Studentische Cancel Culture?

Zur Debatte um den Auflösungsantrag gegen den AK Antifa

von | veröffentlicht am 22.03 2022

Beitragsbild: Transit

Am 15. November 2021 beriet der Studierendenrat (StuRa) der Universität Halle über einen gemeinsam eingebrachten Antrag der Offenen Linken Liste, der Grünen Hochschulgruppe und der Juso-Hochschulgruppe zur Auflösung des StuRa-Arbeitskreises Antifaschismus (AK Antifa). Seitdem konnte man vor allem viele Solidaritätsbekundungen gegenüber dem AK Antifa sowie Kritik am Antrag der drei StuRa-Listen vernehmen. Eine Auseinandersetzung mit den Hintergründen des Auflösungsantrags blieb jedoch weitestgehend aus. Wenngleich die Einbringung des Antrags bereits ein paar Monate zurück liegt, hat das Thema an Aktualität doch nichts verloren. Über den Antrag wurde noch nicht abgestimmt und die Gründe für Kritik am AK Antifa bestehen nach wie vor.




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Am 15. November 2021 wurde dem Studierendenrat der Uni Halle zum zweiten Mal ein Antrag zur Auflösung des AK Antifa vorgelegt. Bereits im Frühjahr 2016 war vom StuRa eine Auflösung beantragt worden, unter Verweis auf die Ausschlussklausel von Dezember 2015, wonach Personen, die durch „rassistische, nationalistische, antisemitische, islamophobe, sexistische, homophobe oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung treten, von Veranstaltungen ausgeschlossen werden“. Anlass war damals eine Veranstaltung des AK Antifa vom 7. April 2016 mit dem Titel „Die Volkspartei des gesunden Menschenverstandes. Zum Erfolg der AfD“, auf deren Ankündigung und Inhalt unten näher eingegangen wird. Seit dem Bekanntwerden des zweiten Auflösungsantrags im Jahr 2021 schlug der Streit, trotz der letztlich nicht durchgeführten Umsetzung des Antrages, zwischen Teilen des Studierendenrates und dem AK Antifa weit über die Stadtgrenzen von Halle hinaus hohe Wellen. Eine lange Reihe von Personen und Initiativen, die von verschiedenen linken Gruppierungen und Veranstaltungskollektiven in und außerhalb Halles, über die Landespolitikerin Henriette Quade (Die LINKE) bis hin zum Rapper Koljah von der Antilopen Gang reichte, bekundete gegenüber dem AK auf unterschiedliche Art und Weise Solidarität. In der FAZ bezeichnete der Autor Thomas Thiel die Vorgänge als „Lehrstück in studentischer Cancel Culture“. Auffällig ist, dass innerhalb der Debatte Positionen vorherrschend sind, die vom AK Antifa oder dessen Anhänger*innen vertreten werden, während andere Perspektiven eher untergehen. Um dieser Schräglage etwas entgegenzusetzen, soll in diesem Artikel ein genauerer Blick auf unterschiedliche Punkte in der Debatte geworfen werden.

CN (Content Note):

In diesem Text wird teils gewaltvolle Sprache (trans*Feindlichkeit, Rassismus) reproduziert, die sich in den Originaldokumenten wiederfindet und hier zwecks Nachvollziehbarkeit zitiert wird.

Zu den im Auflösungantrag 2021 kritisierten Veranstaltungen des AK Antifa

In der Antragsbegründung der drei StuRa-Listen wird u.a. auf die Beschwerden über verschiedene Veranstaltungen des Arbeitskreises hingewiesen. In den dem Antrag angehängten Beschwerdemails wird der Fokus der Kritik am Arbeitskreis immer wieder mit zwei Veranstaltungen des AK Antifa in Verbindung gebracht: Der Vortrag vom 17. September 2021 mit dem Titel „Austreibung der Natur. Zur Queer- und Transideologie der Gegenwart“ mit Hannah Kassimi und Vojin Saša Vukadinović als Vortragenden sowie der Vortrag „Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Verwertung. Zum queertheoretischen Aktivismus“ vom 14. Oktober 2021.

Der Ankündigungstext der Veranstaltung zur „Queer- und Transideologie“ gibt bereits einen anschaulichen Vorgeschmack auf die Positionen, die von den Redner*innen vertreten werden: In der Einladung zur Veranstaltung wird unter anderem der Vorwurf erhoben, dass sich hinter queerfeministischer Kritik bisweilen die Etablierung eines Geschäftsmodells verberge. Queerfeminist*innen und trans*Personen werden einem Trend gleichgesetzt und ihnen werden antifeministische Absichten unterstellt, wonach „transaktivistische Forderung[en]“ mit „fatalen Folgen vorrangig für Frauen“ einhergingen. Denn im „Namen des „Fortschritts“ würden die feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte nun „Schritt für Schritt angegangen“ werden. Dass die Ankündgung ein eher intellektuell dürftiges Pamphlet mit wilden Themensprügen darstellt, wurde bereits an dieser Stelle verdeutlicht.

