Slapsticks gegen die Ausbeutung?

Die Neuinszenierung von „Der goldene Drache“ an der Oper Halle

von | veröffentlicht am 08.02 2023

Beitragsbild: Anna Kolata | Bühnen Halle

Unter der Regie von Katharina Kastening feierte eine Neuauflage des Musiktheaters „Der goldene Drache“ von Péter Eötvös in Halle Premiere. Die Inszenierung verhandelt die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen von migrantischen Menschen in Deutschland. Die Sänger*innen schlüpfen im Verlauf des Stücks in die verschiedensten Rollen. Die Musik von Eötvös liefert dazu einen bedrückenden Klangteppich.




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Content Note: Dieser Text thematisiert sexualisierte Gewalt.

 

Vom Grund, in die Oper zu gehen

Der Liedermacher Funny van Dannen hat dem In-die-Oper-gehen bekanntlich seinerzeit ein Lied
gewidmet. Wenn man Probleme habe – egal ob mit einer schlimmen Vergangenheit, der Überforderung durch einen monotonen Alltag, mit dem Älterwerden oder mit Selbstmitleid – und einen darum eine Sehnsucht nach den ganz großen Gefühlen, nach „Glanz und Intensität“, packe, dann sollte man „mal wieder in die Oper gehen“. Dies ist dabei weit mehr, als nur ein naiver Versuch, nach den mannigfaltigen Pamphleten über die gesellschaftliche Funktion der Kunst heutzutage, eine Art romantischen Rest zu konservieren.

Denn für Funny van Dannen steht fest, dass die Oper genau aus dem Grund da ist und Antworten bietet, weil die Menschen in ihrem Alltag dazu gedrängt werden, diese ganz großen Gefühle zu vergessen, die in der Oper verhandelt werden. Es ist genau im Bewusstsein der prekären Lage von Kunst in der Gesellschaft ein Bekenntnis zur Aufgabe der Kunst; dass Kunst nicht deshalb eine allerletzte Adresse darstellt, an die man sich wenden kann, weil sie die Realität detailgetreu nachbilden kann. Sie ist es deshalb, weil sie die Gedanken, Gefühle und Wünsche nach Veränderung äußern kann, die die einen umgebende Realität streng untersagt, weil die sozialen Umstände nun einmal so seien, wie sie seien. Und genau dieses geradewegs von Herzen kommende Bekenntnis wiederholte, wenn auch in einem anderen Gewand, eine Zuschauerin bei der Premiere der neuen Inszenierung von „Der goldene Drache“ an der Oper Halle. Von einer Freundin befragt, ob sie Samstagabend kein Zuhause habe und deswegen nur noch hier sein könne, antwortete sie: „Kalte Wohnung.“ Auch in Zeiten der Energiekrise ist Kunst eine Adresse, an die man sich wendet, um „Glanz und Intensität“ zu erleben; um eben nicht in der kalten Wohnung zu bleiben, sondern ihr zu entfliehen.

 

Prekäre Lebenswelten

Bereits vor Beginn des Stücks, während die Zuschauer*innen noch ihre Plätze einnehmen, fängt der Prolog mit der Darstellung eines Versandgroßhandels an, in dem die Angestellten am Fließband ihren Dienst tun und Pakete sortieren müssen. Zum eigentlichen Anfang des Stücks wird das Fließband zur Küche im „Thai-China-Vietnam-Imbiss Der goldene Drache“. Der plot verwebt drei hauptsächliche Handlungsstränge miteinander: ein junger Mann aus China, der nach Deutschland kam, um einen guten Job zu finden und seine Schwester zu suchen, und nun im goldenen Drachen als Küchenhilfe arbeitet; die Enkelin des Inhabers des Lebensmittelladens nebenan, die ungewollt von ihrem Freund schwanger wird; und eine Adaption der Parabel von der Grille und der Ameise. Untermalt werden die verschiedenen Szenen durch die lautmalerische Musik, die mal das Hacken der Küchenmesser im goldenen Drachen, mal das Zirpen der Grille imitiert.

