Nazis raus

Interview mit „Kick them out“ zum Ende des rechten Hausprojektes

von | veröffentlicht am 13.06 2020

Im Jahr 2017 starteten die Identitären mit ihrem als „Leuchtturmprojekt“ bezeichneten Hausprojekt inmitten von Halle. Die Stadt wurde offenbar von der Neuen Rechten als Schwerpunkt ihrer Organisierung auserkoren. Immer wieder wurde sich gegenseitig und der Stadtöffentlichkeit versichert, dass man Halle nun übernehmen werde. Drei Jahre später ist das Projekt gescheitert. Was sich schon seit einigen Monaten andeutet, wird nun vollzogen: Die IB und mit ihr alle anderen neurechten Projekte ziehen aus. Nicht unwesentlich dafür verantwortlich, ist die kontinuierliche antifaschistische Arbeit der Gruppe Kick them out. Wir haben sie aus diesem Anlass interviewt.




diesen Beitrag teilen

Die IB zieht aus. Darauf habt ihr jahrelang hingearbeitet. Herzlichen Glückwunsch! Der Auszug war das Ziel der Kampagne und ihr habt‘s geschafft. Wie fühlt sich das an?

Sehr gut! Also wir sind auf jeden Fall ziemlich zufrieden damit, dass wir unserem Namen gerecht werden konnten und die Faschos letztlich rausgekickt haben. Aber nur, weil die „IB“ endlich eingesehen hat, dass ihr „Leuchtturmprojekt“ grandios gescheitert ist, legen sie nicht automatisch ihre Gesinnung ab, sie sind weiterhin in ihren Burschenschaften zuhause und in der Stadt wohnhaft, das darf man dabei nicht vergessen. Dazu kommen all jene Bewegungen und Ideologien in dieser Stadt und darüber hinaus, die einer befreiten Gesellschaft entgegen stehen. Uns ist bewusst, dass unser Erfolg im Endeffekt nur ein kleiner Teilschritt ist. Aber wir finden, auch darauf darf man anstoßen! Es hat uns viel Zeit und Kraft gekostet, diese dreijährige Arbeit.

Was ist die aktuelle Situation vor Ort? Was ist in den vergangenen Tagen passiert? Sind alle schon draußen?

Wir beobachten die Situation natürlich ganz genau. In den letzten Tagen waren diverse Auszüge zu beobachten, sowohl die der verbliebenen Bewohner – wie Robin Thomaßen und Paul Klemm – und der „IB“, als auch von EinProzent und der Sezession, welche im Haus ihre Büros hatten, so dass wir momentan davon ausgehen, dass das Haus leer ist. Daran beteiligt waren auch Akteure der „IB“, die länger schon nicht mehr in Halle am Haus gesehen wurden. Unter anderem: Till-Lucas Wessels, Torsten Görke, Dorian Schubert, Philip Thaler, Jonas Schick und Michael Schäfer, ehemaliger JN-Bundesvorstand und inzwischen bei EinProzent aktiv. Ebenso waren Paul Klemm (u.a. „Journalistenwatch“) und Robin Thomaßen dabei, die bis zuletzt noch in der Adam-Kuckhoff-Str. 16 wohnten. An den Umzügen war auch der ehemalige Grüne Sven Ebert, AfD-Gemeinderat aus Schkopau, mit seiner Umzugsfirma beteiligt.
Soweit wir wissen, soll das Haus verkauft werden und wir warten auf den Tag, an dem wir das schwarz auf weiß haben.

Was denkt ihr, war ausschlaggebend für den Erfolg? Wie bedeutsam war die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und der Zivilgesellschaft?

Das konstante Gegenhalten unsererseits – gemeinsam mit der Anwohner*innen-Initiative und Halle gegen Rechts haben wir nahezu jede geplante Veranstaltung der Faschos stören können. Zuletzt mit der erfolgreichen Blockade am 20. Juli letzten Jahres, als es der „IB“ weder gelungen ist, aus dem Hauptbahnhof, geschweige denn aus ihrem Haus heraus zu kommen. Wir haben sie mürbe gemacht. Zudem konnten sie durch die ständige Beobachtung und Kommentierung unsererseits, sei es durch Kundgebungen, Vorträge oder Rechercheveröffentlichungen, niemals die Deutungshoheit über den Charakter ihres Hausprojekts gewinnen. Somit war eine Mobilisierung außerhalb des politisch rechten Milieus für sie praktisch unmöglich.
Unserem Eindruck nach, war mit dem Wegzug ihres bekanntesten Kaders Mario Müller, sowie internen Streitereien der Abwärtstrend eingeläutet. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass ihr ideologischer Ziehvater Götz Kubitschek die „IB“ und später auch das rechte Hausprojekt in Halle bereits vor einigen Monaten öffentlich fallen ließ. Einen wesentlichen Anteil an der Zermürbung dürften auch die zahlreichen miltanten Aktionen gegen die „Identitären“ und ihr Haus gehabt haben.

Was habt ihr in den letzten Jahren gelernt – im Hinblick auf erfolgreiche Kampagnenarbeit?

Dass ein langer Atem wichtig ist. Seit 2017 schien uns klar, dass unser Ziel eigentlich nicht sonderlich realistisch ist und bei der ganzen „Feuerwehr-Politik“ aber auch eine inhaltliche Analyse nicht vergessen werden darf. So haben wir neben der aktionistischen Intervention uns intensiv inhaltlich mit Ideologie, Strategien und Auftreten der IB auseinandergesetzt. Diese Erkenntnisse haben wir in Form von Vorträgen immer wieder in Halle aber auch anderen Städten verbreitet, demnächst folgt eine ausführliche Broschüre. Für den erfolgreichen Verlauf der Kampagne und der antifaschistischen Arbeit war aber auch der breite Rückhalt im Viertel und der linken Szene in Halle entscheidend. Nur weil immer wieder viele Menschen in entscheidenden Momenten ihren „Arsch“ hoch bekommen haben, konnte es erfolgreich enden.

Wird sich Kick them out auflösen?

Zunächst nicht. Einerseits warten wir momentan noch auf ein richtiges Ende des Hausprojekts, andererseits müssen wir beobachten, ob die „IB“ nicht etwas Neues startet oder sich reorganisiert. Zwar ist die angebliche Bewegung politisch tot, aber die Kader bleiben ja weiterhin in der Stadt. Zudem ist vor den Toren von Halle ja auch noch das „Institut für Staatspolitik“, wo zwei Mal im Jahr identitäre Kader zusammenkommen und sich u.a. darauf vorbereiten für die AfD zu arbeiten. Es bleiben also genügend Herausforderungen für die antifaschistische Linke. Wir werden schauen, wie wir unser Wissen und unsere Ressourcen weiterhin in antifaschistische Arbeit investieren können. Vielleicht suchen wir uns ein neues Ziel, anbieten würden sich dafür ja zum Beispiel die extrem rechte Buschenschaft Germania oder das Sportstudio La Familia, in beiden tummeln sich ja auch „Identitäre“. Ihr werdet also von uns hören!

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.