfS“) wurde 2000 gegründet und hat sich seitdem zu einem Ort entwickelt, der als einer der wichtigsten Vernetzungspunkte innerhalb der „Neuen Rechten“ gilt. Gegenproteste finden in Schnellroda, dem Sitz des „IfS“, erst seit 2016 statt, jedoch war vorher bereits bekannt, welches Ziel das Institut, der dort ansässige Verlag Antaois und die vom Institut verantwortete Zeitschrift „Sezession“ haben: Es geht um eine Kulturrevolution von rechts, darum, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben und junge Menschen zu schulen. Dabei wird der Fokus nicht auf Parteien gelegt, sondern auf den „Kampf im vorpolitischen Raum“.

Das Magazin der rechte rand (drr) hat sich bereits früh mit dieser Thematik befasst und über viele Jahre regelmäßig Artikel von verschiedenen Autor*innen veröffentlicht. Mit dem Buch „Das IfS. Faschist*innen des 21. Jahrhunderts – Einblicke in 20 Jahre ‚Institut für Staatspolitik'“, das kürzlich im VSA Verlag Hamburg erschienen ist, liegt nun erstmals ein Überblick zur Entwicklung und dem ideologischen Wirken des „IfS“ aus einer kritischen Perspektive vor.

Das Buch umfasst 173 Seiten mit 30 Beiträge von Journalist*innen und Wissenschaftler*innen, sowie ein Interview mit unserer Gruppe, dem Kollektiv „IfS dichtmachen“. Die Struktur des Sammelbandes ist in zwei Abschnitte unterteilt.
Nach einem Vorwort von Andreas Speit erfolgt zunächst eine aktuelle (Stand Oktober 2020) Einordnung der Akademien des „IfS“, des Antaios-Verlages und der Gründer des „IfS“. In diesem Abschnitt reiht sich auch das Interview mit zwei Aktivist*innen unserer Gruppe ein, indem wir unseren Protest gegen die Akademien und andere Veranstaltungen des „IfS“ in Schnellroda vorstellen und auf mittlerweile 4 Jahre Protest zurückblicken.
In dem umfangreicheren zweiten Abschnitt erfolgt ein Neuabdruck der im Magazin drr erschienenen Artikel. Die Anordnung der Artikel orientiert sich, beginnend im Jahr 1999, nach dem Erscheinungsdatum.

Auf- und Abstieg eines rechten Netzwerks

Wie der Sammelband in den einzelnen Artikeln zeigt, besaß das „IfS“ über Jahre hinweg keine nennenswerte Relevanz. Das Institut organisierte Kollegs, Schulungen und veröffentlichte Artikel, ohne jedoch einen nennenswerten Einfluss auf die Gesellschaft zu haben. Das Ganze fand vielmehr innerhalb der neurechten Szene statt, bei den Tagungen waren ebenfalls NPD Funktionäre anwesend. Mit der Veröffentlichung von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ sah das Trio bestehend aus Dieter Stein („Junge Freiheit“), Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann (beides Mitbegründer des „IfS“) die Chance, in die öffentliche Debatte vorzudringen. Die Grenze des Sagbaren schien sich nach rechts hin verschoben zu haben und stieß in der Mitte der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden. Für den Publizisten Götz Kubitschek bot sich hiermit zudem die Möglichkeit seinen Absatz zu steigern, indem er eine Broschüre zu der Buchveröffentlichung von Sarrazin verkaufte.

Als sich 2013 die AfD gründete, reagierte das „IfS“ zunächst verhalten, jedoch sahen sowohl Kubitschek als auch Weißmann in der AfD die Möglichkeit die „eigene Kampfzone“ zu erweitern. Bei der damals diskutierten Frage, auf wen man dabei setzen sollte, kam es jedoch zu Unstimmigkeiten. Weißmann präferierte ein bürgerlicheres Image der AfD und bevorzugte daher Lucke oder Petry, während Kubitschek die Grenzen zur extremen Rechten öffentlich aufgab und Höcke unterstützte. Zwischen Weißmann und Kubitschek kam es in der Folge dieser Auseinandersetzung zum Bruch und Weißmann verließ das „IfS“.