Wie fast alle Figuren im Stück ist der junge Mann aus China im goldenen Drachen namenlos. Er arbeitet als Teil von insgesamt fünf Köchen aus verschiedenen Ländern, die von ihren Nachbar*innen und Kund*innen im Stück alle nur als „asiatisch“ vereinheitlicht werden, auf engstem Raum in der Küche und wird von starken Zahnschmerzen geplagt. Er beklagt die Schmerzen immer wieder, seine Kolleg*innen weisen ihn jedoch an, leise zu sein und weiterzuarbeiten. Schließlich müssen die Kund*innen bedient werden. Zum Zahnarzt gehen kann er nicht, da er weder einen gültigen Pass, noch genug Geld hat. Daher beschließen die anderen in der Not, den kranken Zahn selbst zu ziehen. Während sich der junge Mann aus China mit den Schmerzen plagt und seine Kolleg*innen einen Ausweg suchen, verbringen zwei Stewardessen ihren Feierabend im Imbiss. Unter großem Druck, weil die Kund*innen weiter ihre Bestellungen aufgeben, legen die Köche den jungen Mann auf die Arbeitsplatte in der Küche und betäuben ihn gegen seinen Willen mit Unmengen an Schnaps, was der er nicht gewohnt ist. Dann holen sie den Werkzeugkasten aus der Spüle und der älteste Kollege will mit der Rohrzange den kranken Zahn herausziehen. Alle müssen so schnell wie möglich wieder voll einsatzbereit sein, um die Bestellungen der Gäste zu befriedigen. Doch, bevor er zur Tat schreitet, untersucht der ältere Kollege den jungen Mann. Dabei fällt ihm auf, dass fast alle Zähne krank aussehen und er somit Schwierigkeiten hat, den richtigen Zahn zu finden. Der junge Mann aus China wehrt sich ängstlich gegen den Griff der Kolleg*innen, woraufhin diese ihm noch mehr Schnaps einflößen und ihm drohen, dass sie den falschen Zahn erwischen könnten, wenn er nicht still hält. Schließlich gelingt es den Zahn zu ziehen, doch er landet in einer der Suppenschüsseln, die der Kellner gerade den beiden Stewardessen bringt.

Währenddessen besucht eine junge Frau ihren Großvater. Beide wohnen im gleichen Haus, in dem sich im Erdgeschoss der goldene Drache befindet, allerdings wohnt die junge Frau im Dachgeschoss, während ihr Großvater weiter unten wohnt. Eigentlich will sie ihrem Großvater etwas Wichtiges mitteilen, aber sie traut sich nicht. Der Großvater macht seiner Enkelin Komplimente, wie hübsch sie sei, worauf die junge Frau antwortet, dies sei vielleicht nicht mehr so, wenn sie erst ins Alter des Großvaters käme. Dieser antwortet schwermütig, dass er dann schon „unter der Erde“ sein werde. Was die junge Frau ihrem Großvater nicht sagen wollte, sagt sie schließlich ihrem Freund. Sie ist schwanger. Der Freund reagiert aggressiv. Wie das habe passieren können, das sei ja eine völlige Katastrophe. Die jetzige Wohnung reiche nicht aus und eine größere könne man sich nicht leisten. Die junge Frau verlässt ihn daraufhin.

Im dritten Handlungsstrang spielt die Parabel von der Grille und der Ameise die Hauptrolle. Die Grille singt den ganzen Tag zur Freude der vorbeiziehenden Wanderer, während die Ameise emsig Vorräte für den Winter in ihren Bau schafft. Die Grille wundert sich über das Verhalten der Ameise, da schließlich für alle genug zu essen da sei. Doch dann bricht der Winter ein und die Grille hat nichts mehr zu essen. Sie klopft bei der Ameise an und bettelt um Essen. Die Ameise erwidert jedoch, dass die Grille im Sommer faul gewesen sei, statt zu arbeiten und Vorräte anzulegen, und daher verhungern könne. Die Originalparabel endet an dieser Stelle: „Wir werden auch den Winter über genug zu essen haben. Du aber hast die ganze Zeit gezirpt und gesungen. Jetzt bleibt dir nur noch tanzen.“ In der Parabel beruft sich die Ameise auf die Moral, dass man ehrlich arbeiten müsse, um vorzusorgen, und suggeriert, dass Kunst keine solche Arbeit sei. „Der goldene Drache“ setzte an dieser Stelle ein. Die Ameise fragt die Grille, ob sie auch tanzen könne. Bevor die Grille antworten kann, wird sie von den Mitarbeiter*innen des Versandhandels vom Prolog mit Paketklebeband eingeschnürt und kann daher nur eingeschränkt tanzen. Die Ameise zeigt sich desinteressiert und schlägt vor, die Grille solle stattdessen lieber putzen gehen. In diesem Kontext kommt die Ameise auf die Idee, die Grille an andere Ameisen zu „vermieten“, also zur Prostitution zu zwingen („Sie nehmen sie hart ran“/“ficken sie durch“).

 