Im Veranstaltungstext des Vortrags vom 14. Oktober 2021 ist ein ähnlicher Ton zu vernehmen. Gegenüber Teilen der „Queerszene“ wird der Vorwurf erhoben, „Homophobie und Frauenfeindlichkeit“ zu propagieren. Dies träfe besonders auf diejenigen „politisch aktiven“ Personen zu, die sich „an der Queertheorie Judith Butlers orientiert“ hätten. Teilnehmende der Veranstaltung schilderten, dass die Redner*innen der ersten Veranstaltung ohne jegliche empirische Grundlage alle trans*Personen pauschal dem Queerfeminismus zuordneten und sich zudem ausdrücklich für eine fortgesetzte Pathologisierung von trans*Sein (wörtlich: „Transsexualität“) aussprachen. Auch auf der zweiten Veranstaltung wurde trans*Sein ausdrücklich als Erkrankung stigmatisiert: „Wer glaubt im falschen Körper geboren zu sein, leidet an einer psychischen Erkrankung“, so die Behauptung der Vortragenden.

Konkret beharrten die Redner*innen auf der Existenz einer biologisch objektiven Zweiteilung von Geschlechtlichkeit in Mann und Frau und bezeichneten trans*Identitäten als Resultate psychischer Störungen, die man nicht nur pathologisieren dürfe, sondern auch müsse.

Dabei bleibt anzumerken, dass selbst in einschlägigen Handbüchern diese Pathologisierung längst ad acta gelegt wurde. Auch zu Judith Butlers Buch „Gender Troubles“ wurde eine Verbindung gesehen; dies sei ein durch und durch antifeministischer Text, der letztlich einen „Exorzismus der Andersdenkenden“ betreibe und angebliche biologische Fakten negiere.

Auf die bei der ersten Veranstaltung gestellte Nachfrage, ob trans*Frauen sich in Frauenräumen aufhalten dürften, wurde geantwortet, sie würden sich wie „Wölfe im Schafspelz“ benehmen. Auf beiden Veranstaltungen äußerten anwesende trans*Personen, dass derartige Aussagen diskriminierend seien. Dieser Einwand wurde von den Veranstalter*innen mit der Begründung delegitimiert, dass dieser als reine „Betroffenenperspektive“ nicht objektiv sei. Auf kritische Nachfragen zu den vorgetragenen Inhalten wurde von Seiten der anderen Veranstaltungsbesucher*innen abwehrend und in Teilen sogar bedrohlich reagiert. Diskriminierung von trans*Menschen wird seit Jahren immer wieder von solidarischen Initiativen öffentlich gemacht. Der AK que(e)r_einsteigen, seit 2012 ebenfalls ein Arbeitskreis des StuRa, tritt immer wieder als eine der zentralen studentischen Gruppierungen zur Bekämpfung von unter anderem. Homo-, Queer-, Inter*- und Trans*feindlichkeit auf. Eine Stimme aus dem AK que(e)r_einsteigen berichtete gegenüber Transit von der Veranstaltung: Auf eine Nachfrage, ob es für die Behauptung der „Wölfe im Schafspelz“ stichhaltige Belege gäbe oder ob dies eher eine „stark gefühlte Wahrheit“ sei, habe es vonseiten der Vortragenden keine Antwort gegeben. Zudem sei eine Person aus dem Publikum auf die nachfragende Person zugegangen und habe „Was ist mit dir nicht richtig!“ gerufen.

Selbstverständlich ist es nicht die unmittelbare Verantwortung des AK Antifa, was Teilnehmende ihrer Veranstaltungen dort (bis zu einem gewissen Punkt) tun. Es zeigt jedoch, wer sich unter anderem von den Inhalten angezogen und sicher in diesem Umfeld fühlt. Außerdem zeigen die Berichte von der Veranstaltung, dass trans*Personen und Personen, die sich mit ihnen solidarisch zeigen, dort nicht gleichermaßen ernst genommen wurden.

Kritik an der Arbeit des AK Antifaschismus ist nichts Neues

Kritik an der Arbeit des AK Antifa ist nicht erst seit Herbst letzten Jahres zu hören. „Der Arbeitskreis Antifa ist bereits mehrfach in der Region für seine Arbeit kritisiert worden. Seit Jahren organisiert er Vorträge, welche rassistisch, sexistisch, ableistisch, islamfeindlich, und seit neuestem auch trans*feindlich sind“, so die Person aus dem AK que(e)r_einsteigen weiter. Auch auf dem letztjährigen CSD seien Schilder aufgetaucht, die entsprechende Inhalte transportierten. Mitglieder des AK Antifa hätten bei der Demonstration Schilder mit Aufschriften wie „Suck your own lady dick“, „Kopftuchverbot für Kinder“ und „LGB´s for Israel“, auf dem der Zusatz „TQIA+“ absichtlich weggelassen worden sei, gehalten. Auf einem großen Banner habe zudem „Sexkauf verbieten Nordisches Modell JETZT“ gestanden. Dies sei als klarer Angriff gegen die „Selbstbestimmung von Sexarbeitenden auf einer queeren Veranstaltung“ zu werten, „obwohl gerade trans*Sexarbeitende dafür verantwortlich sind, dass der CSD überhaupt existiert“. Mitglieder des AK Antifa, die daraufhin von den Veranstaltenden aufgefordert wurden, den CSD zu verlassen, hätten sich „mit Sprüchen wie ‚Wir bleiben, ihr könnt ja gehen‘“ geweigert.

