Klimastreik: “Wir lassen uns nicht beeindrucken”
Fridays for Future auch in Halle auf der Straße
An diesem Freitag gehen weltweit an tausenden Orten junge Menschen auf die Straße, um die Politik dazu aufzufordern, angesichts der akuten Klimakrise endlich tätig zu werden. Auch in Halle hat sich eine Gruppe formiert, die uns einige Fragen beantwortet hat.
Der Klimawandel – Symptom eines kollektiven Versagens. Seit 1979 ist das Problem Bestandteil politischer Verhandlungen. Bis 1989 sah es zeitweilig sogar so aus, als ließen sich politisch tatsächlich Lösungen vereinbaren, wie die beeindruckende Dokumentation “Losing Earth: The Decade We Almost Stopped Climate Change” in der New York Times zeigt. Doch die jüngeren politischen Entscheidungen mit globaler Wirkung stimmen wenig optimistisch.
Gegen die Untätigkeit der Regierungen formiert sich nun eine neue weltweite Bewegung – “Fridays for Future” (FfF). Niemand hat sie “von oben” in Gang gesetzt. Sie ist einfach so entstanden. An tausenden Orten gehen mittlerweile junge Menschen, zumeist Schüler*innen, auf die Straße, um den älteren Generationen, jenen, die über die künftigen Lebensbedingungen ihrer Kinder und Enkel entscheiden, eines ganz deutlich zu sagen: “Der Klimawandel ist längst eine reale Bedrohung für unsere Zukunft. Wir werden die Leidtragenden des Klimawandels sein. Gleichzeitig sind wir die letzte Generation, die einen katastrophalen Klimawandel noch verhindern kann.”
Am heutigen Freitag werden es weltweit Hunderttausende sein. Auch in Halle, wo man die ersten Auswirkungen der langfristigen Klimaveränderungen im letzten Jahr bereits gut zu spüren bekam, wird gestreikt. Wir haben zu diesem Anlass einige Fragen an das Orga-Team des lokalen Ablegers von FfF gerichtet, die uns Simon beantwortet hat:
Transit: Wer verbirgt sich hinter Fridays for Future in Halle?
Simon: Hauptsächlich eine offene Organisationsgruppe. Alle, die Lust haben sich zu engagieren, können einfach zum Plenum kommen. Die Termine werden vorher über Telegram und WhatsApp bekannt gegeben.
Transit: Was hat der lokale Ableger der mittlerweile weltweiten Bewegung bislang auf die Beine gestellt?
Simon: Wir haben bereits mehrere Demonstrationen mit bis zu 400 Teilnehmer*innen organisiert, sowie eine Kreide-Malaktion, bei der ein Gemälde auf dem Marktplatz entstanden ist. Und natürlich jetzt die globale Demo am 15.3., auf die wir alle schon seit langem hingearbeitet haben. Aber auch in Zukunft wird es monatlich lokale und am 24.5. die nächste weltweite Demo geben.
Simon: Der Klimaschutz hat viele Facetten und alle sind wichtig um ein gelungenes Gesamtergebnis zu erzielen, aber die Schwerpunkte liegen im Kohleausstieg und der Reduzierung von Verkehr und Fleischkonsum um den CO2-Ausstoß so gering wie möglich zu halten.
Und FfF verfolgt nebenbei auch noch ein ganz individuelles Ziel: Wir sind alle jung und jeder von uns möchte gehört werden. Es ist uns daher besonders wichtig als Jugend von Politiker*innen ernst genommen zu werden und uns als politische Generation zu etablieren.
Transit: Wie ernst genommen von Politik und Medien fühlt ihr euch derzeit?
Simon: Das kommt sehr darauf an, fragt man die SPD, B’90/Die Grünen oder Die Linke, stößt man auf Verständnis und Unterstützung. Bei CDU, FDP und AfD stößt man leider nicht nur auf Unverständnis und Widerstand, sondern wird teilweise auch auf gröbste Art und Weise beleidigt. Aber schon allein die Tatsache, dass wir als „Kindersoldaten“ beschimpft werden und Menschen wie der Bildungsminister von Sachsen-Anhalt, Marco Tullner, versuchen uns mit angedrohten Geldstrafen oder Fehlstunden vom Demonstrieren abzuhalten, zeigt, dass diese Menschen mit dem Rücken zur Wand stehen. Man kann dies nur als einen Akt der Verzweiflung werten, die konservative Politik zu schützen. Von den meisten Medien werden wir jedoch sehr fair behandelt.
Transit: Was sagt ihr zu dem Vorwurf, eure Generation sei „unpolitisch“? Habt ihr euch vor dem Klimastreik schon politisch engagiert?
Simon: Jede unserer Demos widerlegt den Vorwurf, dass wir unpolitisch seien. Erst wird einem Politikverdrossenheit vorgeworfen und wenn die Jugend sich dann erhebt, gibt es viel Gegenwind aus der Politik. Doch davon lassen wir uns nicht beeindrucken. Für viele von uns sind die Klimastreiks der Einstieg in die Politik, jedoch sind auch einige, wie zum Beispiel ich selbst, schon länger in entsprechenden klimafreundlichen Parteien aktiv.
Transit: Inwiefern seht ihr eine realistische Chance, dass die weltweiten Schüler*innenstreiks etwas bewirken können?
Simon: Die Politik wird natürlich nicht unmittelbar mit der Umsetzung unserer Forderungen reagieren. Jedoch erzeugen wir sehr viel Aufmerksamkeit und irgendwann wird auch unsere Generation alt genug sein um Änderungen auf politischer Ebene zu bewirken. Wir tun natürlich aber auch unser Bestes um die von uns geforderten Ziele so schnell wie möglich zu erreichen, denn wir haben nicht mehr viel Zeit um unsere Erde vor einer großen Klimakatastrophe zu bewahren.
Transit: Was sagt ihr Politiker*innen, die euch empfehlen, doch nach dem Unterricht zu demonstrieren?
Simon: Das würde unsere Absicht verfehlen, durch die Streikform zum einen mediale Aufmerksamkeit zu erzielen und andererseits die Botschaft „Wofür sollen wir lernen, wenn es keine Zukunft gibt?“ zu verbreiten. Die Politiker*innen, die seit Jahren nichts gegen die deutschlandweit Millionen von ausgefallenen Unterrichtsstunden pro Monat tun wollen, können jetzt nicht behaupten, dass zwei Stunden pro Woche zu viel seien um für unsere Zukunft zu kämpfen. Alle Politiker*innen, die mit der Schulpflicht argumentieren, zeigen aus unserer Sicht, dass sie weder Ahnung von, noch jede Art von Verständnis gegenüber den Sorgen junger Generationen besitzen.
Simon: Viele Lehrer*innen, insbesondere diejenigen, die Fächer mit politischen Anteilen unterrichten, befürworten die Demonstrationen. Allerdings trauen sich viele Lehrkräfte und die Schulleitungen mittlerweile nicht mehr, sich für die Schüler*innen einzusetzen, seitdem Bildungsminister Tullner wohl unterschwellig Konsequenzen für besagte Lehrkräfte angekündigt hat.
Transit: Wo seht ihr in Halle konkrete Möglichkeiten, etwas für das Klima zu tun?
Simon: Jeder kann im Rahmen seiner Möglichkeiten helfen. Sei es durch einen eingeschränkten Fleischkonsum oder die nicht gekaufte Plastikverpackung. Konkret in Halle und Umgebung wären beispielsweise eine autofreie Innenstadt und ein Aufforsten sicherlich sinnvoll.