Die Spuren der Arbeit

Zwei verschiedene prekäre Verhältnisse führt das Stück vor, die irgendwie miteinander zusammenzuhängen scheinen. Wie genau, das wird erst im Laufe der Inszenierung angedeutet. Fest aber wird gemacht, dass es aus diesen Verhältnissen praktisch kein Entrinnen gebe. Die Arbeit im Imbiss und die erzwungene Prostitution bestimmen fortan das Leben des jungen Mannes und der Grille. Der junge Mann aus China möchte eigentlich nach seiner Schwester suchen, die ebenfalls aus ihrer Heimat weggegangen ist. Außerdem hat er Zahnschmerzen. Seine Kolleg*innen teilen in gewisser Weise sein Schicksal. Sie sind auch von zuhause weg und müssen ebenfalls in einer engen Küche ihren Dienst tun, um über die Runden zu kommen. Sie sind dabei aufeinander angewiesen. Das Kollegium durchzieht aber ein zentraler Bruch. Die Solidarität zwischen den Arbeitenden wird dadurch untergraben, dass es sich um eine Gemeinschaft handelt, die unter dem Zwang steht, arbeitsfähig zu bleiben. Anhand des jungen Mannes aus China, der keinen Pass hat, werden ihnen nämlich die Konsequenzen eines Zusammenbruchs der Arbeitsfähigkeit des Kollektivs in drastischer Weise vor Augen geführt. Es würde die Abschiebung drohen. Die fünf Köche entscheiden sich also nicht freiwillig dafür, einen Imbiss aufzumachen, vielmehr setzt sich die Belegschaft aus dem Zwang heraus zusammen, Geld für die eigene Existenz verdienen zu müssen.

Auffällig ist, dass Solidarität kaum thematisiert wird. Die prekären ausbeuterischen Verhältnisse besitzen Übermacht über die Protagonist*innen. Zwar wird gezeigt, dass die Kolleg*innen einerseits durchaus solidarisch agieren. Sie versuchen, dem jungen Mann aus China zu helfen, ihn von seinen Schmerzen zu befreien und darüber hinaus seine nicht vorhandene Aufenthaltsgenehmigung zu decken. Doch andererseits agieren sie unter dem Zwang letztlich immer wieder unsolidarisch: sie zwingen den jungen Mann zur „Behandlung“, verabreichen ihm gegen seinen Willen Alkohol und wollen ihn wieder fit machen, damit er arbeiten kann. Zudem darf er nicht über seinen Schmerz reden und nicht schreien. Migrantische Selbstorganisation ist ein Bereich, den das Stück nicht verhandelt. Der Kontrollmechanismus des Kapitalismus, der die Entsolidarisierung der Belegschaft bewirkt, wird nachdrücklich aufgeführt, aber sozusagen nur aus der Perspektive der Ausbeuter erzählt.

Die Verdinglichung ist in diesem Fall prekärer Arbeit weniger stark mit Händen zu greifen, da es im Stück offenbar keinen personalen Ausbeuter gibt, keinen Chef etwa, keinen Vermieter oder ähnliches. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier finde ein mehr oder weniger freiwilliger Zusammenschluss von migrantischen Arbeitskräften statt. Die Figur des Großvaters, der sich fragt, ob nur „Vietnamesen“ im Imbiss arbeiten, und der fehlende Pass des jungen Mannes aus China deuten die gesellschaftlichen Drohkulissen an, die die prekäre Arbeit migrantischer Menschen überhaupt ermöglichen und diese schließlich zur gesellschaftlichen Kontinuität werden lassen. Gerade an dieser Stelle hätte das Stück diese Drohszenarien stärker fokussieren und freilegen können. Dadurch, dass diese Drohkulisse oft nur angedeutet wird, erscheinen die Arbeitsverhältnisse und rassistischen Praktiken teilweise als einfach gegeben. Ihre gesellschaftlichen Kontexte bleiben in gewisser Weise am Rande.

Die Integration von migrantischen Arbeitskräften wird von betrieblichen Strukturen und privatwirtschaftlichen Organisationen gewaltsam und ohne Druck staatlicher Behörden hergestellt. Die Kolleg*innen des jungen Mannes im goldenen Drachen wollen seine Zahnschmerzen heilen, nicht aber, um ihn von seinen Schmerzen an sich zu befreien, sondern um ihn zum Weiterarbeiten zu bringen. Sie wissen, dass sie ohne seine Mitarbeit die Kund*innen nicht alleine bedienen können und daher Gefahr laufen, auch ihren Job zu riskieren. Die Angst vor Arbeitsunfähigkeit treibt sie an. Ohne staatliche oder sonstige obrigkeitliche Zwangsmaßnahmen erfüllen sie die Wünsche des Kapitals allein aufgrund der bedrohlichen Effekte der Integration. Doch die Disziplinierung migrantischer Menschen zur Arbeit wird in der Inszenierung auch noch auf brutalere Weise thematisiert, nämlich mit der Situation der Grille.

Da sie mit ihrem gefesselten Tanz die Ameise nicht überzeugen kann, für irgendetwas nütze zu sein, überlegt die Ameise zuerst, sie zum Putzen zu schicken, hat dann aber einen besseren Einfall. Warum nicht die Grille zur Prostitution zwingen. Das wäre doch eine Win-Win-Situation. Die Grille bekomme nicht nur Arbeit, sondern auch „was zu essen hingeworfen“, und die anderen Ameisen seien ganz scharf. Zudem erwähnt die Ameise hier die Herkunft der Grille, die durch ihre „Arbeit“, so nennt das die Ameise im Stück, nun den Vorteil habe, dass die Ameise sie nicht nach China zurückschicke. Die Ameise preist die Grille nun bei ihren „Artgenossen“ an und bewirbt die Dienste der Grille damit, dass sie alles mache, um Essen zu bekommen. Schließlich kommt auch der Großvater als Freier zu der Grille und verlangt von ihr, da sie ja schließlich alles mache: „Mach’s mir! Ich will wieder jung sein.“ Doch die Grille kann, trotz aller Bemühungen, den Mann nicht wieder jung werden lassen, worauf der alte Mann wütend wird und der Grille „einen Fühler“ ausreißt. Daraufhin wird die Grille geknebelt.