Der AK Antifa und der Islam

Ein weiterer Kritikpunkt, der jedoch im Auflösungsantrag der Offenen Linken Liste, der Grünen Hochschulgruppe und der Juso-Hochschulgruppe nicht erwähnt wird, ist das Verhältnis des AK Antifa zum Islam. So fand beispielsweise am 7. April 2016 in Räumlichkeiten der Uni Halle die AK-Veranstaltung „Die Volkspartei des gesunden Menschenverstandes. Zum Erfolg der AfD“ mit David Schneider als Referent statt. Diese war der Anlass für den ersten Auflösungsantrag, der eine Woche später gestellt wurde. Im Ankündigungstext hieß es, dass gerade wegen einer „genauso planlosen wie stimmungsabhängigen Integrationspolitik und eines parteiübergreifenden Kulturrelativismus“ übersehen werde, dass von den „jährlich Hunderttausenden, die aus islamischen Ländern hierherkommen, etliche als personeller Nachschub für die islamischen Parallelgesellschaften“ fungierten. Eine „Aversion gegen die AfD“ sei zwar berechtigt, führe aber letztlich nur dazu, „dass zur weitaus größeren Bedrohung durch den Islam geschwiegen oder antirassistisch rumgeeiert“ würde. Dies sei nicht anders zu erklären denn als „Aufklärungsverrat“. Laut der Stellungnahme des StuRa zum Beschluss eines Auflösungsantrages von 2016 habe der Referent u.a. den Islam als die „dümmste aller Religionen“ bezeichnet und den Befund gestellt, Geflüchtete aus „islamischen Ländern“ seien eine schlimmere Gefahr für die Aufklärung als die AfD. Die hier zu beobachtende Gleichsetzung, beziehungsweise fehlende Differenzierung von Islam und Islamismus ist ein Motiv, dass sich auch in anderen Texten (siehe „Der ignorierte Antisemitismus – Zum Stand der Judenfeindschaft in Deutschland“) des Arbeitskreises wiederfindet.

Muslim*innen werden in dessen Rhetorik kategorisch zu antisemitischen, potenziell gewaltbereiten Fundamentalist*innen erklärt, eine Differenzierung findet nicht statt.

Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass es mitunter eben jener islamistische Terror ist, der die Geflüchteten zum Verlassen ihrer Herkunftsländer nötigt.

Auch in Bezug auf Antisemitismus greift der Arbeitskreis offenbar häufiger auf islamfeindliche und rassistische Narrative zurück. Der Arbeitskreis sieht muslimische Gruppen als die Haupttragenden des Antisemitismus in Deutschland; eine nicht haltbare Behauptung, schaut man auf die Zahlen, die die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus dazu veröffentlicht hat. Dem Jahresbericht der RIAS für 2020 ist zu entnehmen, dass im gesamten Bundesgebiet die Zahlen für rechtsextrem motivierten Antisemitismus weitaus höher seien, als die für „islamisch“ bzw. „islamistisch“ motivierten Antisemitismus. 2018 kam man bei einer Konferenz der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus zu der Empfehlung, Antisemitismus in Diskurs und Gegenengagement als gesamtgesellschaftliches Phänomen zu betrachten anstatt dabei nur auf religiöse Minderheiten und Migrant*innen zu schauen.

Trotz gegenteiliger empirischer Befunde betont der AK, dass Antisemitismus vor allem von Muslim*innen ausgehe. Dies zeigt sich auch in ihrem Beitrag „Der ignorierte Antisemitismus – Zum Stand der Judenfeindschaft in Deutschland“ vom 9 Oktober 2021. Dort rechnet der AK den Halle-Attentäter unter die Kategorie der Einzeltäter – er sei eine „einsame Elendsgestalt“, der der Anschlag zur „Abfuhr individueller Frustration“ diene. Gleichzeitig wird in dem Beitrag betont, dass die größere Gefahr für Jüdinnen*Juden von Muslim*innen ausgehe. Der Halle-Attentäter sei zwar durchaus „Antisemit, Rassist und Frauenhasser“ gewesen, man dürfe darüber aber nicht vergessen, dass trotz einer ernsten „Bedrohung durch neonazistische „Lone Wolves“ oder rechte Terrorzellen im Einzelnen“ es vor allem die „Anhänger des Propheten Mohammeds“ seien, die Jüdinnen*Juden drangsalierten. Abgesehen von dieser These der individuell handelnden „Lone Wolves“ wird ein vor allem in konservativen und rechten Kreisen beliebtes Vorurteil kolportiert, wonach muslimische Gruppen die wahren Judenhasser in Deutschland seien, deren „Vernichtungswille stärker als sonst irgendwo zum Ausdruck komme“. Dies ist nicht nur eine erneute Gleichsetzung von Islam mit Islamismus, sondern auch eine Nichtbeachtung der Erkenntnisse aus der empirischen Antisemitismus-Forschung sowie eine unverständliche Ignoranzhaltung gegenüber organisiertem rechten Terror. Zudem werden dabei die Forderungen der Betroffenen (siehe bspw. hier), etwa die Verstrickung rechter Netzwerke und staatlicher Organe aufzuklären, nicht thematisiert.

Der Vorwurf im Auflösungsantrag von 2016, der AK Antifa vertrete problematische Positionen zu Islam und Muslim*innen, ist also nicht unbegründet. Es gilt zu hoffen, dass in der aktuellen Verständigung eine Reflexion dieser Darstellungen stattfindet, sollte der Arbeitskreis weiterhin Fördermittel der Studierendenschaft in Anspruch nehmen wollen. Die Erfahrungen in Folge des letzten Auflösungsantrags stimmen jedoch wenig hoffnungsvoll.

