Keine weiteren Ermittlungen trotz Anfangsverdacht für Tötungsdelikt

Mahnwache und Demonstration am 14. Jahrestag des Todes von Oury Jalloh

von | veröffentlicht am 30.12 2018

Beitragsbild: strassenstriche.net | CC-BY-NC 2.0

Am 7. Januar 2019 jährt sich zum 14. mal der Todestag von Oury Jalloh, der nach einem Brand in einer Zelle des Polizeireviers Wolfgangstraße in Dessau tot aufgefunden wurde. Obwohl die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau einen Anfangsverdacht für einen Tötungsdelikt durch Dritte bejaht und unabhängige Gutachten diesen stützen, bleiben die Ermittlungen zum Tod eingestellt.




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Anlässlich des 14.Todestages von Oury Jalloh rufen das Multikulturelle Zentrum Dessau e.V. und der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V. zur Teilnahme an einer Mahnwache auf. In ihrem Aufruf schreiben die Vereine:

„Wir wollen uns an diesem Ort versammeln, um an den Tod Jallohs zu erinnern, dem Toten zu gedenken und zugleich daran erinnern, dass 14 Jahre nach seinem Tod unabhängige Ermittlungen und eine vollständige juristische Aufklärung des Falles noch immer ausstehen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat entschieden, dass die Ermittlungen zu seinem Tod eingestellt bleiben, obwohl die Staatsanwaltschaft in Dessau-Roßlau zuletzt einen Anfangsverdacht für ein Tötungsdelikt durch Dritte bejaht hatte und zahlreiche unabhängige Gutachten diesen Anfangsverdacht stützen. Diese Entscheidung ist für uns nicht nachvollziehbar. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass hier Täter geschützt, Straftaten vertuscht und rechtstaatliche Prinzipien mit den Füßen getreten werden. Das Vertrauen in den Rechtsstaat kann so nicht wieder hergestellt werden.“

Ab 13 Uhr sammeln sich die Unterstützer_innen der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh am Bahnhofsvorplatz zur Kundgebung. Im Anschluss soll es eine Demonstration geben. Im Aufruf verweist die Initiative auf die gestiegenen Teilnehmerzahlen der letzten Jahre:

„Wir haben der Straffreiheit für Täter*innen in Diensten des Staates genauso wie der passiven und aktiven Unterstützung von Straftaten gegen migrantische Leben in Deutschland lange genug nur zugeschaut oder hinterherermittelt…
… es ist Zeit für Veränderungen!

Nach den beeindruckenden Teilnehmerzahlen der letzten beiden Demonstrationen am 7. Januar 2017 und 2018 wünschen wir uns eine Kontinuität in der öffentlichen Unterstützung, Solidarität und Entschlossenheit beim Gedenken an Oury Jalloh 2019!“

Transit berichtete bereits in der Vergangenheit mehrfach über die Entwicklungen. So erfolgte Ende 2017 die Einstellung des Falles durch die Staatsanwaltschaft Halle. Zuvor wurden dem damaligen Oberstaatsanwalt Folker Bittmann in Dessau die Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg entzogen und diese der Staatsanwaltschaft Halle übertragen – just in dem Moment, in dem Bittmann Fremdeinwirkung durch Polizeibeamte nicht mehr ausschließen konnte. Daraufhin wandten sich Migrant*innenorganisationen, Opferberatungsstellen und der Flüchtlingsrat an die Öffentlichkeit und forderten eine Wiederaufnahme der Ermittlungen. Zudem kam es zu Protesten vor dem Sitz der Staatsanwaltschaft in Halle.

(c) Thomas Schade

Einige Tage später wurden Recherchen des WDR öffentlich, wonach sich Anfang des Jahres Vertreter der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau im Institut für Rechtsmedizin der Universität Würzburg mit Brandexperten, Toxikologen, Rechtsmedizinern und Chemikern trafen und zu dem Ergebnis kamen, dass die These der Selbstentzündung nicht mehr zu halten sei. Dem Rechtsausschuss wurden alle Akten zugänglich gemacht, um eine politische Aufarbeitung des Falles zu ermöglichen. Abermals gab es Protest in Halle mit der Forderung nach Aufklärung.

(c) Transit

Der Arbeitskreis kritischer Jurist_innen schrieb zu den Entwicklungen:

„Im Angesicht der Ermittlungspraxis des Landes Sachsen-Anhalt wäre es geboten, die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft zu übertragen. Die Verdunkelungsgefahr im Land Sachsen-Anhalt erfordert die Zuständigkeit einer unabhängigen und überregionalen Stelle. Gerade die besondere Bedeutung des Falles, der von zahlreichen ermittlungstechnischen Ungereimtheiten umgeben ist und seit über einem Jahrzehnt die kritische Öffentlichkeit beschäftigt, sowie der begründete Verdacht, dass hier ein Mord vorliegt, gebieten dies (vgl. § 120 Abs. 2 GVG).“

Mittlerweile hat der Rechtsausschuss des Landtags den Rechtsanwalt Jerzy Montag sowie den ehemaligen Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel als Sonderberater eingesetzt. Montag war bereits Sonderermittler für das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags zum Fall des V-Manns Thomas Richter alias „Corelli“.

Vor wenigen Wochen teilte dann Jürgen Konrad der Generalstaatsanwalt in Naumburg mit, dass das Verfahren nicht wieder aufgenommen werde, da ein Verdacht gegen Dritte unbegründet sei. Henriette Quade von der Partei Die Linke wies daraufhin, dass Konrad in seiner Begründung die Anfangsverdachtsmomente nicht einmal benennt, was Fragen aufwerfe. Nun bleiben noch wenige Möglichkeiten, etwa eine Klageerzwingung vor dem OLG Naumburg oder die Aufnahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt, was dieser jedoch ablehnt. Während die politische Aufarbeitung durch die Sonderberster nur nach Abschluss des juristischen Prozedere beginnen kann, fordert Die Linke einen Untersuchungsausschuss. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh setzt derweil ihre Hoffnung auf eine eigens ins Leben gerufene „Internationale Unabhängige Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod von Oury Jalloh“.

Die Kundgebung von Multikulturellem Zentrum und Flüchtlingsrat findet am 7. Januar um 11 Uhr vor dem Polizeirevier Wolfgangstraße 25 in Dessau-Roßlau statt. An der Treppe des Reviers können Blumen niedergelegt werden.

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh ruft ab 13 Uhr zu Kundgebung mit anschließender Demonstration auf. Treffpunkt ist der Bahnhofsvorplatz. 

 

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.

Der Artikel wurde zuletzt am 31.12.18 um 19:29 Uhr geändert.