Die unbedingte Verfügungsgewalt der Ameise über die Grille wird darin gezeigt, dass die Ameise sich selbst die Macht zuschreibt, die Grille abzuschieben, ohne auf das staatliche Integrationsregime zu warten. Privatpersonen eignen sich die Rolle der staatlichen Gewalt an und agieren als Eigentümer*innen migrantischer Menschen. Arbeitslose migrantische Künstlerinnen werden gezwungen, sprichwörtlich alles zu machen und alle Wünsche der „Kunden“ zufriedenzustellen für einen genauso sprichwörtlichen Hungerlohn. Dies ist sozusagen die völlige Privatisierung der Menschenwürde, indem die Menschenwürde einen Preis statt eines Wertes erhält und nun auf dem freien Markt gehandelt wird. Darüber hinaus wird auch die Macht des Patriarchats gezeigt: etwa in der Behauptung, migrantische Frauen müssten aufgrund bestimmter angeblicher Eigenschaften der Mehrheitsgesellschaft als ein Spielzeug dienen, das man nach Belieben und zu willkürlich festgesetzten Preisen „vermieten“ könne. Und wenn sie die Kundenwünsche nicht erfüllten, würde man sie ohne Konsequenzen schlagen und verletzen können wie einen Gegenstand, an dem man seine Wut auslässt. Es ist an dieser Stelle eine fatale Leerstelle in der Inszenierung, dass die Stimmen der Ausbeutenden ständig wiederholt, die Sicht der Grille und die damit zusammenhängenden Fragen aber gar nicht thematisiert bzw. durch die Darstellung mit dem Knebel durch das Stück selbst zum Schweigen gebracht werden: etwa Fragen, die sich mit dem Thema (Zwangs-)Prostitution und Sexarbeit beschäftigen. Es wird die Verfügungsgewalt der Ameise über die Grille vorgeführt, die die Gewalt einer patriarchalen Ordnung repräsentiert, wie sie durch die Produktion von Stereotypen und Vorurteilen die Macht über migrantische Personen erringt. Die Grille erscheint aber nur als Opfer dieser Mechaniken, niemals als handelnde Akteurin, womit die Inszenierung die Rolle des Patriarchats noch verstärkt, indem sie auch hier eine Ausweglosigkeit der Besitzverhältnisse einträgt.

Sehr eindrücklich ist aber, wie die Inszenierung die Ameise charakterisiert. In ihr wird sozusagen eine Figur sichtbar, an welcher die erschreckende Banalität der Ausbeutung sich konkret zeigt. Die Ameise hat nämlich den Sommer über gearbeitet und verfügt eigentlich bereits über ein Auskommen, das sie über den Winter bringen wird. Doch die Hilflosigkeit der Grille bietet sich ihr als willkommene Chance, noch mehr Geld zu machen. Die Ameise steht hier nicht für den Staat oder eine Headhuntergesellschaft, die nach brauchbaren Arbeitskräften fahndet, sondern für den sprichwörtlichen „Ottonormalverbraucher“, der sich der Gelegenheit bedient, sich auf Kosten eines Menschen durch spontane Zusatzeinnahmen das Leben ein wenig schöner zu machen. „Der goldene Drache“ führt hier vor, dass es nicht immer nur die Mächtigen „da oben“ in Politik und Gesellschaft sind, die clevere Ausbeutungsmethoden ersinnen, um das migrantische Proletariat gefügig zu machen und daraus ihren Profit zu schlagen. Es sind eben auch die „normalen“ Repräsentanten der Mehrheitsgesellschaft, die sich im Kapitalismus Wege suchen, sich auf Kosten anderer zu bereichern.

 

Die „Früchte“ der Arbeit

Eine besondere Rolle nehmen in der Inszenierung die beiden Stewardessen Inga und Eva ein, die ihren Feierabend im Imbiss verbringen. Sie bestellen je eine Suppe und versuchen sich zu unterhalten. Doch nach 18 Stunden Flug kommt nicht so richtig ein Thema auf. Währenddessen kommt der migrantische Kellner an ihren Tisch und fragt nach weiteren Getränken. Inga und Eva lehnen ab und alle drei zeigen daraufhin gleichzeitig das Lächeln, das man in ihrem Beruf erwartet.

