Sachverständige oder Untersuchungsausschuss?

Demonstration am 1. März in Halle: „Oury Jalloh das bleibt Mord!“

von | veröffentlicht am 01.03 2019

Beitragsbild: Transit

Im Landtag wurde der Antrag auf einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Fall Oury Jalloh abgelehnt - Das Offene Antifa Plenum Halle ruft zum Protest auf




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„Dass der Frieden innerhalb der Landesregierung schwerer wiegt, als die vermeintlichen Interessen der Parlamentarier_innen [an der Aufklärung], entlarvt hier vor allem Grüne und SPD der Heuchelei.“ Der Aufruf des Offenen Antifa Plenums Halle zeigt: Die Leute sind wütend. Oury Jalloh starb vor 14 Jahren im Polizeigewahrsam und mittlerweile ist klar: Die These einer Selbstentzündung ist nicht haltbar. Doch alle Versuche, die Hintergründe der Tat aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, scheiterten letztlich an den Behörden. Auch die Versuche der Landespolitik Licht ins Dunkel zu bringen haben bisher nur wenige Ergebnisse gezeitigt.

Die Koalitionsparteien enthalten sich – Kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss

Um die Aufarbeitung der Ereignisse endlich voran zu bringen hatte die Fraktion der Partei Die LINKE gestern im Landtag von Sachsen-Anhalt die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragt. Dieser scheiterte, da sich die Koalition aus CDU, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen enthielt, während die AfD dagegen stimmte. Insbesondere Die Grünen gerieten dafür umgehend unter Beschuss. Auf Twitter hagelte es Kritik, nachdem die Partei in einem Tweet den Schritt der LINKEN als „Schaufenster-Antrag“ und „Symbolpolitik“ bezeichnet hatte. Sebastian Striegel, der innenpolitische Sprecher der Partei, erklärte auf Nachfrage, dass die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) derzeit „bedauerlicherweise nicht geeignet sei die Aufklärung voranzubringen“. Als Grund nannte er fehlende Anstrengungen der LINKEN, sich mit den anderen Fraktionen abzustimmen und sich um Mehrheiten zu bemühen. Es sei daher nicht möglich den Untersuchungsauftrag in der verbleibenden Legislaturperiode abzuarbeiten. Zudem sei die nötige Mehrheit aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit von CDU und AfD sowieso unrealistisch.

Das von der Koalition vereinbarte Vorgehen dient bisher nicht der Aufklärung

Die Grünen setzen dagegen auf das bereits vor einem Jahr verabredete Vorgehen, mit Generalstaatsanwalt a.D. Manfred Nötzel und dem Rechtsanwalt Jerzy Montag zwei Berater einzusetzen, die ermächtigt werden, sämtliche Akten, die dem Landtag zum Fall vorliegen, auf Unstimmigkeiten, Versäumnisse und Vertuschungen zu prüfen. Erst danach könne „das weitere Vorgehen auf Grundlage von Fakten besprochen werden“, so Striegel.

Henriette Quade, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die LINKE, kritisiert an dem Vorgehen, dass „der tatsächliche Beginn der Arbeit in immer weitere Ferne rückt“. So habe die Koalition entschieden, dass Nötzel und Montag „ihre Arbeit erst aufnehmen sollen, nachdem über das Klageerzwingungsverfahren entschieden ist“. Mit diesem versuchen die Angehörigen von Oury Jalloh gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme des Falles durch die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg vorzugehen. Der ursprüngliche Beschluss, mit dem die Anfang 2018 virulente öffentliche Debatte um einen PUA im Parlament beendet wurde“, so Quade, sei mittlerweile allerdings „Makulatur“. Im Beschluss sei noch nicht die Rede davon gewesen, dass die Sachverständigen ihre Arbeit nach Abschluss des Klageerzwingungsverfahrens aufnehmen sollen. Tatsächlich ist im Papier die Rede vom „Abschluss der Ermittlungen des Generalstaatsanwaltes“. Quade hat die Befürchtung, dass das vereinbarte Verfahren mit den eingesetzten (und letztlich bisher nicht tätigen) Beratern von Anfang an den Hauptzweck hatte, einen Untersuchungsausschuss zu verhindern. Daher habe die LINKE den Antrag auf einen PUA gestellt, zumal dieser auch weitreichendere Kompetenzen habe als die Sachverständigen. Dass es dafür in Sachsen-Anhalt keine politische Mehrheit gebe, sei „bezeichnend und beschämend“.

Nur dank der Proteste ist der Fall Oury Jalloh im kollektiven Gedächtnis

Mit der Ablehnung des PUA als „Schaufensterpolitik“ haben sich die Grünen keinen Gefallen getan. Zwar beteuern auch sie, dass sie „die Hintergründe für Jallohs Tod ausleuchten und Schlussfolgerungen ziehen“ wollen, jedoch mutet der Verweis auf parlamentarische Gepflogenheiten in Anbetracht des skandalösen kollektiven Versagens hinsichtlich der bisher nicht erfolgten Aufklärung des Falles makaber an. Es mag ja sein, dass es aufgrund der Stimmen von CDU und AfD keine Mehrheit gegeben hätte, jedoch hätte sich die CDU theoretisch auch weiterhin enthalten können, wenn SPD und Grüne dem Antrag zugestimmt hätten. Theoretisch natürlich. Der andere Punkt ist: Symbolpolitik ist auch ein Grund dafür, warum uns allen der Fall Oury Jalloh überhaupt nach so vielen Jahren des Verschweigens und Vertuschens trotzdem noch im Gedächtnis ist. So hat die Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh durch ihren unermüdlichen Einsatz Symbole geschaffen, die die Erinnerung an seinen gewaltsamen Tod im öffentlichen Gedächtnis halten.

Genau dies soll auch am 1. März bei der Demo „Oury Jalloh das bleibt Mord!“ passieren. Treffpunkt ist das Steintor in Halle ab 16 Uhr.