Repression gegenüber jungen Aktivist*innen
Polizeigewalt am Rande einer Demonstration in Weißenfels
In Weißenfels kam es im Mai 2021 zu unverhältnismäßiger Polizeigewalt, durch die ein junger Aktivist stark verletzt wurde. Der Vorfall reiht sich ein in ähnliche Ereignisse.
Am 20.05.2021 fand in Weißenfels eine AfD-Wahlkampfveranstaltung anlässlich der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt statt. Es wurde eine Gegendemonstration von lokalen Antifaschist*innen organisiert. Aus der Umgebung, und somit auch aus Halle, reisten zusätzlich Aktivist*innen an, um die Menschen in der Provinz zu unterstützen.
Insgesamt nahmen an dieser Kundgebung etwa 400 Menschen teil und demonstrierten lautstark gegen die ca. 130 Teilnehmer*innen der AfD-Kundgebung, an der auch bekannte Neonazis teilnahmen. Als Redner waren bei der AfD unter anderem Hans Thomas Tillschneider und Bernd Höcke angekündigt, jedoch sagte letzterer kurzfristig ab.
Zwei Antifaschist*innen versuchten, auf der Bühne der AfD ein Transparent zu entrollen. Sie wurden jedoch von der Polizei abgeführt. Bis auf eine Provokation eines bekannten Neonazis, der sich in den Gegenprotest stellte, blieben die Versammlungen ruhig.
Unsichere Abreise
Als die AfD ihre Kundgebung mit der Nationalhymne beendete, löste sich auch der Gegenprotest nach und nach auf und kleine Gruppen zogen ab. Die Antifaschist*innen aus Halle, die gemeinsam angereist waren, fanden sich zusammen und beschlossen, als große Gruppe zum Bahnhof zu laufen, um sich zu schützen, da noch Faschist*innen in Kleingruppen unterwegs waren.
Die Gruppe von ca. 25-30 Aktivist*innen entfernte sich mit Sprechchören vom Marktpatz. Etwa 200 Meter weiter standen hinter geparkten Autos einige Menschen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden konnten, und riefen in Richtung der abreisenden Gruppe. Zwei dieser Personen liefen auf die Antifaschist*innen zu und pöbelten, jedoch kam sofort die mittlerweile hinterherlaufende Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) mit ca. 25 Polizist*innen und trennte die Lager.
Die Antifaschist*innen bogen auf die Promenade ein und liefen auf der Straße entlang, die BFE auf der linken Seite hinterher. Zwischen zwei Hecken kam über einen Weg, der durch die angrenzende Grünfläche führte, ein pöbelnder und augenscheinlich angetrunkener Rechter und stand mit erhobenem Armen hinter den am Straßenrand parkenden Autos. Einige Aktivist*innen rannten auf den Fußweg, es gab Rufe in Richtung des Rechten und in der Folge eine kurze Auseinandersetzung.
Junger Aktivist verletzt
Daraufhin griff die BFE, die neben den abreisenden Demonstrant*innen auf der linken Straßenseite lief, in die Situation ein, schubste Antifas zur Seite und drängte diese durch die parkenden Autos. Um den Rechten, der der Grund für die kurze Auseinandersetzung war, kümmerten sie sich nicht. Vielmehr rannten die Polizist*innen jetzt in die gesamte abreisende Gruppe und schubsten, traten und schlugen auf die Demonstrant*innen ein. Dabei wurde ein 16-jähriger Aktivist, der in der Mitte der Straße stand, auf die linke Gesichtshälfte geschlagen und fiel mit dem Hinterkopf auf den Asphalt. Da die Person glücklicherweise eine Kapuze trug, entstanden keine offenen Verletzungen.
Der Betroffene wurde von einigen helfenden Menschen zur Seite an eine Hauswand gezogen. Als er wieder zu sich gekommen war und etwas getrunken hatte, wurde der Verletzte durch eine Person gestützt und lief im Schutz der Gruppe weiter.
Die BFE kümmerte sich nicht darum, dass augenscheinlich jemand verletzt worden war, sondern lief lediglich weiter neben den abreisenden Demonstrant*innen. Die Stimmung war sehr aufgeheizt als vor der Brücke über die Saale weitere Polizist*innen auftauchten. Beim Überqueren wurden die Antifas von den Polizist*innen auf der nur drei Meter breiten Brücke zur Seite geschubst. Den Verletzten hatten sie schützend in die Mitte genommen. Schließlich am Bahnhof angelangt, bestiegen die Demonstrant*innen den Zug nach Halle und reisten ab.
Die verletzte Person berichtete im Anschluss von einem Schmerzgefühl im ganzen Körper, insbesondere am rechten Knie, dem rechten Ellenbogen und der geschwollenen linken Gesichtshälfte. Hinzu kamen eine aufgeschlagene blutende Lippe, eine stark eingeschränkte Wahrnehmung und mit der Zeit zunehmende Kopfschmerzen. An die Situation selbst und den Schlag ins Gesicht hatte der Betroffene keine Erinnerung.
Zwei Mitdemonstrant*innen brachten den Verletzten in Halle ins Krankenhaus. Dort konstatierten die Ärzt*innen einen geprellten rechten Ellenbogen und ein Schädel-Hirn-Trauma, weshalb die Person zwei Tage stationär überwacht wurde.
In den ersten Tagen nach dem Vorfall klagte der Betroffene über starke Übelkeit sowie Schmerzen im Gesicht und am Ellenbogen. Starke Kopfschmerzen begleiteten ihn noch wochenlang. Der 16-jährige Schüler musste der Schule mehrere Wochen fernbleiben, um mit den unmittelbaren körperlichen und psychischen Auswirkungen umgehen zu können.
In der Öffentlichkeit fand dieser Vorfall kaum Beachtung. Da es sich lediglich um eine Abreisesituation handelte, wurde die Polizeigewalt nicht dokumentiert.
Weitere Vorfälle
Der beschriebene Vorfall reiht sich ein in eine Abfolge von Übergriffen durch die BFE in Sachsen-Anhalt. Bei einer antifaschistischen Demonstration am 24.05.2021 in Thale wurde eine ebenfalls minderjährige Person brutal von dieser Einheit in eine Maßnahme genommen.
Eine Woche darauf (auch im Nachgang einer Gegendemonstration gegen eine AfD-Wahlkampfveranstaltung) wurde in Merseburg Torsten Hahnel, Mitarbeiter beim „miteinander e.V.“, der dienstlich die AfD-Kundgebung beobachtete, von einem Polizisten ins Gesicht geschlagen, auf den Boden gedrückt und anschließend wegen angeblichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in eine Maßnahme genommen, wo ihm die Hände mit Kabelbindern zusammengeschnürt wurden.
Diese drei Vorfälle ereigneten sich innerhalb von nur eineinhalb Wochen. Auch bei Demonstrationen und Blockadeversuchen gegen die „Bewegung Halle“ kam es wiederholt zu massiver Polizeigewalt.
Bei all diesen Vorfällen waren insbesondere junge, teilweise minderjährige Aktivist*innen betroffen. Zumeist ohne ersichtliche Gründe werden diese jungen, engagierten Personen kriminalisiert. Diese Versuche der Abschreckung und Einschüchterung können insbesondere starke psychische Folgen haben.
Was bei den Vorfällen deutlich wird: Wir haben ein Polizeiproblem! Polizeigewalt häuft sich und kann alle treffen – am härtesten aber die Schwächsten.
Lasst uns deshalb solidarisch mit den Betroffenen sein und uns gemeinsam gegen diese Repressionen stellen.