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Saschas Weg ins Glück

Warum es konkreten Widerstand gegen die faschistische „Buchmesse“ braucht

Zur faschistischen Buchmesse kommen die Neonazis wieder nach Halle, die 2017 noch erfolglos versucht haben, durch die Stadt zu marschieren. Dank des Rechtsrucks erwartet sie nun ein roter Teppich – umso mehr Gründe für entschlossenen Gegenprotest.

Manchmal hat man einfach Glück im Leben: Während die gewaltbereiten Neonazis der Partei „Die Rechte“ am 1. Mai 2017 in Halle noch von einer breiten Koalition aus konservativen Unternehmer*innen, Rektoraten, Professor*innen, Vertreter*innen aus fast allen demokratischen Parteien, Liberalen sowie von einer Antifa- und einer Postautonomen-Kampagne blockiert und komplett lächerlich gemacht wurden, zahlt es sich für damalige Spitzenfunktionäre wie Sascha Krolzig, der mit vielen Kameraden zur ebenso neonazistischen „NPD/Die Heimat“ gewechselt ist, im Jahr 2025 endlich aus, ihren politischen Überzeugungen treu geblieben zu sein – etwa der, dass die mörderische SS eine klasse Organisation gewesen sei.

Denn am 8. und 9. November dürfen dieselben Kader wieder nach Halle kommen. Aber dieses Mal erwartet sie keine Sackgasse am Hauptbahnhof, wo sie nicht einmal richtig Frustsaufen durften, sondern die Halle-Messe. Dort treten die Kader der inzwischen aufgelösten Partei „Die Rechte“ nämlich unter dem Namen „Sturmzeichen Verlag“ auf und sind auf der Buchmesse „Seitenwechsel“ herzlich willkommen1. Gerade historisch Interessierte werden dort voll auf ihre Kosten kommen, denn mit den Werken der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und der Zeitschrift „Nationaler Sozialismus Heute“ wird endlich die faschistische „Wahrheit“ über das deutsche Menschheitsverbrechen ganz offiziell über den Messetisch gehen.

Wo ein Großteil der halleschen Gesellschaft früher auf Gegenwehr setzte, gibt es nun den roten Teppich. Die Nazis können sowohl per Auto anreisen, um extra geschützte Parkplätze zu nutzen oder mit der S-Bahn, denn die Messe hat natürlich eine eigene Haltestelle – und die Zwerenz-Gruppe2 profitiert natürlich von öffentlicher Daseinsvorsorge, die ihr dabei hilft, die Messe in eine faschistische Propaganda-Bühne zu verwandeln.

Und nicht nur das: Es haben sich auch schon weitere Interessierte angekündigt. So hat die CDU-Stadtratsfraktion in einer Stellungnahme erklärt, dass sie das WIR-Festival, welches derzeit ein demokratisches Alternativ- und Gegenprogramm bietet, ja unterstützen würde, wenn es „Brücken des Dialogs zwischen der Buchmesse und dem Festival“ bauen würde3.

Möglicherweise kann Sascha Krolzig, inzwischen Autor und Verantwortlicher des „Sturmzeichen Verlags“, diese Brücken aber dennoch schlagen. Denn in dem Bereich kennt er sich zumindest aus: Sascha ist wegen zahlreicher Körperverletzungsdelikte angezeigt und verurteilt worden. Und trotz dieser Probleme mit der Justiz führt er einen der „kleineren Verlage“, denen bei der Buchmesse eine Plattform gegeben wird, wie die CDU-Fraktion weiter anerkennend feststellt. Denn der Kampf gegen Diskursverweigerung ist auch für Sascha eine Herzensangelegenheit.

So befand dieser sich vor Kurzem noch im intergenerationalen Diskurs mit ehemaligen SS-Mitgliedern. Er dankte Hugo, Wolfgang und Martin für ihren Dienst, den Letzterer zum Beispiel in der 5. SS-Panzer-Division „Wiking“ ableistete, die zahlreiche Massaker an jüdischen Einwohner*innen der damaligen Sowjetunion verübte und noch im April 1945 zahlreiche jüdische Zwangsarbeiter*innen ermordete. Würde Martin darüber ein Buch schreiben, es wäre in Saschas Verlag gut aufgehoben, der sich stattdessen mit inzwischen verstorbenen SS-Mördern wie Kurt Eggers (Beiname: „Eggers, der Judentöter“) schmücken muss.

Und das Bemerkenswerte daran ist, dass Sascha Krolzig eigentlich gar nichts geändert hat. Er war 2017 ein Nazi und ist es heute auch noch, genau wie seine Kameraden. Geändert hat sich aber der Rest: Wäre 2017 nicht einmal die CDU auf die selten absurde Idee gekommen, mit Sascha Brücken des Dialogs zu bauen, geht das bei der rechten Buchmesse klar. Natürlich wusste die CDU wohl noch nichts von der konkreten Teilnahme des „Sturmzeichen Verlags“, aber dann auch nur, weil sie die neurechten Faschist*innen, die ihr Fandom für die SS nicht direkt auf Instagram posten, offensichtlich für tolerabel hält und jeden Hinweis auf die möglicherweise mittelmäßige Demokratiebegeisterung dieser Befürworter*innen eines völkischen Umsturzes unter „Linksextremismus“-Verdacht stellt.

