Stadtrat gegen „Hasi“ – Soziokulturelles Zentrum vor dem Aus

Verkauf der Hasi an den Betreiberverein vorerst gescheitert – Kritik vor allem an der SPD

von | veröffentlicht am 07.03 2018

Beitragsbild: Transit

Nachdem sich der hallesche Stadtrat gegen den Verkauf der Hafenstraße 7 an den Betreiberverein des soziokulturellen Zentrums entschieden hat, scheint das Aus für die „Hasi“ besiegelt. Dabei ist die Diskussion um das Projekt längst nicht abgeschlossen. Während die Aktivist*innen ankündigen weitermachen zu wollen, ist eine Debatte über die Argumente entflammt, die zur Ablehnung des Projektes am derzeitigen Standort geführt haben. Die Kritik richtet sich vor allem gegen die SPD-Fraktion – auch aus den eigenen Reihen der Partei.




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„Wir lassen es nicht zu, dass die Stadt Halle durch die ‚Identitäre Bewegung‘ und ihre menschenverachtende Ideologie vereinnahmt wird. An der Seite all jener, die sich dem ebenfalls gewaltfrei widersetzen, rufen wir dazu auf, Toleranz, Weltoffenheit und Humanismus als Werte hochzuhalten und sich im friedlichen Protest gegen das Haus zu vernetzen, zu unterstützen und miteinander zu solidarisieren.“ So beschloss es am 28. Februar der hallesche Stadtrat. Doch die bekundete Solidarität währte nicht lange. Nur wenig später stimmte eine klare Mehrheit des Rates gegen die Unterstützung des soziokulturellen Zentrums „Hasi“ in der Hafenstraße 7. Die nötige Kraft, um „Toleranz, Weltoffenheit und Humanismus als Werte hochzuhalten“, war der Mehrzahl der Stadträt*innen schnell wieder ausgegangen.

Zuvor hatte die CDU/FDP-Fraktion beide Abstimmungen miteinander in Verbindung gebracht, wollte sie doch in die Erklärung einen Passus einfügen, der auf eine Gleichsetzung von Hasi und Identitärer Bewegung hinauslief. Der Rat folgte diesem Wortlaut zwar bei der Verabschiedung der Erklärung nicht, machte sich mit dem Angriff auf das linke Hausprojekt allerdings durch die Inkaufnahme eines Scheiterns des Hasi-Rettungsantrages gemein. Im faktischen Ergebnis beherbergt die Stadt ein Zentrum der rechten Identitären Bewegung, während es der Stadtrat entgegen aller Willensbekundungen verpasst hat, einem bedeutenden soziokulturellen Akteur den Rücken zu stärken.

Und wieder kneift die SPD-Fraktion

Ausschlaggebend waren einmal mehr die halleschen SPD-Stadträt*innen. Wieder hatte die Fraktion im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen bis zur Abstimmung alle im Unklaren über ihr Abstimmungsverhalten gelassen. Wieder hatte sie Hoffnungen geweckt, dass es diesmal vielleicht doch eine Mehrheit für die „Hasi“ geben könnte. Und wieder hatte sie alle Hoffnungen enttäuscht. Auch die der eigenen Parteijugend, der Jusos Halle, die sich entsprechend bei Facebook äußerte: „Die SPD-Stadtratsfraktion kann sich nicht als einzige Fraktion an Sachargumenten festhalten und behaupten aus Verantwortung gehandelt zu haben. Denn auch die Fraktionen [Die Linke, Mitbürger/Neues Forum, B‘90/Grüne; Anm. d. Red.], die sich für einen Verbleib der Hasi aussprachen, haben mit ihrer Entscheidung politische Verantwortung übernommen“, heißt es da im klaren Widerspruch zu den eigenen Rät*innen.