Im Stück werden drei prekäre Abhängigkeitsverhältnisse miteinander in Beziehung gesetzt: Die integrierte Belegschaft des Imbisses, die als Spielzeug „vermietete“ Grille und die zwei Stewardessen. Diese enge Verknüpfung der drei Situationen wird dramaturgisch schon allein dadurch realisiert, dass die Sänger*innen ständig die Rollen wechseln. Drei Szenerien, in denen die Figuren durch ihre Ausbeutung dermaßen geprägt und festgelegt sind, dass ihr Leben nicht mehr außerhalb stattfinden kann. Der junge Mann aus China liegt nach der „Operation“ fiebernd und stark aus dem Mund blutend auf dem Küchentresen, während seine Kolleg*innen überlegen, ob sie den gezogenen Zahn nicht wieder in das Loch setzen können – was natürlich nicht geht, da der Zahn in der Suppe von Inga gelandet war. Die Blutung hört nicht auf und es macht sich Ratlosigkeit breit. Der älteste Kollege untersucht – mit einem überdimensionierten Zahnstocher – die Zahnlücke und findet dort vier Personen im Kreis sitzend vor: es sind die Eltern, Tante und Onkel des Jungen, die auf ein Zeichen von ihm warten und ihn fragen, ob er seine Schwester bereits gefunden habe. Der Junge erwidert, dass er aufgrund seiner Zahnschmerzen keine Zeit dazu gehabt habe. Dann wird er bewusstlos und seine Kolleg*innen können schließlich nur noch den Tod feststellen.

Währenddessen erscheint ein neuer Freier bei der Grille: Es ist der Ex-Freund der schwangeren Enkeltochter. Er fragt die Grille, ob sie aus China sei und beschwert sich dann bei ihr, dass seine Freundin ihn verlassen habe, weil er das Kind nicht wollte. Überhaupt habe er seine schwangere Freundin „widerlich“ gefunden und er finde, dass er sich jetzt etwas verdient habe. Der Mann ruft in dieser äußerst bedrückenden Szene das Patriarchat an, dass er als Mann nämlich ein Recht darauf habe, die Grille für seine Zwecke zu missbrauchen, da er ja „gelitten“ habe. Eine der Figuren erzählt aus dem Off, dass der Mann die Grille wie ein Ding benutze, bei dem es egal sei, ob es kaputt gehe, und dass er wohl auch seine Freundin so behandelt habe. Daraufhin tötet der Mann die Grille, woraufhin die Ameise von ihm Schadensersatz fordert.

„Der goldene Drache“ führt vor, wie restriktiv die Lehre der Parabel von der Grille und der Ameise ist. Wenn du arbeitest, bekommst du irgendwann auch einen Lohn für deine Arbeit. Die Inszenierung bringt den Zynismus dieser Moral ohne Umschweife ans Licht, denn der junge Mann aus China und die Grille bekommen letztlich als verdienten Lohn nur den Tod. Sie sterben an den Umständen und Bedingungen ihrer „Arbeit“. Es wird gerade in der eben beschriebenen Szene klar, dass die Grille in Wahrheit die Schwester des jungen Mannes aus China sein muss. Sie mag für eine musikalische Karriere nach Deutschland gekommen sein, vielleicht um eine Musikhochschule oder ähnliches zu besuchen. Doch statt ihrem eigenen Plan nachzugehen, wird sie, als sie in finanzielle Not gerät, dazu gezwungen, sich von einem Mitglied der Mehrheitsgesellschaft als Prostituierte verkaufen zu lassen und alle Wünsche der Kunden zu befriedigen.

In „Der goldene Drache“ steht der gefesselten Grille kein Ausweg zur Verfügung. Sie bleibt bis zu ihrem Tod gefesselt. Die Inszenierung will es, dass die Grille keinen Akt des Widerstands und der Selbstermächtigung leistet und nur Opfer sozialer Umstände ist. Mit anderen Worten verwehrt das Stück sich selbst an dieser Stelle, sich in der Kunst von der Macht der Realität zu emanzipieren. Teilweise scheint die Inszenierung sich sogar darin zu gefallen, das Elend im Kapitalismus zwar ohne Umschweife darzustellen, dann aber keine Auflehnung dagegen zuzulassen. Das Elend erscheint teilweise als etwas natürlich Gegebenes, das die Figuren einfach zu akzeptieren haben. Emanzipatorische Praktiken des Widerstands, die man mit künstlerischen Interventionen im Stück verhandeln könnte, werden so verhindert. Dies zeigt sich zum Beispiel zentral daran, dass die Grille von der Ameise im Winter ausgebeutet wird, das Stück den Winter für die Grille dann aber nicht mehr enden lässt. Eine vergängliche Jahreszeit wird zu einem nie endenden Umstand. Die Ausbeutungsverhältnisse im Kapitalismus, die Effekt kontingenter historischer Gemengelagen sind, werden so plötzlich zu einer ahistorisch notwendigen Realität verfestigt, aus der nicht einmal die künstlerische Beschäftigung mit dem Thema einen Ausweg zulässt. Die Zeit wird eingefroren, die Geschichte angehalten, und plötzlich wird die Ausbeutung zur einzig denkbaren Realität für die Figuren, die unter der Ausbeutung leiden müssen, verklärt.