Und das geht deutlich über die CDU hinaus: Weil die faschistische AfD davor steht, in Sachsen-Anhalt möglicherweise die Regierung zu stellen, kapituliert die bürgerliche Gesellschaft lieber präventiv. Während der Stadtrat 2017 noch klar gesagt hat, dass Proteste gegen den Aufmarsch der Partei „Die Rechte“ unterstützt werden, weil man „Rechtsextremisten nicht toleriere“, wurde das WIR-Festival, was ja tatsächlich ein beeindruckendes Gegenprogramm zu den Faschist*innen in der Messe aufgestellt hat, nur mit dem dringenden Hinweis unterstützt, dass es sich dabei auf gar keinen Fall um ein „Dagegen“ handeln würde, was der CDU aber ohnehin schon wieder viel zu viel war.

Aber genau wie 2017 die vereinigten Kräfte der demokratischen Stadtgesellschaft verhindert haben, dass Halle ein Aufmarschgebiet für Neonazis wird, ist genau das bei der Buchmesse am 8. und 9. November ebenfalls nötig. Es reicht nicht, das demokratische WIR zu versammeln, wenn am Gedenktag für die Novemberpogrome die Täter in einer der größten Veranstaltungsgebäude der Region gefeiert werden. Es reicht nicht, eine positive Vision für eine demokratische Gesellschaft zu propagieren, während der Faschismus marschiert. Denn auch wenn hier Sascha und seine Nazi-Truppe besonders herausgepickt wurden: Glaubt jemand wirklich, dass die AfD ein maßgeblich anderes Geschichtsbild hätte? Glaubt jemand, dass Götz Kubitschek, Susanne Dagen und die zahlreichen AfD-Politiker*innen Sascha Krolzig nicht kennen? Krolzig ist sogar für dasselbe verurteilt worden wie Björn Höcke: Beide standen für den Ausruf „Alles für Deutschland“ vor Gericht und wurden verurteilt. Krolzig wurde dafür aber als Neonazi betrachtet, Höcke wird von selbsternannten Demokrat*innen verteidigt – das ist der Unterschied zwischen einer Kleinst- und einer erfolgreichen Wahlpartei.

Am 8. und 9. November marschiert der Faschismus in Halle. Er nennt sich traditionalistisch, neurechts oder fordert ganz offen eine neue NSDAP. Das spielt letztlich keine Rolle. Seine Vertreter*innen können ihr Glück nicht fassen, dass es ausreicht, in Umfragen auf 40 Prozent zu kommen und schon fordert die CDU einen Dialog mit ihnen und die demokratische Mehrheit distanziert sich von dem Anspruch, ihre Propagandaveranstaltungen verhindern zu wollen.

Dagegen gilt es, deutlich zu machen, dass sich nicht der Faschismus verändert hat, sondern die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft. Es ist nicht weniger notwendig, Nazi-Aufmärschen entgegenzutreten als früher. Es ist nicht weniger gefährlich, zu einem Standort rechter Propaganda zu werden. Es ist nicht harmloser, wenn Nazis sich treffen und vernetzen. Es ist ihnen nur gelungen, reaktionäre und rechte Milieus geschickt zu verbinden. Den Rest haben manche bürgerliche Demokrat*innen einfach selbst gemacht, indem sie den rechten Forderungen hinterhergelaufen sind und indem sie bis jetzt jede institutionelle Gegenwehr (z.B. im Sinne eines Parteiverbots) verhindern.

Aber das ist nicht das notwendige Schicksal der demokratischen Zivilgesellschaft in Halle, die 2017 und 2019 jeweils starke und äußerst erfolgreiche Zeichen gegen extrem rechte Aufmärsche gesetzt hat. Am 8. November gibt es einen Protest des Bündnis „Antifaschistischer Zeitenwechsel“ (9 Uhr, Damaschkestraße/Dieselstraße). Das WIR-Festival versucht, eine positive Vision der Demokratie deutlich zu machen. Das ist richtig. Aber diese positive Vision kann nur gedeihen, wenn sie nicht von Sascha Krolzigs Springerstiefeln plattgetreten wird. Sie kann nur gelingen, wenn ein antifaschistischer Zeitenwechsel verhindert, dass man sich bald nur noch dafür rechtfertigen muss, nicht rechtsradikal zu sein. Die Forderung, dass eine faschistische Buchmesse in Halle nicht toleriert werden darf, ist das Fundament, welches die Vision einer Gesellschaft ohne Faschismus tragen kann – in diesem Sinne heißt es am Samstag wie schon so oft in der Vergangenheit: Kein Fußbreit dem Faschismus!

  1. Der „Sturmzeichen-Verlag“ bewirbt seine Teilnahme an der „Seitenwechsel“-Messe auf seiner Homepage (Archiv-Link, Stand: 04.11.2025) ↩︎
  2. Die von Roland und Beate Zwerenz aus Dresden geführte ZWERENZ GRUPPE GmbH betreibt unter anderem die Messen in Gießen und in Halle. Zur Gruppe gehören auch Dienstleister für Veranstaltungstechnik, IT und Eventmanagement. Roland Zwerenz hat Vorwürfen gegenüber stets seine Neutralität betont, daran darf aber gezweifelt werden. Auf Recherchen des MDR reagierte er mit der Beauftragung der rechten Kanzlei Höcker und sah sich einer „moralischen Exekution“ gegenüber (Archiv-Link, Stand: 04.11.2025). Es ist sicher kein Zufall, dass die erste extrem rechte Buchmesse in Halle und die Neugründung der faschistischen AfD-Jugend in Gießen stattfinden soll. ↩︎
  3. Aus der Pressemitteilung der CDU-Fraktion im Stadtrat vom 24.09.2025 (Archiv-Link, Stand: 04.11.2025) ↩︎

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