Die Grüne Jugend Halle warf den Sozialdemokrat*innen gar Wortbruch vor. Die SPD-Fraktion habe zuvor signalisiert, das Projekt unterstützen zu wollen. Für eine „differenziertere Beurteilung“ des eigenen Abstimmungsverhalten warb hingegen SPD-Stadtrat Eric Eigendorf. Er verwies in einem Facebook-Kommentar auf eine kurz nach dem Votum veröffentlichte Erklärung der SPD-Fraktion. Dort heißt es: „In Abwägung aller Argumente konnte die SPD-Fraktion dem Verkauf nicht zustimmen. Uns fehlten konkrete Aussagen zu den finanziellen und haftungsrechtlichen Konsequenzen eines Verkaufs, zum Umgang mit der Kontamination des Grundstücks und den damit verbundenen umwelt- und gesundheitlichen Risiken sowie dazu, wie das konfliktbeladene Verhältnis zwischen den Nutzern der ‚HaSi‘ und den Teilen der Anwohnerschaft befriedet werden solle. Wir sind für das Projekt, aber wir sehen den derzeitigen Standort kritisch. Das Projekt kann nur an einem Alternativstandort weitergeführt werden. Diesen Ansatz müssen die Stadtverwaltung und der Capuze e. V. weiterverfolgen.“

Diese Logik war zuvor schon vielfach angezweifelt worden. Und auch die Jusos mochten ihrer eigenen Fraktion da offenbar nicht mehr trauen, zumindest ihrem Statement bei Facebook zufolge: „Die Öffentlichkeit sieht in dem Handeln der SPD-Stadtratsfraktion, dass eben dieser Erhalt des Projekts nicht gewollt war. Gerade im Kampf gegen das Zurückdrängen soziokultureller Zentren und im Aufkommen rechter Zentren hätten wir uns mehr politische Verantwortung gewünscht.“ Offenes Misstrauen also gegenüber einem Verhalten, das die Linksjugend, ebenfalls in einer Stellungnahme bei Facebook, als „unvernünftig, unlogisch und unnötig“ bezeichnet.

Irreführende Argumentation?

Auch aus dem übrigen SPD-Stadtverband kommt Widerspruch. So äußerte sich der Jurist und Beisitzer im SPD-Stadtvorstand, Josef Albert Dütsch, gegenüber Transit kritisch: „Die Argumentation der SPD-Stadtratsfraktion ist in sich widersprüchlich, irreführend und in der Sache teilweise schlicht falsch. Sie dient nach meiner Überzeugung nur der Verschleierung der Tatsache, dass die Mehrheit der Fraktion das Projekt nicht will – weder an seinem jetzigen Ort, noch andernorts.“ Dütsch fragt sich unter anderem, was der wiederholte Hinweis auf „angeblich ungeklärte haftungsrechtliche und finanzielle Konsequenzen“ solle. Die wären nach seiner Ansicht möglicherweise dann zu berücksichtigen gewesen, „wenn noch über einen Verkauf der bebauten Fläche von der Halleschen Wohnungsgesellschaft HWG an die Stadt Halle zu entscheiden gewesen wäre.“ Aktuell ging es allerdings um einen Vertrag zwischen dem Hasi-Trägerverein, dem Capuze e. V., und der HWG und zwar zu einem Kaufpreis, der deutlich über demjenigen lag, der ursprünglich in einem Vertrag zwischen HWG und Stadt Halle hätte vereinbart werden sollen und können.

Und auch das Argument des kontaminierten Bodens will der Jurist so nicht gelten lassen und fragt: „Was hat die SPD-Fraktion nach monatelanger Nutzung des Grundstücks und beabsichtigter Fortsetzung gerade dieser Nutzung ausgerechnet jetzt noch für Gründe, diese gegen den Abschluss eines Vertrages zwischen der HWG und einem Dritten zu erörtern?“ HWG und Hasi-Betreibern sei diese Sachlage vollumfänglich bekannt. „Welche noch aufzuklärenden haftungsrechtlichen und finanziellen Probleme sollen da einem Vertragsschluss entgegenstehen? Selbst für die HWG als Verkäuferin scheint es solchen Aufklärungsbedarf nicht zu geben.“ Denn diese scheint sich jetzt vielmehr darum zu sorgen, dass der angebotene Kaufpreis in Höhe von 50.000 Euro als viel zu niedrig erscheint und ein Verkauf zu diesem Preis den Tatbestand der Untreue erfüllen könne. „Grotesk, nachdem es in der Dezember-Ratssitzung um einen ‚symbolischen Kaufpreis‘ von einem Euro gegangen sein soll“, so Dütsch weiter.