Der AK Antifa – Ein Opfer von Cancel Culture?

Der in der StuRa-Sitzung vom 15. November 2021 eingebrachte Antrag, dem AK Antifa Gelder des STuRa zu verwehren, wurde letztlich nicht abgestimmt, da eine Mediationsrunde nach §10 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Studierendenrates von der am Konflikt unbeteiligten Hochschulgruppe Eure Liste gefordert und schließlich auch einberufen wurde. Seitdem wurde nicht wieder öffentlich über den Antrag beraten.

Trotz seiner letztlichen Nichtumsetzung schlug der Auflösungsantrag hohe Wellen. Neben der bereits oben erwähnten Vielzahl an Solidaritätsbekundungen gegenüber dem Arbeitskreis bestimmten diverse Interviews und Statements, in denen der AK Antifa seine Perspektive darlegte, die Debatte. Der Antrag sei, so Amelie Winock, Sprecherin des AK Antifa, in einem Interview mit der Jungen Welt, ein weiterer Schritt, „die Meinungsfreiheit im Namen eines zur Ideologie erstarrten Genderaktivismus einzuschränken“. In einem weiteren Interview mit der Jungle World verwies das AK Antifa-Mitglied Raik, ebenso wie Winock, zudem auf den Fall der britischen Philosophie-Professorin Kathleen Stock, die sich nach massiven Protesten von Queerfeminist*innen und trans*Aktivist*innen zum Rücktritt von ihrer Professur entschlossen hatte. Dieser Vergleich wird auch in dem bereits oben erwähnten Artikel der FAZ „Missbrauchtes Gefühl – Studentische Cancel Culture: An der Universität Halle soll der Arbeitskreis Antifaschismus wegen Transfeindlichkeit verboten werden“ zitiert.

Wie in diesem Artikel zu lesen, hatte sich Kathleen Stock, begleitet von Ausfällen gegenüber trans*Personen, in mehreren Artikeln für das Beibehalten der binären Geschlechterordnung ausgesprochen und das Geschlecht an eine biologische Voraussetzung gekoppelt, die eine klare Einteilung von Geschlechteridentitäten nach dem Muster Frau/Mann notwendig nach sich ziehe. Gerade in der deutschen Presselandschaft sei der Fokus v.a. auf das aggressive Auftreten der trans*Aktivist*innen und Queerfeminist*innen gelegt worden, ohne dabei Stocks eigene trans*feindliche Äußerungen auf Social Media näher zu thematisieren. Der Auflösungantrag gegen den AK Antifa steht jedoch nicht bloß auf der Ebene des Vorwurfs der studentischen Cancle Culture in einem Zusammenhang mit dem Fall Kathleen Stock. Es ist fraglich, ob nicht aufgrund persönlicher, mitunter wirtschaftlicher Beziehungen – Vukadinović hat Stocks jüngstes Buch übersetzt – zwei unterschiedliche Fälle unter dem Cancel Culture-Vorwurf zusammengelegt und skandalisiert werden. Der Horizont der halleschen Debatte wächst somit beträchtlich, während die konkreten Vorwürfe der trans*Feindlichkeit gar nicht diskutiert werden.

Was eine Auflösung bedeuten würde

Auf den Vorwurf, die drei Listen würden mit ihrem „Verbotsantrag objektiv Anti-Antifa-Arbeit betreiben“, entgegnete Felix (Mitglied der Offenen Linken Liste) in einem Interview mit Radio Corax, dass es falsch sei, überhaupt von einem Verbot zu sprechen.

Laut Felix würde der Arbeitskreis nicht davon abgehalten werden, sich weiter zu engagieren – auch nicht in seiner jetzigen Zusammensetzung – lediglich sein Status als Arbeitskreis des Studierendenrates würde ihm entzogen werden.

Dies bedeutet aber keineswegs, dass seine zukünftigen Projekte und Veranstaltungen generell nicht mehr finanziert würden. Stattdessen ändere sich nur die Art der Finanzierung: statt eines festen Haushaltspostens und der freien Verfügung über diesen durch den Arbeitskreis, würden Finanzanträge dann erst im Plenum abgestimmt werden. Dem schloss sich auch die Juso-Hochschulgruppe an. Es solle keineswegs ein Verbot der Arbeit des AK Antifa erreicht werden. Nur die direkte Verflechtung dessen mit der verfassten Studierendenschaft solle beendet werden. Als Begründung hierfür führte die Juso-Hochschulgruppe gegenüber Transit an, dass mit dem Status als Arbeitskreis des Studierendenrates auch gewisse Pflichten einhergingen, wie etwa „die Pflicht, für jedes Mitglied der Studierendenschaft offen zu sein, dem StuRa beratend zur Seite zu stehen, oder der Pflicht, nach außen als Teil der Studierendenschaft aufzutreten“. An dieser Stelle wird die Hauptkritik am AK Antifa formuliert, dass der AK sich eher als „eigenständiges Organ, ein Organ, was aber dennoch die Vorzüge seiner Stellung in Anspruch nehmen will“, verstehe. Zum Beispiel müssen nach den Regularien des StuRa Veranstaltungen, „die von diesem zum Teil oder ganz gefördert werden, der Hochschulöffentlichkeit zugänglich sein“. Für die einzelnen Arbeitskreise bedeute das, „dass jedes Mitglied der Studierendenschaft ohne Hürde mitarbeiten können muss“, während beim AK Antifa eine Mitarbeit „erst nach einer Wartefrist und interner Konsultation ermöglicht wird“, bei der in der Vergangenheit auch schon Interessent*innen aufgrund von „falschen Überzeugungen“ abgelehnt worden seien.