 

Das Ende vom Lied?

Der gezogene Zahn des jungen Mannes aus China landet in Ingas Suppe. Sie ist auf eine morbide Art und Weise fasziniert von dem Zahn und nimmt ihn mit in ihre Unterkunft. Dort steckt sie ihn in den Mund, schmeckt das Blut und die Reste der Suppe. Sie will den Zahn zwar nicht behalten, aber sie kann ihn auch nicht einfach wegschmeißen.

Nachdem Inga den Zahn untersucht hat, geht sie zu einer Brücke. Währenddessen kommt ihr die Belegschaft des Imbisses entgegen. Die Köche hatten die Leiche des jungen Mannes in einen Teppich mit aufgedrucktem goldenen Drachen gewickelt und gerade eben auf derselben Brücke, die jetzt Inga ansteuert, wieder ausgewickelt und in den Fluss geworfen. Die Belegschaft richtet also ein Begräbnis für ihren toten Kollegen aus. Doch dieser will um nichts in der Welt in den Fluss geworfen werden. Es kommt heraus, dass der junge Mann sich sehr für den Teppich interessiert hat, auf dem der goldene Drache zu sehen ist. So etwas gebe es nämlich in China gar nicht und er hatte sich vorgenommen, den Teppich genauer zu untersuchen. Jetzt aber kippen seine Kolleg*innen ihn in den Fluss, ohne ihm den Teppich mitzugeben. Sie grüßen die Stewardess kurz und verlegen auf dem Rückweg, die genauso verlegen zurückgrüßt. Scheinbar ahnen sie gegenseitig, warum sie hier sind.

Inga aber, die weder in denselben prekären Verhältnissen gearbeitet hat wie der junge Mann aus China, noch mit der drohenden Abschiebung zu kämpfen hat, bricht mit der Ideologie der Mehrheitsgesellschaft, der sie angehört. Sie zeigt sich nun im letzten Moment solidarisch, legt ihr Dienstlächeln ab, das sie von der Belegschaft im goldenen Drachen trennte, und entscheidet sich, das Andenken des jungen Mannes aus China zu bewahren, ihm die Würde zurückzugeben. Dazu gibt sie als Zeichen dessen etwas von sich selbst mit: sie nimmt den Zahn wieder in den Mund und spuckt ihn über die Brüstung in den Fluss. Sie bestattet also den Zahn nicht, indem sie ihm etwas Wichtiges wegnimmt, sondern indem sie ihm ihre Spucke mitgibt. Wie in dem berühmten Science-Fiction-Roman „Dune“ von Frank Herbert, wo die Bewohner*innen des Wüstenplaneten Arrakis ihr Gegenüber bespucken, wenn sie Respekt zeigen, zeigt auch die Stewardess Inga hier Respekt für den jungen Mann. Sie kommt sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes als eine Gesandte des Himmels, die zwar aus ihrer hohen Warte im Flugzeug wenig vom irdischen Leid mitbekommt, doch durch das Geschehen unterschiedlicher Ereignisse plötzlich und wider Willen zur Stelle ist.

Die Inszenierung „Der goldene Drache“ stellt in drastischen Bildern und Texten die brutalen Effekte der Integration für die Geschwister heraus. An dieser Stelle scheint die Inszenierung erstaunlich endgültig. Das Stück will es, dass der Ausweg aus der Falle der Integration und der Verdinglichung zum Spielzeug nur darin bestehen kann, dass die bestreffenden Figuren mit ihren Plänen scheitern und sterben. Dies ist eine Wendung, die sich sicher auf dem Boden der Kapitalismuskritik wähnt. Kapitalismus tötet! Doch ist das die einzige Möglichkeit? Kunst als Abbild und damit auch als Verdinglichung der Realität? Damit kommt der Kunst als kritischer Gegenentwurf zur ungerechten Gesellschaft ihr Potential abhanden, die Macht der Realität zu begrenzen und utopische Gegenwelten zu entwerfen, in denen der Tod und das Scheitern eben nicht die Folge sein müssen und in denen rassistische Stereotype gebrochen werden. Anders als bei „Ab in den Wald“, wo die verbliebenen Figuren den Kapitalismus letztlich bekämpfen und sich gerade darin einig und mächtig erfahren, versagt „Der goldene Drache“ seinen Figuren den Weg der Auflehnung. In beklemmenden Bildern wird das Warten der Grille –  sozusagen in der kalten Wohnung der Ameise – auf den nächsten Sommer, in dem sie wieder freikommen kann, und ihre zerfressenden Selbstzweifel, ob es nicht vielleicht schon Sommer ist und sie nie wieder frei kommt, geschildert. Doch der junge Mann aus China und die Schwester erscheinen so immer nur als Opfer der Umstände, niemals als eigenmächtig handelnde Akteure, zu der die Kunst sie eigentlich ermächtigen müsste. Am Ende steigt der junge Mann in eine Kiste und wird per Express-Versand irgendwo hingeschickt. Das Stück endet, wie es angefangen hat: migrantische Arbeitskräfte werden als Pakete verschickt, die Logistikunternehmen kontrollieren die Arbeit. Der Traum davon, Geld zu verdienen und die Schwester zu finden, wird zum Scheitern gebracht und in die Logik des Warenkreislaufs und des Onlineversands integriert. Wenn die Gewalt auch in der Kunst den Sieg davonträgt, verstetigt die Kunst die Ideologie dahinter, da sie letztlich selbst keine andere Antwort zu geben vermag als die, dass Integration und Arbeit nun einmal die Realität sind und Opfer fordern.

