„Oury Jalloh – das war Mord“

Kommentar zum rassistischen Normalzustand

von | veröffentlicht am 08.01 2021

Beitragsbild: Transit | CC BY 2.0

Am 7.1.2005 verbrannte Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle. Wie jedes Jahr gab es eine Gedenkkundgebung, bei der Aufklärung und juristische Konsequenzen gefordert wurden. Corona-bedingt fand sie dieses Jahr dezentral statt – und so auch in Halle. Der dort gehaltene Redebeitrag gibt jedoch Anlass für eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Sprachgebrauch.




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Mahnwache in Gedenken an Oury Jalloh

Am 07. Januar, vor genau 16 Jahren, verbrannte Oury Jalloh in einer Zelle des Polizeireviers Dessau-Roßlau, nachdem er von Polizisten unrechtmäßig in Gewahrsam genommen wurde. Trotz mehrfacher unabhängiger Gutachten und dem rechtswidrigen polizeilichen Vorgehen wurde bis heute kein Verfahren gegen die möglichen Täter eingeleitet. Alle bisher getroffenen juristischen Urteile vertreten eine Selbstentzündungshypothese, wobei sie auf ein tatortfremdes Feuerzeug Bezug nehmen. Unabhängige Gutachten und Aufklärungsarbeit legen jedoch nahe, dass Oury Jalloh ermodet wurde.

Doch es ist nicht der einzige Fall, in den die Dessauer Polizei verwickelt zu sein scheint. 2018 hat die Internationale Unabhängige Kommission zur Aufklärung des Todes Oury Jallohs zwei weitere Mordfälle in die Untersuchungen mit aufgenommen. Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann starben ebenfalls beide in Polizeiobhut in Dessau – vermutlich infolge schwerer, durch Folter verursachte Verletzungen. Desweiteren wurde Yangjie Li von dem Sohn eines Dessauer Polizisten und dessen Freundin vergewaltigt und umgebracht.

Heute, wie jedes Jahr, fanden sich in mehreren Städten Menschen zusammen, um den Opfern zu Gedenken. Die sonst zentrale Demonstration in Dessau fand dieses Jahr Corona-bedingt dezentral statt. Und so auch in Halle. Die Gruppe Omas gegen Rechts hat dankenswerter Weise eine Mahnwache auf dem halleschen Marktplatz veranstaltet. Hier versammelten sich etwa 90 Personen, um an Oury Jalloh und die weiteren Opfer von Polizeigewalt und rassistischer Gewalt zu gedenken. Sie forderten eine vollständige juristische sowie politische Aufarbeitung der Fälle. Rassistische Gewalt ist kein Einzelfall. Rassistische Ideen findet man nicht bloß an irgendeinem Rand der Gesellschaft. Sie sind gesellschaftliche Normalität

 

Mila Flex

beschäftigt sich in letzter Zeit viel mit dem Gedenken an Opfer rechter Gewalt. Außerdem ist sie Teil der Transit-Redaktion.

Rassismus ist gesellschaftliche Normalität

Um dieser gesellschaftlichen Normalität etwas entgegenzustellen, müssen wir Rassismus auf allen Ebenen bekämpfen. Rassistische Gewalt und rassistische Morde müssen juristisch als solche benannt werden. Die Täter, die Oury Jalloh ermordet haben müssen dafür verurteilt werden. Die rassistischen Angriffe auf Aftax I. und İsmet Tekin im Zuge des Attentats in Halle vom 09. Oktober 2019 müssen als solche juristisch anerkannt werden. Menschen die sich Nazis in ihrem Alltag entgegenstellen, dürfen nicht vom Gericht als Täter*innen beschuldigt werden. Kundgebungen und Demonstrationen in Gedenken an die Opfer rechter Gewalt dürfen nicht verboten werden, derweil rechte Corona-Leugner*innen durch die Städte ziehen dürfen. Antifaschistische Kundgebungen und Demonstration dürfen nicht kriminalisiert werden. Im Gegenteil, sie müssen vom Staat und der Polizei ausreichend geschützt werden.

Rassismus muss auf allen Ebenen benannt werden, um ihn zu bekämpfen

Doch Rassismus endet nicht auf der Straße. Auch über unsere Sprache findet dieser seinen Ausdruck. Und so sind auch weiße Antifaschist*innen in der Pflicht, sich kritisch mit ihrem eigenen Handeln und ihrer Sprache auseinanderzusetzen. Im Redebeitrag der Omas gegen Rechts wurden heute wiederholt die Begriffe „Farbige“ und „dunkelhäutig“ verwendet. Diese Begriffe reproduzieren rassistische Stereotype und sind für eine antirassistische Demonstration nicht angemessen. (Die folgende Begründung stammt zum größten Teil von Noah Sow1, denn sie hat die Lage bereits sehr treffend auf den Punkt gebracht.)

Der Begriff „farbig“ ist nicht nur „eine koloniale Bezeichnung, die Menschen rassisch einordnen und kategorisieren möchte.“ (Sow 2018: 29), sondern „wird in Deutschland noch häufig als eine angeblich „höflich gemeinte“, weil schwächere Form von Schwarz strapaziert. Damit soll „abgeschwächt“ werden, dass eine Person Schwarz ist, und genau da ist das Problem:“ es ist ein Euphemismus, also eine stark beschönigende Bezeichnung. „Euphemismen werden üblicherweise dann verwendet, wenn es etwas zu krasses zu verschleiern gibt. Das ist einer der Gründe, warum „farbig“ bei vielen Menschen nicht besonders gut ankommt, denn es ist der Euphemismus von „Schwarz“, und das heißt, dass Schwarz als problematisch wahrgenommen wird oder beschönigt werden muss“ (Sow 2018: 30). Von „dunkelhäutig“ zu sprechen ist ebenfalls problematisch, da ja gerade die Fokussierung auf die Pigmentierung der Haut nur bei Schwarzen Personen passiert. Darüber, wie hell oder dunkel die Haut von weißen ist, wird nicht gesprochen. Dieser einseitige Blick ist rassistisch geprägt. Es gibt aber eine ganz einfach Lösung für dieses Problem: die politisch korrekte und vor allem selbst gewählte Bezeichnung für Schwarze Menschen ist „Schwarz“ (Sow 2018: 26). Wir sollten also, gerade in Redebeiträgen in denen wir unsere Solidarität ausdrücken wollen, bei diesem bleiben.

Sow, Noah (2018): Deutschland Schwarz Weiß. BoD – Books on Demand, Norderstedt.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.