Mietende lehnen sich auf

Prekäre Wohnzustände im Südpark

Keine Heizung, kaltes Wasser, Kakerlaken und Schimmel: die Wohnsituation in den Wohnungen der „belvona Real Estate GmbH“ im Südpark (Halle-Neustadt) ist prekär. Die Bündnisse „Halle Zusammen“ und „Genug ist Genug Halle“ haben gemeinsam eine Küfa (Küche für Alle) mit Haustürgesprächen und Vernetzungstreffen organisiert. Die Wut der Mietenden sei hoch – aber auch die Bereitschaft zur Vernetzung und zum Mietkampf.

Zustand einer Wohnung der belvona Real Estate GmbH (Bild: Mieterin aus dem Südpark)

Erst vor wenigen Tagen haben die Bündnisse „Halle Zusammen – Aktionsbündnis für gerechte Umverteilung“ und „Genug ist Genug“ dazu aufgerufen, Kleiderspenden für Personen im Südpark (Halle-Neustadt) zu sammeln. Benötigt würde „alles was warmhält“, denn die Bewohnenden würden aufgrund nicht funktionierender Heizungen frieren. Hintergrund dieses Aufrufs ist die aktuelle Situation, in der sich viele Mieter*innen der „belvona Real Estate GmbH“ befinden. Der Zustand in einigen Mietwohnungen scheint äußerst prekär zu sein. 

Bereits vor einigen Wochen hat Halle Zusammen auf die zeitweilige Abstellung der Wärmeversorgung hingewiesen. Für die Versorgung sind die Stadtwerke Halle verantwortlich.

Info

Halle Zusammen kämpft unter dem Motto „Unsere Solidarität gegen ihre Krise“ als Aktionsbündnis für gerechte Umverteilung. Zu finden sind sie hier

Genug ist Genug ist ein bundesweites Bündnis für soziale Gerechtigkeit. Kontakt mit der Gruppe in Halle kann man hier aufnehmen.

Die Schuld der Stadtwerke?

Auf Nachfrage der Transit-Redaktion ließen die Stadtwerke verlauten, dass aufgrund erheblicher Zahlungsrückstände seitens belvona am 7. September Schreiben in einer Vielzahl von Wohnhäusern im Gebiet des Südparks ausgehängt wurden, mit denen auf die bevorstehende Einstellung der Wärmeversorgung zum 8. September hingewiesen wurde. Hiervor betroffen waren Wohnblöcke in der Offenbachstraße, Telemannstraße, Eduard-Künneke-Straße und Mendelssohn-Bartholdy-Straße. Die exakte Anzahl der betroffenen Wohnungen bzw. der Mieter*innen könnten die Stadtwerke aufgrund der unbekannten Leerstandsquote nicht abschätzen. Bereits in den Sommermonaten hätten die Stadtwerke eine Einstellung der Versorgung androhen müssen. Dem sei ebenfalls ein langwieriger Mahnprozess vorausgegangen. Auch seien mit belvona Zahlungsvereinbarungen getroffen worden, die jedoch nicht bzw. nicht vollständig eingehalten worden wären. Bis zum Abend des 7. Septembers sei laut Angabe der Stadtwerke kein Zahlungseingang zu verzeichnen gewesen. Erst am Morgen des 8. Septembers, wäre die angekündigte Zahlung eingegangen, woraufhin die Stadtwerke auf eine Versorgungseinstellung verzichtet hätten.

Eine Mieterin erzählte auch von ihrem veralteten Sicherungskasten. Zweimal hätte die Feuerwehr bereits deswegen anrücken müssen (Bild: Mieterin aus dem Südpark)

Dennoch blieb die Wärmeversorgung teilweise aus. Verantwortlich hierfür sind laut einem Artikel von Du bist Halle jedoch nicht die Stadtwerke, sondern der Vermieter belvona selbst. Dieser hätte entsprechende Pumpstationen nicht rechtzeitig aktiviert gehabt. Belvona hat bislang nicht auf eine Anfrage der Transit-Redaktion reagiert. Auch in der Eduard-Künneke-Straße war der Zugang zu warmen Wasser zeitweilig nicht gegeben. Viele Mietenden berichten von der schlechten Erreichbarkeit der belvona GmbH. Diese sei über Wochen nicht kontaktierbar gewesen. 