Es wird viel, so scheint es, darüber geredet – und Rechte tun es immer besonders gern – dass Theater nicht politisch sein dürfe. „Der goldene Drache“ behandelt absichtlich ein politisches Thema. Doch, was im Stück selbst nicht vorkommt, ist der politische Konflikt. Die Grille fügt sich in ihr Schicksal, die Kolleg*innen im Imbiss reflektieren nicht ihre Situation. Überall ist die Ausbeutung mit Händen zu greifen, doch in der Darstellung der Figuren, die nur als Leidende, selten als Handelnde erscheinen, ist das Stück erstaunlich unpolitisch. Es gibt keine Auflehnung, keinen Streik oder ähnliches. Konflikte erscheinen immer nur als lähmende Folge der Umstände, niemals als produktive Kraft gegen dieselben. So erscheint denn auch die Lebenswelt der Figuren im Stück trotz der erdrückenden Situation erstaunlich harmonisch und erschreckend endgültig. Ihr Leben vollzieht sich in einem festen vorgegebenen Rahmen, den sie nur im Tod verlassen und der ihre Identität total abschließt.

Politisch Kunst zu inszenieren habe ich an anderer Stelle so charakterisiert: „Kunst muss die Zwischenräume zeigen und gleichzeitig die Erzählung der politischen Macht herausfordern, die sich nur allzu gern auf einfache Erklärungsmuster beruft und andere Vorgänge ausschweigt. Kunst kann […] das Schweigen brechen, die Anweisung zum Schweigen hintergehen und aus der Stille eine Geschichte herausschälen.“ Die Ausbeutung und ihre Brutalität zu schildern, ist wichtig. Doch Kunst kann dem etwas hinzufügen. Sie kann (und ich denke, sie sollte) zeigen, dass die realen Verhältnisse nicht so sein müssen, wie sie sind. Denn als Kunst kann sie eben über die Realität hinausgehen und auf einem Feld experimentieren, das die Realität nicht vorhersehen kann. Sie kann sich und ihren Figuren die Auswege ausspinnen. Eben dadurch wird Kunst politisch, indem sie paradoxerweise nicht politisch eindeutig wird, sondern das offen lässt, was die Realität gern abschließen möchte. Das ist der Grund, warum man Funny van Dannen zufolge in die Oper gehen sollte: um die Realität letztlich an der Utopie scheitern zu sehen.

 

Die Ambivalenz der Slapstick-Tragödie

Die Inszenierung versucht sich an dieser Stelle an einer Antwort auf die Frage: Wie kann man nun diese Zusammenhänge künstlerisch fassen, ohne sie zu reproduzieren? Diese Antwort liegt nicht in dem, was das Stück letztlich erzählt, sondern, wie es erzählt. Eine Sache war nämlich sehr auffällig: dass das Publikum an ganz bestimmten Stellen im Stück lachte, obwohl das übergeordnete Thema an sich ganz und gar nicht lustig war; etwa als die Ameise der Grille vorschlug, lieber putzen zu gehen, als der alte Koch versuchte, mit einer Rohrzange den Zahn des Jungen zu ziehen, als der Zahn nach geglückter OP in der Suppenschale der Stewardessen landete und die eine Stewardess Inga den Zahn später in den Mund nimmt und seinen Geschmack testet. Diese Szenen stellen ein zentrales Moment in der sich mit aller Gewalt vollziehenden Tragödie dar und trotzdem lacht das Publikum. Ist das nun ein Effekt mangelnder Einfühlsamkeit? Mitnichten. Es hat etwas mit der Art und Weise zu tun, wie das Stück „Der goldene Drache“ angelegt ist.