In der öffentlichen Auseinandersetzung sei zudem häufig der Vorwurf zu vernehmen, dass die Auflösungsmaßnahme in Form des Antrags zu unvermittelt kommen würde. Laut Felix habe es vor, zwischen und nach den Veranstaltungen im Herbst 2021 jedoch mehrere Gesprächsversuche gegeben, in denen der AK Antifa aber nicht dialogbereit gewesen sei, sondern vielmehr auf seinen vertretenen Inhalten beharrt habe. Der Arbeitskreis Antifa beruft sich unterdessen, unter anderem in seinem Interview mit der Jungen Welt, auf die Notwendigkeit einer Debatte zwischen verschiedenen feministischen Strömungen. Dass es Raum für diesen Diskurs geben müsse, wurde laut Felix auch seitens des StuRas nie bestritten: Es gehe eben nicht um „Queerfeminismus gegen materialistischen Feminismus“ – dieser Vorwurf des AK Antifas sei nur eine Art Strohpuppenargument – das Problem bestehe vielmehr darin, „dass konkret Menschen diskriminiert werden, dass der AK sich weigert das einzusehen, dass es faktisch falsch und diskriminierend ist“[1]. So könne mit einem Arbeitskreis des Studierendenrates nicht gearbeitet werden.

Mit dem Verweis auf die Debatte zwischen radikal- und queerfeministischen Strömungen wälzt der AK Antifa die konkreten Probleme, die die Antragsstellenden mit ihm haben, auf die theoretische Ebene ab. Er positioniert sich als Repräsentant der einen Positionen und schreibt die andere seinen Kritiker*innen zu. Die Debatte um die oben genannten tatsächlichen Hintergründe des Antrags gerät dabei ins Hintertreffen. Der Raum für eine nuancierte Auseinandersetzung über feministische Positionen, wie der AK ihn in seinen Selbstdarstellungen zu fördern und fordern behauptet, wird damit bestimmt nicht leichter zu öffnen. Die bestenfalls polemisch gemeinten Aussagen erreichen vielmehr das Gegenteil.

So berichtete eine Stimme des Arbeitskreises que(e)r_einsteigen gegenüber Radio Corax, dass zwischen der ersten und zweiten Veranstaltung ein Mitglied des AK Antifa unter einem Facebook Post vom AK que(e)r_einsteigen den Link zu einem Blog geteilt habe, in dem davon die Rede ist, dass der AK que(e)r_einsteigen und Radio Corax „zum #TransTaliban“ mutiert seien. Diese Aussage sei „nicht nur extrem rassistisch, islamfeindlich und trans*feindlich“, sondern stelle ebenfalls „Hetze gegen den AK que(e)r_einsteigen dar, da er mit einer Terrororganisation verglichen“ werde.

Drohungen statt Diskurs

Doch der Radiobeitrag des AK que(e)r_einsteigen auf Radio Corax beschäftigte sich nicht nur mit dem Inhalt des Streits, sondern auch mit der Art und Weise, wie dieser geführt wird. Felix berichtete von Drohungen in Privatmails, Privatadressen zu veröffentlichen, was insbesondere vor dem Hintergrund der Gefahr des Missbrauchs solcher sensiblen Informationen durch rechte Akteur*innen als äußerst problematisch zu sehen ist. Auch auf Social Media finden sich einige Drohungen gegenüber den StuRa-Listen oder einzelner Mitglieder: Auf Instagram forderte der Nutzer „stalopapi“, endlich das Gendern zu verbieten, und drohte den Vertreter*innen dieser „postmodernen Sekte“, es sei „langsam Zeit zu jagen“. Die Anklänge an Alexander Gaulands berüchtigte Ankündigung nach der vorletzten Bundestagswahl 2017 sind unüberhörbar. In einem weiteren Post drohte der User gegen die Grüne Hochschulgruppe und die OLLI: „Hochverrat wird mit dem Tode bestraft“[2].

Es geht noch weiter: Memes mit den Gesichtern einzelner StuRa-Mitglieder oder sogar Fahndungsplakate über diese kursierten. Personen, die sich in Bezug auf den AK Antifa kritisch äußerten, wurden im Internet persönlich attackiert. Eine Person, die von Radio Corax anonym zu den Vorgängen interviewt worden war, berichtete gegenüber Transit, von ihr seien in den Kommentaren unter einem Facebook-Post des AK Antifa vom 15. November 2021 von einem User namens „Michel Schönschrift“ deadname-Klarname und diverse vermeintliche Mitgliedschaften bei linken Organisationen gezielt offengelegt worden. Zudem habe sich der Nutzer darüber mokiert, dass die genannte Person früher niemals ihre trans*Identität zum Thema gemacht habe und daher überhaupt nicht wirklich als Betroffene angesehen werden dürfe. Im Gegenteil sei die Person nichts weiter als „ein wichtiger Beleg“ für die Leute, die dem AK Antifa „Transfeindlichkeit vorwerfen“ wollen. Der AK hat diesen Kommentar erst nach mehrmaliger Aufforderung gelöscht [3].