Bereits 2007 veröffentlichte Götz Kubitschek sein Buch „Provokation“ worin er erklärt, dass Aktionen gestartet werden müssen, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Für ihn sei die Zeit des Diskurses vorbei und Provokation sei notwendig, um eine stärkere Position in der Gesellschaft zu erlangen. Kurz darauf gründete er die sogenannte „konservativ-subversive Aktion“ (KSA), eine Gruppe von Schüler*innen, die unter anderem dadurch mediale Aufmerksamkeit bekam, dass sie eine Lesung von Günther Grass zu stören versuchte. Die „KSA“ war jedoch nicht lange erfolgreich und es verwunderte daher nicht, dass sich Götz Kubitschek Jahre später, nach einem Moment der Skepsis, der „Identitären Bewegung“ zuwendete. Endlich gab es eine „Jugendbewegung“ auf der Straße, auf die er Einfluss nehmen konnte und ganz nebenbei wurden sie regelmäßige Besucher seiner Schulungen in Schnellroda und die „Akademien“ bekamen neuen Schwung.

Inzwischen sieht es allerdings nicht mehr ganz so rosig aus um das Netzwerk von Götz Kubitschek. Die „Identitäre Bewegung“ ist quasi tot, der „Flügel“, eine extrem rechte Gruppierung innerhalb der AfD wird vom Verfassungsschutz beobachtet, die Presse hat endlich Fortschritte gemacht und die unsäglichen Home Stories über den „dunklen Ritter“ eingestellt. Bei der letzten Akademie haben die Teilnehmer*innen sich vor dem Gegenprotest im Gasthaus „Zum Schäfchen“ verschanzt und Plakate vor die Fenster gehängt um nicht gesehen zu werden.

Guter Einstieg in das Thema „Neue Rechte“

Das Buch „Das IfS. Faschist*innen des 21. Jahrhunderts – Einblicke in 20 Jahre ‚Institut für Staatspolitik'“ gibt einen guten Überblick über diese Entwicklung des „IfS“ in den letzten zwanzig Jahren, zeigt Netzwerke auf und stellt die wichtigsten Akteur*innen vor.

Der erste Abschnitt mit Beiträgen zu Veranstaltungsformaten, Publikations- und Vertriebsstrukturen, sowie zu den führenden Akteur*innen hilft dem Leser einen Überblick über das Thema, sowie über aktuelle Entwicklungen zu gewinnen.

Die chronologische Anordnung der neuabgedruckten Beiträge des drr im zweiten Abschnitt ermöglicht es, die Entwicklung des „IfS“ nebst angeschlossenen Strukturen nachzuvollziehen. Auch wenn sich dadurch inhaltliche Dopplungen in den einzelnen Artikeln nicht vermeiden lassen. Manchmal wünscht man sich auch eine retrospektive Einordnung der bei der Niederschrift der Artikel beobachteten Entwicklungen. Jedoch liefern die Artikel Antifaschist*innen eine gute Grundlage, um diese weiterführende Auseinandersetzung zu leisten.

Die Artikel in dem Buch sind kurz und gut zu lesen und vermitteln in ihrer Gesamtheit einen Eindruck, welchen Stellenwert das „IfS“ bei der Vernetzung der „Neuen Rechten“ einnimmt. Das Buch eignet sich gut, um in die Thematik „Neue Rechte“ mit Fokus auf Schnellroda einzusteigen und sich damit politisch auseinander zu setzen.

Hervorzuheben sind auch die zahlreichen Illustrationen, in der Mehrzahl von Stephanie Heide und Mark Mühlhaus, welche die Artikel thematisch entsprechend bereichern.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.