Jessica Herrmann

ist Teil der Transit Redaktion. Neben Studium und Lohnarbeit geht das meiste ihrer Zeit für politische Themen drauf.

Die „belvona Zufriedenheitsgarantie“

Die belvona GmbH hat ihren Sitz in Düsseldorf. Auf seiner Website wirbt das Unternehmen mit einer „belvona Zufriedenheitsgarantie“ und einem „Mieterserviceprogramm“, welches die Mieter*innen aktiv mitgestalten könnten. Belvona versichert sogar, dass ein Mietbeauftragter sich innerhalb von spätestens zwei Stunden einem Problem annehmen würde. In der Realität scheint sich diese Garantie nicht zu erfüllen. Auf E-Mails seitens der Mieter*innen an belvona wäre oft nur eine automatische Antwort zurückgekommen, laut derer das Unternehmen derzeit nicht per Mail erreichbar wäre, so Emma, eine Sprecherin von Halle Zusammen. Der Zeitraum dieser mangelnden Erreichbarkeit hätte sich laut einiger Mieter*innen jedoch über Wochen hingezogen. Den beiden Bündnissen sei weiterhin berichtet worden, dass das Unternehmen auch telefonisch nur schlecht erreichbar wäre: „Uns wurde erzählt, dass Belvona den Hörer auflegt, wenn du als Bewohnerin für deren Geschmack zu oft anrufst“, so Emma. In einem gemeinsamen Gespräch mit Bewohner*innen des Südparks habe sich zudem herausgestellt, dass sich die belvona Real Estate GmbH oft erst auf genügend Druck hin – meist durch das Einschalten der Presse – den Problemen annehmen würde. So sei die Wärmeversorgung zwar in einem der mit öffentlicher Aufmerksamkeit versehenen Häuser wieder angestellt wurden, jedoch sei zeitgleich in einem anderen Objekt, das gerade nicht im Fokus der Öffentlichkeit stand, die Versorgungsleistung abgestellt wurden. Unter anderem an der Gewinnung solcher wichtigen Informationen über das Vorgehen der belvona GmbH lasse sich die Bedeutung gemeinsamer Organisierung erkennen, so Emma: „Es erscheint mir daher umso wichtiger, dass wir solidarisch aufeinander zugehen, uns unterstützen und unsere Skills sharen, anstatt uns länger gegeneinander ausspielen zu lassen“. 

Dies sei auch der Gedanke, welcher dem Bündnis Halle Zusammen sowie Genug ist Genug zugrunde liegt. Thema der Bündnisse seien die bestehenden sozialen Probleme, die sich nun aufgrund von Gentrifizierung und Teuerungen noch einmal verschärfen würden. Dies würde viele verschiedene Leute betreffen. Ziel sei es daher, praktische Solidarität auch außerhalb eigener Freundeskreise oder Milieus aufzubauen, um so einer Vereinzelung entgegenzuwirken. 

Die Idee hierbei sei, sich über die Stadtviertel hinweg gegenseitig in den Kämpfen zu unterstützen. In seiner Betroffenheit könne man sich nur selbst organisieren. Emma betont, dass die entstehenden Solidaritätsstrukturen über die Stadtviertel hinaus nachhaltig und langfristig sein müssen. Niemandem sei geholfen, wenn man nur mal kurz vorbeischauen und dann wieder verschwinden würde. Im Südpark sei die Situation durch das Agieren von belvona zwar besonders akut, doch „ein Mietkampf, beispielsweise für eine Person gewonnen, kann nur ein Gewinn für alle sein“. Hierbei ist es Emma wichtig zu betonen, dass die Mieter*innen der belvona GmbH nicht „völlig ohnmächtig und passiv“ alles hinnehmen würden: „Ich habe heute E-MailVerläufe gesehen, die bezeugen, wie lange sie teilweise schon probieren, sich zur Wehr zu setzen“. 