Das sogenannte Deadnaming ist eine weit verbreitete Praxis, kritische Stimmen in einer Debatte gewaltsam zu unterdrücken.

Durch Nennung des nicht mehr verwendeten Namens (Deadname) einer trans*Person, die sich in einer Debatte kritisch zu Wort gemeldet hatte, wird erstens die geschlechtliche Selbstbestimmung einer sich äußernden Person untergraben. Zweitens wird das kritische Argument der betroffenen Person abgewertet, in diesem Fall mit der Behauptung, die Person habe sich ihre eigene Betroffenheit nur ausgedacht, um dem AK Antifa schlechte Publicity unterzuschieben.

Der Arbeitskreis Antifaschismus distanzierte sich in seinem Statement „Zu den Solidarisierungen“ und auf seinem Instagram-Profil von den Drohungen, bietet ihnen in seinen Kommentarspalten gleichzeitig aber auch weiterhin eine Plattform. Der kritikwürdige Ton der Debatte sowie der Vorwurf der „Anti-Antifa-Arbeit“ setzen sich unter den Social Media Beiträgen der drei Hochschullisten fort. Unter dem Facebook-Post der Juso-Hochschulgruppe zur Ankündigung des Auflösungsantrages vom 10. November 2021 ereiferte sich der User „Karl Schmidt, die Jusos seien die „lächerlichen, autoritären AntiAntifa Snowflakes“. Ein anderer Nutzer schob nach: „Die Noske-Jugend und die Ökoflaggelanten betreiben Hand in Hand die Arbeit der Faschisten, denn Tradition verpflichtet“.

Die fehlende Kritik an den vertretenen Inhalten des AK Antifa, der problematische Ton der „Debatte“ (die als solche so daher kaum noch bezeichnet werden kann), sowie die Auswirkungen auf verschiedene von ihr betroffene Akteure lassen Fragen zur Strategie der Debattenführung aufkommen, die im Diskurs bislang zu wenig oder gar nicht behandelt wurden. Diese Drohungen gehen nicht auf das Konto des AK Antifa und gleichzeitig stellt sich die Frage, weshalb dieses shitposting und doxxing auf den Seiten des AK beinahe kommentarlos passieren kann.

Zur Strategie des AK Antifa

Die Vielzahl der überregionalen Solidaritätsbekundungen und die Präsenz der Perspektive des Arbeitskreises in verschiedenen bekannten Medien zeigen, dass die Perspektive des AK Antifa im Diskurs über den Auflösungsantrag stark überrepräsentiert ist. Welche Beobachtungen lassen sich daher über ihr strategisches Vorgehen treffen? Welche Wirkmacht hat der auch in dieser Auseinandersetzung oft getätigte Vorwurf der Cancel Culture?

„Man will uns mundtot machen“, sagt der AK Antifa; oder auch, dass versucht werde „die Strukturen, die man als Gegner ausgemacht hat, einzuschüchtern und zu zerstören“. Doch in der Debatte um den Auflösungsantrag treten Teile des AK Antifa öffentlichkeitswirksam auf, und werden zudem in mehreren, auch überregionalen Medien gehört und interviewt. Das Umfeld des AK Antifa verfährt mit einer Praxis, in den sozialen Netzwerken Menschen einzuschüchtern und zu bedrohen oder diese Drohungen zumindest in Teilen zu tolerieren. Zwar hat sich der Arbeitskreis – wie bereits oben ausgeführt – von einigen dieser menschenfeindlichen Äußerungen oder Vorwürfe distanziert, jedoch erst nach einiger Zeit und mehrmaliger Aufforderung. Gleichzeitig ist aber gerade von der Seite des AK Antifas und seinen Sympathisant*innen her der Vorwurf der Cancel Culture zu vernehmen. Dieser scheint hier folglich, wie so oft, als Kampfbegriff herhalten zu müssen, der Kritik abwehrt und eine Opferinszenierung ermöglicht. Die inhaltliche Kritik am AK Antifa kann dadurch ignoriert und diskriminierende Äußerungen unter dem Deckmantel des „politischen Diskurses“ weiter getätigt werden. Aber auch in politischen Diskursen gibt es Fakten und moralische Linien, die nicht jedes mal neu debattiert werden sollten. Bei einer Debatte mit einer zugrunde liegenden, diskriminierenden Prämisse kann kaum ein progressives und nicht diskriminierendes Ergebnis heraus kommen.
Dabei ist es gerade der AK Antifa, der davon spricht, dass es „eine besonders autoritäre Abwehr von Kritik. Mehr noch: Von Auseinandersetzung, Diskussion und denken überhaupt“ wäre. Indem er jedoch bei der Kritik an sich direkt von „Cancel Culture“ spricht, lässt er eine Debatte von vornherein nicht zu, delegitimiert jegliche Argumente und muss sich damit auf keiner tieferen inhaltlichen Ebene mit der Kritik auseinander setzen.

Ein weiteres Beispiel für die Art der Debattenführung findet sich mit einem Blick auf eine Veröffentlichung der Bonjour Tristesse und des offenen Antifa Plenums Halle, zwei Gruppen die in der Vergangenheit mit dem AK Antifa zusammenarbeiteten, als Antwort auf den Auflösungsantrag. Im Auflösungsantrag der Hochschulgruppen heißt es,

innerlinke Solidarität „endet ganz klar dort, wo gewisse rote Linien überschritten werden, wie das etwa zweifellos der Fall ist, wenn das Existenzrecht Israels oder das Recht auf Selbstbestimmung in Bezug auf Sexualität, Reproduktion oder Geschlechtsidentität in Frage oder gar Abrede gestellt wird“.

