Verdacht auf rechte Symbolik und Machtmissbrauch

Umfassende Aufklärung in der Ausländerbehörde im Saalekreis nötig

von | veröffentlicht am 25.09 2020

Beitragsbild: Transit

Dem ehemaligen Amtsleiter einer kommunalen Behörde im Saalekreis wird das Verwenden rechtsextremer Symbolik vorgeworfen. Nun muss geklärt werden, inwiefern dieser in seiner Position Geflüchtete systematisch benachteiligt hat. Dafür braucht es Druck aus der Zivilgesellschaft.




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Jan Rosenstein, ehemaliger Chef der Ausländerbehörde in Merseburg (Saalekreis), wurde am 17.09. von seinen Aufgaben entbunden. Laut einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung werde ihm vorgeworfen, Nazi-Symbole in Chats verschickt und per Whatsapp privat eine Klientin kontaktiert zu haben. Auf Anfrage der MZ habe der Beschuldigte alle Vorwürfe abgestritten.

Seit Jahren machen Aktivist*innen auf die unwürdige Situation geflüchteter Menschen im Saalekreis aufmerksam. Die dortige Ausländerbehörde fährt einen sehr repressiven Kurs. Eine der am häufigsten kritisierten Maßnahmen ist die Ausgabe von Gutscheinen – also der Verzicht auf Geldzahlungen für Menschen mit einem Duldungsstatus – nicht nur an Einzelpersonen sondern auch an Familien mit Kleinkindern. Außerdem ist der Saalekreis im Bundesland Sachsen-Anhalt der Landkreis, der die meisten Mitarbeiter*innen beschäftigt, die sich um Abschiebungen kümmern. Transit berichtete bereits über die Zustände.

Rosenstein stand aufgrund seiner fragwürdigen Methoden sowie seiner Äußerungen oft in der Kritik. Menschen, die sich mit Geflüchteten solidarisch zeigten, sagen ihm schon lange nach, er verfolge selbst eine politische Agenda. Die CDU Saalekreis, zu der auch Rosenstein gehört, sah sich genötigt, ein Gegenstatement auf einen kritischen MZ-Artikel über die Zustände im Landkreis zu veröffentlichen. Der ehemalige Amtsleiter selbst behauptete immer wieder lediglich “geltendes Recht” umzusetzen.

Nun wurde öffentlich, dass der ehemalige Leiter der Ausländerbehörde nationalsozialistische Symbolik verwendet habe. Während die MZ von einem „Paukenschlag“ schreibt, finden es ehrenamtliche Helfer*innen äußerst beunruhigend, mit dieser Sachlage weiterhin zu arbeiten. In einem Artikel der WELT wurde eine Sprecherin des Landratsamt Saalekreis mit den Worten zitiert, dass die Löschung des dienstlichen E-Mail-Accounts Rosensteins bevorstehe. Ehrenamtliche Helfer*innen des Café Internationale teilten Transit mit, dass sie per E-Mail nachfragten, inwieweit die Löschung des Accounts Rosensteins sinnvoll zu einer Aufklärung beitragen soll. Sie hätten die Antwort erhalten, dass das Postfach nicht gelöscht werde, sondern lediglich gesperrt wurde um Daten zu sammeln, welche zur Aufklärung beitragen sollen. Wie diese Aufklärung aussieht, bleibt offen.

Für die engagierten Menschen des Café Internationale stellt sich die Frage, ob jede einzelne Entscheidung über den Aufenthalt schutzsuchender Personen, die unter dem ehemaligen Amtsleiter Rosenstein gefällt wurde, neu bewertet werden soll. Aber da der Landrat des Saalekreis, Hartmut Handschak, in der MZ verlauten ließ, dass „die Person Rosenstein und der Kreis keinen Schaden nehmen“ sollen, erscheint eine komplette Neuüberarbeitung der bisher unter Rosensteins Leitung abgeschlossenen Fälle als unwahrscheinlich. Die Frage, ob noch andere Mitarbeiter*innen rechte Symbolik nutzen oder Machtmissbrauch ausüben, taucht in den Überlegungen der für die Aufklärung Verantwortlichen gar nicht erst auf.

Es ist nicht verwunderlich, dass bei einem solchen Skandal im Zusammenhang mit Machtmissbrauch und Rechtsextremismus das Augenmerk nicht auf die eigentlichen Opfer, die geflüchteten Menschen, fällt. Geklärt werden sollte zumindest, inwieweit durch Rosensteins Arbeit Menschen Ansprüche oder Leistungen ohne rechtliche Grundlage verwehrt wurden. Ich selbst habe Jan Rosenstein im Zuge meines Studiums in Merseburg kennenlernen dürfen als er einen Vortrag vor Studierenden über seine Arbeit hielt. Laut eigener Aussage des ehemaligen Amtsleiters habe jede schutzsuchende Person, die Deutschland über einen Drittstaat der EU erreichte und im Saalekreis um Asyl ersuchte, eine Anzeige erhalten. Denn laut Rosenstein sei dies eine Straftat.

Inwiefern diese Maßnahme überhaupt rechtmäßig ist, ist nicht ganz klar. Aber sie zeigt, dass ein studierter Jurist als Amtsleiter einer Ausländerbehörde zumindest an die Grenzen der Gesetzmäßigkeiten zu gehen bereit war, um Asylsuchenden unmissverständlich klar zu machen, dass sie hier nicht willkommen sind. Dies war der erste Schritt, schutzbedürftigen Menschen eine Täter*innenrolle zuzuweisen: der erste Kontakt mit den hiesigen Behörden bestand in einer Strafanzeige.

Eine Täter-Opfer-Umkehr, wenn man es so nennen will, hat in diesem Land eine lange Tradition. Ganz egal, ob es ein Fall wie dieser auf kommunaler Ebene ist, Oury Jalloh in polizeilicher Obhut in Dessau verbrannte und der sachsen-anhaltinische Landtag kein Interesse an der Aufklärung zeigt oder der NSU durch staatliche Gelder des sogenannten Verfassungsschutz morden konnte während die Behörden die Täter*innen im Familienkreis der Opfer suchten.

Ohne den Druck der Zivilgesellschaft, und in dieser Causa insbesondere des Café Internationale, wird die Aussicht auf Aufklärung sehr gering ausfallen. Diese Gruppen sind Stützen eines Teils der Gesellschaft geworden, für den Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit ausschlaggebend für das menschliche Miteinander ist. Wo der Staat ihrer Meinung nach versagt, greifen sie ein. Spätestens seit 2015 hat sich das Aufgabenfeld ehrenamtlicher Helfer*innen in Hinsicht auf geflüchtete Menschen stark ausgeweitet. Es sind nicht nur das Besorgen von Kleidung oder das Angebot von Gesprächen an Hilfesuchende. Es ist auch die Auseinandersetzung mit staatlichen Behörden und ihrer rassistischen Asylpolitik.

Diese Politik sanktioniert Schutzsuchende und lässt sie verzweifeln, depressiv und müde vom Leben werden. Das Ziel, ein gleiches Recht für alle Menschen zu erkämpfen, wird ohne progressive Asylpolitik auf jeglichen Ebenen schwer zu erreichen sein. Ganz zu schweigen vom Teil der Gesellschaft, dem die Empathie dafür fehlt, der stattdessen eine neoliberale und rassistische Verwertungslogik verinnerlicht hat und jede Verschärfung des Asylrechts in Deutschland freudig zur Kenntnis nimmt.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.