Suppe und Organizing

Neben dem Bestreben zum Aufbau von stadtteilübergreifenden Solidaritätsstrukturen ist es Halle Zusammen und Genug ist Genug ein Anliegen, Skillsharing zu betreiben: „In den eigenen Häuserkämpfen haben wir Sachen gelernt – über Generationen hinweg“. Diese Erfahrungen sollen nun auch außerhalb der eigenen Bubble zum Tragen kommen. Laut Emma seien auch Küfas (Küche für Alle) viel zu lange nur für die eigenen Leute gemacht worden. Außerhalb der eigenen Szene sei man untereinander vielleicht noch seltener gleicher Meinung, aber systembedingt seien die Interessen gleich, weshalb Kontakt und Solidarität miteinander wichtig sei. 

Aus diesem Grund hat Halle Zusammen gemeinsam mit Genug ist Genug eine Küfa für die Mieter*innen organisiert. Weitere sollen folgen. Die Küfa sei laut Emma sehr gut gelaufen: 

„Ich hätte mich auch gefreut, wenn wir einfach nur ein paar Kindern einen warmen Bauch verschafft hätten. Wir haben es heute einfach mal probiert und es hat geklappt. Ein paar von uns waren heute schon hier, bevor das Essen kam. Da kam schon jemand auf uns zu und meinte, er habe die Flyer gesehen und wollte mit uns reden. Darüber hinaus hatten wir mehrere Gespräche. Der Mensch von ganz zu Anfang kam auch später mit seiner ganzen Familie zurück und wir haben uns weiter unterhalten. Dabei kommt viel zusammen. Nicht nur die Sache mit belvona, sondern auch das ganze Drumherum“.

Kuchen und Suppe bei der Küfa (Bild: Dani Luiz)

In den Gesprächen sei klar geworden, wie sehr Klassismus im Alltag der Bewohner*innen präsent sei. Nicht nur seitens belvona würden die Menschen schlechte Behandlung erfahren, auch viele Behörden würden nicht immer fair agieren. „Ich meine damit ein Kalkül von belvona und auch vom JobCenter oder anderen Behörden und Institutionen, dass, wer im Südpark wohnt, eh nicht die Mittel hat, sich zu wehren“. Eine Bewohnerin habe zudem berichtet, dass auch die Polizei nicht immer kommen würde, wenn man sie riefe.

Neben der Küfa haben auch Haustürgespräche und Community Organizing stattgefunden: „Die Grundidee ist, dass wir offen zu den Leuten hingehen und ihnen sagen, dass wir gern mal mit ihnen quatschen würden. Wir gehen zwar am Anfang zu den Leuten. Das Ziel ist es aber, dass die Leute zu den Treffen kommen und ihre Probleme und Erfahrungen dort einbringen. Auf den Treffen soll dann gemeinsam nach Lösungen gesucht werden“, sagt Bene, eine der Personen, die Haustürgespräche durchgeführt haben. In der Zwischenzeit hat ein Vernetzungstreffen in der Passage 13 stattgefunden. Weitere seien geplant. Auch eine rege genutzte Chatgruppe gäbe es. Für Bene, der zwar schon in der DGB-Jugend Erfahrungen mit Organizing in Berufsschulen gesammelt hat, sind Gespräche in einem so privaten Umfeld wie der eigenen Wohnung noch neu. Auch Ari, die ebenfalls Haustürgespräche durchgeführt hat, kennt Organizing bereits aus dem gewerkschaftlichen Kontext oder auch aus der Klimabewegung. Ihr würde es sehr viel Spaß machen, so Ari. Zwar sei es eine gewisse Hürde, an den Türen zu klingeln, aber die Gespräche seien überraschend gut gelaufen. Eine Mieterin etwa hätte erzählt, dass sie selbst das Treppenhaus reinigen und Kakerlaken wegmachen müsse. Von ihr seien Ari und Bene dann auch gleich nach oben verwiesen worden. „In der Wohnung oben waren wir dann bei der Familie, wo die Kinder jetzt auch unten sind und Kuchen und Suppe essen. Wir wurden oben auch zum Essen eingeladen. Es war super nett und sehr gastfreundlich.“, so Ari. Durch die Haustürgespräche sei die Prekarität der Wohnsituation noch einmal klarer geworden. Laut Ari ist das Problem aber größer. Nicht nur die Wohnungen würden eine Schwierigkeit darstellen. Viele Leute würden zwar umziehen wollen, bekämen beim Jobcenter aber gesagt, dass dies nicht möglich sei: „Du wohnst in einem illegal verwahrlosten Haus und darfst aber auch strukturell nicht ausziehen. Da spielt auch ganz viel Rassismus mit rein“. Einige Menschen hätten erzählt, dass sie Probleme hätten, vom Jobcenter wegzukommen. Sie würden keinen geeigneten Job finden oder dürften teils auch nicht arbeiten, berichtet Ari und verweist auf den Rassismus im deutschen Arbeitsmarkt. „Man merkt auf jeden Fall, dass viele Leute hier sehr prekär leben. Und deshalb auch die Entrüstung und die Bereitschaft, etwas zu ändern, sehr hoch ist“, resümiert Ari.