Das Offene Antifa Plenum schreibt dazu in einem Beitrag vom 12.11.2021 auf Facebook:

„Doch diese vermeintliche „rote Linie“ erscheint ziemlich krumm, wenn sie Vernichtungswünsche gegen Israel und die Diskussion über Queertheorie in einem Atemzug nennt. Es erweckt den Eindruck, als wolle man die Repräsentanten der Community als „die neuen Juden“ stilisieren“.

Die Bonjour Tristesse formuliert es so:

„Fest steht allerdings, dass die Kritik an der Queertheorie mit dem auf Vernichtung zielenden Kampf gegen den Staat der Überlebenden des Holocaust gleichgesetzt wird. Oder kaum zugespitzt: Transpersonen sind die Juden von heute. […] (Sie) betreiben damit nichts anderes als eine Holocaustrelativierung light.“

Während der AK Antifa sich also selbst in der Opferrolle sieht und Kritiker*innen starre Ideologie und den Versuch den Arbeitskreis „mundtot“ machen zu wollen vorwirft, lässt er diese haltlosen und üblen Vorwürfe unkommentiert stehen und sieht sich selbst als Ziel einer angeblichen „Cancel Culture“, dem Räume zur Debatte entzogen werden. Was der hier so unbegründete und schwerwiegende Vorwurf der Holocaustrelativierung „light“ noch mit einer Debatte zu tun haben soll, ist fragwürdig. Offenheit für einen lösungsorientierten politischen Diskurs signalisiert eine solche Unterstellung eindeutig nicht. Das scheint den AK in diesem Fall allerdings nicht zu stören. Er hat diese Zeilen nicht geschrieben, eine Distanzierung davon bleibt bislang jedoch aus.

Der AK Antifa und die Sprache

Die Veröffentlichungen des Arbeitskreises sind für Außenstehende meist schwierig nachzuvollziehen, da der AK argumentativ mit Ablenkungsmanövern und Fehlschlüssen agiert. Ein Beispiel dazu: Im Ankündigungstext zu der Vortragsreihe über „Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Verwertung. Zum queertheoretischen Aktivismus“ wird ausgeführt, dass „trotz dieses vergleichsweise geringen Anteils an der Bevölkerung […] Trans- und Intersexualität eine große öffentliche Aufmerksamkeit entgegengebracht“ werde. In Bezug auf die Bekämpfung der Diskriminierung von trans*Personen seien zudem „große gesellschaftliche Erfolge“ erzielt worden, etwa mit der Änderung des Personenstandsgesetzes von 2018. Diese Diagnose wird nun mit folgendem Satz verbunden:

„Bei der Unterstützung der – vollkommen richtigen – Forderung nach dem Ende der Diskriminierung wird jedoch oft übersehen, dass sich in der Queerszene der letzten Jahre Homophobie und Frauenfeindlichkeit ausgebreitet haben.“

Auffällig ist, dass weder die Zahlen zum Anteil von trans*Menschen an der Bevölkerung noch die angeblich hohe mediale Aufmerksamkeit mit Quellen belegt werden. Offenbar wird hier also behauptet, diese Deutungen seien allgemein anerkannt und müssten nicht näher erläutert werden. Aus diesen beiden Aussagen wird abgeleitet, dass man vor lauter Diskriminierungsbekämpfung nicht aus den Augen lassen sollte, dass sich in queeren Communities Homophobie und Frauenfeindlichkeit ausbreiteten. Auch das wird nicht weiter erklärt, geschweige denn belegt. Einzig eindrücklich visualisiert wird dieser Kommentar mit einem Bild, auf dem eine Siegerpose der trans* Mixed Martial Arts-Kämpferin Alana McLaughlin mit einem T-Shirt mit Aufdruck „END TRANS GENOCIDE“ gegen eine offenbar als cis-Frau positionierte Person zu sehen ist.

Das Bild soll einen „Vorteil“ von trans*Frauen im Sport gegenüber cis-Frauen darstellen. Damit reiht es sich in eine kurze Aufzählung im Ankündigungstext ein, in dem Errungenschaften im Kampf für die Rechte von trans*- und inter*Personen skizziert werden. Was soll dieses Bild also im Kontext des Textes aussagen? Trans*Frauen würden gar nicht mehr zu einer so diskriminierten Minderheit gehören, hätten sowieso schon eine große mediale Aufmerksamkeit und zusätzlich noch Privilegien die sie nutzen würden, um cis-Frauen auszustechen? Der Text verschafft keine genaue Klarheit darüber was mit dem gewählten Bild konkret ausgesagt werden soll, bietet aber mindestens Spielraum für diese Interpretation. Zusätzlich wird auch nicht auf die Aufschrift des T-Shirts eingegangen, die immerhin die Morde an trans*Personen thematisiert. Im Jahr 2021 wurden davon laut Trans Murder Monitoring 375 gezählt – die höchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen und eine Zahl, die dem Report zufolge lange nicht alle tatsächlichen Fälle abdecken könne, da viele beispielsweise aufgrund von fehlenden Meldestrukturen unentdeckt blieben. In Deutschland wurden 2020 insgesamt 204 transphob motivierte Straftaten, davon 40 Gewaltdelikte erfasst. Der AK Antifa spricht währenddessen von „große[n] gesellschaftliche[n] Erfolge[n]“, scheinbar als Folge einer „große[n] öffentliche[n] Aufmerksamkeit“. Wie groß besagte Aufmerksamkeit tatsächlich ist und woran der AK Antifa diese Einschätzung fest macht, wird nicht erklärt. Im Spiegel der oben nur kurz skizzierten aktuellen Situation von trans*Personen stellt sich außerdem die Frage, ob der AK Antifa nicht ein verzerrtes und verhamlosendes Bild zeichnet. Ein Bild das suggeriert, so eine große Diskriminierung gäbe es wohl inzwischen nicht mehr. Das erscheint mit einem Blick auf die Zahlen jedoch mehr als fragwürdig.