Damit greift das SPD-Vorstandsmitglied auch die jüngste Argumentationslinie gegen die Fortsetzung des Projektes in der Hafenstraße 7 an: „Wenn zutreffend ist, dass der Capuze e. V. den Kauf zu einem Preis angeboten hat, der den Wertfeststellungen eines öffentlich bestellten Sachverständigen entspricht, dann ist der Hinweis auf eine möglicherweise strafrechtlich relevante Untreuehandlung schlicht abwegig und irreführend. Mit solchen Einlassungen werden offensichtlich sachfremde Zwecke verfolgt, weshalb sie mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden sollten.“ Dütsch vergleicht die aktuelle Diskussion mit dem Verkauf eines städtischen Grundstückes am Hufeisensee an einen Investor, der dort mittlerweile einen Golfplatz errichtet hat. Der Verkauf erfolgte damals deutlich unter Wert. Die Mitteldeutsche Zeitung titelte „Golfplatz zum Schnäppchenpreis“. Die Stadt begründete den Preisnachlass laut der Zeitung mit einem „besonderen öffentlichen Interesse“. Die SPD-Fraktion hatte das Projekt damals unterstützt und gemeinsam mit CDU, FDP und Mitbürgern einen Bürger*innenentscheid über das Projekt verhindert.

„Damals hatte man keine Bedenken, das Vorhaben durch die Veräußerung eines städtischen Grundstücks weit unterhalb des in einem Sachverständigen-Gutachten festgestellten Werts zu fördern. Jetzt wird ein rein spekulativer Wert, der oberhalb eines konkreten und dem Vernehmen nach ‚sachverständigenfest‘ angebotenen Kaufpreises liegt, als Argument dafür in die Debatte eingeworfen, dass eine Veräußerung ‚unter Wert‘ rechtlich den Tatbestand der Untreue erfüllen könne. Da drängt sich mir die Frage auf, ob die rein (straf-)rechtlich zu beurteilende Frage der Untreue jetzt von den Beteiligten nicht doch eher je danach aufgeworfen wird, welchem Zweck das jeweilige Rechtsgeschäft dienen soll.“

Mit anderen Worten: Das Untreue-Argument werde rein politisch eingesetzt, je nach dem, wie einem ein Projekt persönlich in den Kram passt. Und vielleicht ist es ganz einfach auch das: Die Hasi ist nicht gewünscht. Folgt man Johannes Krause, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, gehört die Ablehnung zum „eigenständigen Profil“ seiner Fraktion. So viel Klarheit hätte der Fairness halber ja auch früher schon herrschen können.

„Hasi bleibt“ erstmal

Wenn nun nicht doch noch sozialpolitische Vernunft einkehrt, wonach es momentan nicht aussieht, dann bleibt wohl nur noch, den Konflikt auf dem Rechtsweg auszutragen. Um die „Hasi“ endgültig abzuwickeln, müsste sich die HWG vor Gericht einen Räumungstitel besorgen. Ein solches Verfahren kann bis zum rechtskräftigen Abschluss allerdings dauern. Schließlich sollte ein Gericht in seine Entscheidung auch mit einbeziehen, dass dem Capuze e. V. zu Beginn seines Engagements im Objekt eine Verlängerung über die in der ersten Gestattungsvereinbarung festgelegte Frist hinaus in Aussicht gestellt wurde. Ohne diese Absichtserklärung hätten es sich die „Hasi“-Aktiven gut überlegen müssen, derart zeitaufwändig in das soziokulturelle Zentrum zu investieren.

Die zeigen sich weiter unbeirrt: „Wir lassen uns davon nicht unterkriegen und machen solange weiter wie es geht. Vielen Dank für die ganze Unterstützung über die letzten Monate. Wir bleiben bei einem lauten #hasibleibt und freuen uns auf noch ein paar schönen Jahre mit euch.“

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.