Wer ist in der Verantwortung?

Neben der durch die mangelnde Wärmeversorgung hervorgerufene Kälte in den Wohnungen hätten viele der Bewohner*innen von Schimmel erzählt. Viele der Kinder würden Fieber haben und wären oft krank. Jascha von Genug ist Genug berichtet, dass Ärzt*innen einen Zusammenhang zwischen dem häufigen Kranksein und dem Zustand der Wohnungen attestiert hätten. Insbesondere der Schimmel würde hierbei eine Rolle spielen. Auch seien viele der Abflüsse kaputt. In der Wohnung einer Familie würde das Schmutzwasser in der Toilette und der Badewanne wieder hochkommen. Nicht nur unter dem hierdurch entstehenden Geruch würde die Familie leiden, auch die Gesundheit sei akut gefährdet. Zudem wird von Wasserrohrbrüchen in den Kellern berichtet. Weder der Hausmeister noch belvona selbst wären zu erreichen, so Jascha. 

Durch die kaputte Abflüsse wieder nach oben gelangtes Schmutzwasser. Bild: Mieterin aus dem Südpark (Bild: Mieterin aus dem Südpark)
Im Keller stehendes Wasser (Bild: Mieterin aus dem Südpark)
Schimmel an den Wänden und auf dem Boden (Bild: Mieterin aus dem Südpark)

Emma von Halle Zusammen sieht belvona als Vermietung in der gesetzlichen Pflicht, die Häuser in Schuss zu halten. Aber auch die Stadtpolitik sieht sie in der Verantwortung: „Ein Teil ihres politischen Auftrages ist es nun mal, für ihre Bürger*innen Sorge zu tragen. Auch im Blick zu haben, wer hier welche Häuser aufkauft und wie z.B. belvona als Vermieter vorgeht, gehört dazu“. Die von den Stadtwerken im Herbst angekündigte Einstellung der Wärmeversorgung kritisiert Emma ebenfalls: „Von den Stadtwerken erwarte ich, dass sie tatsächlich aus einem Motiv der Menschlichkeit heraus in einem solchen Fall weiter beliefern. Es ist unmenschlich, Menschen in der Kälte zu lassen, nur weil mir kein Geld überwiesen worden ist“. Zuletzt betont Emma die Verantwortung, die sie selbst trägt. Solidarisches Handeln sei notwendig. Man müsse sich zusammentun und sich gemeinsam wehren. 

Auf Social Media fordert Halle Zusammen die Enteignung der belvona GmbH. Belvona würde den Profit vor das Wohlergehen der Mietenden stellen. Viele der Bewohnenden würden aus dem Viertel wegziehen wollen. Laut Emma hätten sie damit auch Recht, denn die dortigen Zustände hätten sie stellvertretend für eine ganze Klasse lang genug ausbaden müssen. Zugleich ist Emma aber auch davon überzeugt, dass sich die dortigen Verhältnisse ändern würden, wenn die Eigentumsverhältnisse anders wären. Belvona hätte dann nicht mehr die Möglichkeit, „Menschen zu schikanieren und zu malträtieren“. Inzwischen würden auch Anwält*innen die Mieter*innen von belvona unterstützen, so Jascha. Vernetzungstreffen haben wie erwähnt bereits stattgefunden, weitere seien geplant.  Aktuell werden nach wie vor Decken und warme Kleidung gesucht. Diese können im Linken Laden, Leitergasse 4, 06108 Halle (Saale) (Mo-Mi: 8:30-15:00, Do-Fr: 8:30-13:00) und in der Reilstraße 78, 06114 Halle (Saale) in der offenen Sammelbox abgegeben werden. 

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