Gleichzeitig finden sich in den Beiträgen des AK Antifa häufig sogenannte „Ankersätze“, auf die sich der Arbeitskreis strategisch zurückbesinnen kann, um die ihm entgegengebrachten Vorwürfe zu delegitimieren

Unter dem Motto: ‚Wir können nicht trans*feindlich sein, weil wir noch nie trans*Personen diskriminiert haben und weil wir doch gesagt haben, dass die Diskriminierung aufzuhören hat‘.

Dass sein Agieren sehr wohl von konkreten Personen als trans*feindlich gelesen wird, wird mit derartigen Symbolsätzen als unmöglich dargestellt. Gerade eine solche Argumentation wird von Anhängern des AK Antifa aufgerufen, wenn sie trans*Personen auf Facebook beschuldigen, sich ihre Betroffenenperspektive nur ausgedacht zu haben. Kritik wird letztlich mit dem Argument abgewehrt, dass der AK Antifa nicht diskriminiere, weil er nicht diskriminiere. Er schreibt dazu:

„Der AK Antifa und seine Referenten haben nie Trans- und Interpersonen diskriminiert. Im Gegenteil, sie haben klar und deutlich gemacht, dass die teilweise weiterhin bestehende Diskriminierung aufzuhören hat. Das wird bereits im Ankündigungstext der AK-Antifa-Veranstaltung deutlich, wo ganz explizit von der ‚vollkommen richtigen‘ Forderung nach dem ‚Ende der Diskriminierung‘ gesprochen wird.“

Welche Schlussfolgerungen können gezogen werden?

Ein Großteil der an der Debatte um den Auflösungsantrag beteiligten Gruppen und Personen wiederholt also unhinterfragt die Positionen des Arbeitskreis Antifaschismus. Die im Netz geäußerte Solidarität mit dem AK Antifa nimmt allzu häufig in Kauf, dass trans*Menschen und Queerfeminist*innen nun als die quasi-rechten Nestbeschmutzer*innen im linken Spektrum auftreten. Solidarität mit trans*Menschen gilt auch Thomas Thiel im oben erwähnten Artikel in der FAZ nur als „Willkürjustiz“. Der AK Antifa hat, unter anderem durch Diskriminierung von Muslim*innen und trans*Menschen, sowie die Relativierung rechter Gewalt, einen wirkmächtigen Diskurs wiederholt und verstetigt, in dem Frau-Sein bzw. der Status als vom Patriarchat Unterdrückte*r auf biologische Geschlechtermerkmale heruntergekocht und die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten als Bedrohung linker politischer Arbeit imaginiert wird.

Natürlich kann und sollte man den Queerfeminismus kritisieren und auf Probleme in queerfeministischer Theorie hinweisen dürfen; eine Sichtweise, die nicht zuletzt auch von Judith Butler immer wieder gefordert wurde [4]. Eine Pathologisierung von genderqueeren Menschen und Identitäten ist jedoch weder „objektiv“, noch hat es etwas mit einer kritischen Auseinandersetzung zu tun. Gerade das Argument, Kritik an der Verfahrensweise des Arbeitskreises sei Cancel Culture, ist in diesem Kontext besonders schwerwiegend. Denn es ignoriert die Praktiken, die der AK Antifa selber oder seine Anhänger*innen anwenden, um ihrerseits politischen Gegner*innen das Recht zu entziehen, sich zum vorliegenden Sachverhalt zu äußern.

Der Auflösungsantrag hatte laut den Antragsteller*innen durchaus nicht zum Ziel, den Arbeitskreis mundtot zu machen oder eine Debattenkultur zu verunmöglichen. Der Antrag stellte vielmehr einen weiteren Schritt in einem längeren Prozess dar, die diskriminierenden Positionen des AK Antifa nicht unwidersprochen zu lassen und aus ihnen Konsequenzen zu ziehen. Der Arbeitskreis ist, wie im Text gezeigt wurde, in der Vergangenheit immer wieder als Sprachrohr trans*feindlicher und antimuslimischen Rassismus bedienender Positionen aufgetreten. Diese Positionen passen nicht nur nicht zu den grundlegenden Werten eines Arbeitskreises des StuRa, sondern sind auch im Kontext des namensgebenden Konzepts „Antifaschismus“ fraglich.


[1] Anm. d. Red.: In dem Interview wird nicht gesagt, dass diese Drohungen von dem Arbeitskreis Antifaschismus stammen.

[2] Screenshots liegen vor.

[3] Screenshots liegen vor.

[4] Judith Butler: Was ist Kritik?, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie (50) 2002, S. 249-265.