Microstories
Das Sofa
Es müssen zwanzig Jahre her sein, als ich das letzte mal auf dem Sofa sass. Nun stand es vor mir und ich verschwand in Erinnerungen meiner Kindheit. Damals war es für mich der gemütlichste Ort, eine Insel von Geborgenheit und Gemütlichkeit, aber auch von Abenteuer. In der Nostalgie konnte ich mich nicht davon halten mich wieder darauf zu setzen. Ich drehte meine Knie langsam und setzte mich mit Vorfreude auf wiederbelebte Gefühle. Doch als ich drauf sass kam es mir plötzlich klein und durchgesessen vor. Plötzlich schien es mir dreckig und alt zu sein. Ich stand au und dachte nie wieder an das Sofa.

Die Orchidee

„Igitt, lass sie da“ sagten sie ihr. „Die liegt doch im Müll!“ Doch sie konnte es nicht übers Herz bringen diese Orchidee, die nur noch ein kleiner Stiel mit zwei angeknickten Blättern und einem kaputten Topf war, in der Mülltonne liegen zu lassen. Sie nahm die Restpflanze mit nachhause, gab ihr einen neuen Topf und stellte sie in die Ecke am Fenster an die bis zum Nachmittag Sonnenstrahlen gelangen. „Schmeiss das Ding doch weg, wird doch nichts mehr“ sagte ihr Besuch. Doch ein halbes Jahr später wachte sie auf und sah zwei fröhliche Blüten ihr entgegen lächeln. Sie machte sich einen Kaffee und während sie ihn trank konnte sie schwören ein ganz leises „Dankeschön“ aus der Ecke zu hören. Es war ihr egal ob sie es wirklich gehört hat oder nur Wunschdenken war, sie war sich ihrer Tat wieder sicher.
Das Brot
„Brauchen wir noch etwas?“
„Brot!“
„Bring ich mit!“
doch er vergass das Brot. Das merkte er erst zurück an der Haustür und der Laden hatte gerade zu gemacht. Suppe ohne Brot – das wird ihr nicht gefallen. Um nicht zu erklären wieso er schon wieder nicht ans Brot gedacht hat übernachtete er im Park, ging morgens zum Laden, holte das Brot und ging nachhause. Sie wartete schon an der Tür. „Wo warst du? Die Nachbarn waren zum Essen hier.“ Das hatte er in all seiner Sorge um Vergesslichkeit vergessen, was ein Glück, er konnte die Nachbarn eh nicht leiden.

Der Bleistift

Ich habe mich früher immer geärgert, dass Bleistifte ab einer gewissen Länge immer verloren gehen. Wenn sie ungefähr bis zur Mitte gespitzt wurden, dann verschwinden die wie ein Wüstenfuchs bei Tag. Ich wollte einmal einen Bleistift bis zum Ende ausnutzen, also suchte ich einen heraus auf den ich besonders gut aufgepasst habe. Irgendwann waren nur noch die Spitze und etwa 2 Millimeter Stift übrig. Ich war stolz, aber noch war es nicht zu Ende. Ich spitzte den Bleistift weiter an, und auf einmal war er weg. In Luft aufgelöst, nichts mehr dran. Ich hatte es geschafft. Aber ich konnte es keinem zeigen, das hat mich noch ewig geärgert.
Die Fremden
Ängstlich starren sie sich schweigend gegenseitig an, den ganzen tag schon. „Wer ist diese Frau und was will sie in meinem Haus?“ denkt er sich, „wer ist dieser Mann und was will er in meinem Haus?“ denkt sie sich. Seit siebenundsechzig Jahre sitzen sie fast täglich hier, jetzt sind sie sich fremd, haben vergessen wer und wo sie sind. „Muss ich Ihnen weiterhin in die Augen schauen oder sagen Sie mir endlich ihren Namen“ sagte er ernst. „ich zeig Ihnen gleich wer ich bin“ sagte sie etwas aufgebracht. Was sie nicht mehr wissen ist, dass sie sich mit genau diesem Wortaustausch kennenlernten, damals am Marktplatz vor achtundsechzig Jahren. Und so haben sie diesen Moment aus der Jugend, ohne es zu wissen, ein zweites mal erlebt.