Die Tragik der Handlung besteht nicht nur im „Schicksal“ des jungen Mannes und seiner Schwester, sondern auch in der absurden Konstellation, dass ihr Unglück nicht von einem staatlich vorgegebenen Integrationsregime abhängt. Zwar bestimmen staatliche Strukturen über die Zugehörigkeit, doch das alltägliche Einpassen in den Kapitalismus besorgen Kolleg*innen und private Nutznießer; erstere beflügelt durch kollektive Angst vor Arbeitslosigkeit und Abschiebung, letztere motiviert durch die Nachfrage nach billiger Arbeit, die buchstäblich zu den menschenunwürdigsten Praktiken herangezogen werden könne.

Und dies alles wird vorgeführt im Gewand der Slapstick-Komödie: Figuren stolpern, verhalten sich ungeschickt, versuchen vergeblich die Form zu wahren. Überdimensionierte Requisiten kommen zum Einsatz: ein Zahn soll mit einer Rohrzange gezogen, eine Leiche in einen Teppich gewickelt und entsorgt werden. Absurde Situationen werden beschworen: in Loriot-mäßiger Haltung sich gegenseitig verkaufsanlächelnde Stewardessen und Kellner oder der alte Koch, der verzweifelt vorschlägt, den Zahn wieder ins Loch zu stopfen, als er merkt, dass die Blutung nicht stoppt. Eine gefesselte und geknebelte Grille versucht vergeblich, verkaufsfördernd zu tanzen. Und welche Person, die im Kulturbetrieb arbeitet, hat nicht schon einmal vonseiten in vermeintlich krisensicheren Jobs arbeitender Personen den Vorschlag gehört, doch lieber putzen zu gehen (oder Taxi zu fahren; oder Pommes zu verkaufen). Mithilfe der Ausdrucksformen klassischer Slapstick-Komödien, wie etwa des Films „Is‘ was, Doc?“ mit Barbra Streisand, verdeutlicht „Der goldene Drache“ das Elend prekärer migrantischer Arbeit; nicht, indem man sich über das Schicksal der Figuren lustig machen will, sondern indem man die kleinliche Niedertracht und die unfreiwillige Komplizenschaft hervortreten lässt, die die migrantischen Arbeitskräfte an ihre Jobs fesselt. Es sind nicht nur die großen unpersönlichen gesellschaftlichen Strukturen, die diese Art menschenunwürdiger Arbeit festigen, sondern vor allem auch diese unfreiwillige Komplizenschaft eigentlich sich solidarisch einsetzender Kolleg*innen, die nur helfen wollen, gleichzeitig aber, da ihre eigenen Jobs vom Weiterlaufen des kapitalistischen Systems abhängig sind, dieses System mit einer eigenen Form von Brutalität verstärken. Durch das bewusste komödiantische Überzeichnen wird so versucht, das Absurde und Brutale kapitalistischer Verhältnisse vorzuführen. Die verzweifelte Situation der migrantischen Arbeiter*innen erscheint noch immer als Effekt dessen, doch nun versucht die Inszenierung durch Slapstick-Einlagen hier einen Riss in der Brutalität anzudeuten. Plötzlich ist das Gebaren der Ameise eine banale Posse und die Verdinglichung der Kunst zur Prostitution dummes Gerede. Ein Zahn kann gezogen werden, wenn nur irgendeine Zange vorhanden ist, und dieses so gezogene körperliche Andenken an den jungen Mann aus China kann gefunden und würdig bestattet werden. Mit diesen humoristischen Einlagen legt „Der goldene Drache“ bestimmte Funktionsweisen der Ausbeutung offen und ist somit eine wahre Slapstick-Tragödie.

Auf der anderen Seite lässt „Der goldene Drache“ aber auch viele Fragen offen. Bestimmte Perspektiven werden nicht thematisiert, die Grille darf das Wort nicht ergreifen, der junge Mann aus China darf seine Schmerzen nicht äußern. Warum nicht? Die Inszenierung gerät hier in die Gefahr, bestimmte Stereotype, die als Legitimierung der Ausbeutung dienen, zu reproduzieren. Hier gibt sich die Kunst zu sehr der Aufgabe hin, die Brutalität zu schildern, anstatt die Figuren zum Handeln zu ermächtigen und der Verfügungsgewalt Grenzen aufzuzeigen. Die Slapsticks zeigen die Gewalt kapitalistischer Verhältnisse und das Absurde ihrer Praktiken an, führen sie vor, bieten aber keinen Gedanken zu einem möglichen Ausweg, weil sie die Verhältnisse nur zeigen, nicht transzendieren. Somit bleibt in der Inszenierung eine Leerstelle bestehen. Diese Leerstelle führt gewissermaßen zum Ausgang der Betrachtungen zu „Der goldene Drache“ zurück. Warum in die Oper gehen? Um noch einmal die Gnadenlosigkeit der Realität gezeigt zu bekommen? Um in der kalten Wohnung der sozialen Umstände zu verweilen? Oder doch eher, um die Antworten zu erhalten, die die Realität zu geben verweigert?

Hauke Heidenreich

… ist Mitglied der Transit-Redaktion und arbeitet als Historiker am Grünen Band Sachsen-Anhalt.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.