Kein Merz im Februar

Über die halleschen Proteste gegen die derzeitige Faschisierung

Wie schon vor einem Jahr gibt es auch in den ersten Wochen des Jahres 2025 genügend Anlass, um auf die Straße zu gehen und zu protestieren. An dieser Stelle sammeln wir einige Eindrücke der letzten beiden Aktionen.

Am 25.01. gegen die AfD und…

Am 25.01.2025 kündigte sich die #NoAfD an, um ihren bundesweiten Wahlkampfauftakt in der Messe in Halle abzuhalten. Knapp 4000 Sympathisant*innen der Partei fanden ihren Weg in das gut gesicherte Gebäude, in das zwischenzeitlich der Tech-Fascho und Trump-Boy Musk zur Unterstützung und Geschichtsrelativierung zugeschaltet wurde. Viel wichtiger: Drumherum konnten insgesamt 10.000 Menschen zum Gegenprotest mobilisiert werden. Ein breites Bündnis rief schon Tage vorher zu Aktionen an diesem Datum auf. So gab es neben einer Kundgebung direkt am Messegelände noch zwei Zubringer vom halleschen Hauptbahnhof aus. Einer war für Leute mit Rad, der andere war eine Laufdemo.

Bildquelle: Halle gegen Rechts

Vom Hauptbahnhof:

Bereits vor 11 Uhr (dem Startpunkt der Demo) war es rappelvoll. Viele waren mit bunt geschmückten Rädern am Start und jedes Alter war vertreten. Ob Lastis, Klapp- oder Rennräder, es war eine große zweirädrige Gesellschaft. Irgendwann, als sich alles sortiert hatte, und Fahrradfahrende von Fußgänger*innen getrennt waren, konnten beide Züge beginnen.

Die Fahrraddemo fuhr mit ca. 1700 Beteiligten über die Merseburger- und Dieselstraße bis zur Leipziger Chaussee und dann zum Messegelände. Stadtbekannte Nazis versuchten mit Pöbelei und Reißzwecken auf der Straße die Demo zu stören, konnten jedoch abgedrängt werden. Die Polizei griff nach mehrfachen Bitten ein.

Nach der Fahrraddemo startete dann auch die Laufdemo vom Hbf. Ihr schlossen sich etwa 7000 Menschen an. Mit zahlreichen Bannern und Plakaten folgten sie dem Weg der Fahrraddemo. Mit lauter Musik wurden Sprechchöre skandiert. Vereinzelt wurde versucht, die Demo durch Pöbeleien zu stören, und Autofahrende auf einer Abbiegespur verhielten sich dem Demozug gegenüber aggressiv. Verletzt wurde dabei niemand. Jedoch kam es im Kontext der Proteste zu einem Angriff mit Pfefferspray gegen Teilnehmende der Demo. Insgesamt leitete die Polizei gegen 34, die Demo Störende, Verfahren ein.

Die Kundgebung an der Messe:

Um 10:20 hatte das Bündnis Widersetzen Halle zur gemeinsamen Anreise vom Hauptbahnhof zur Messe aufgerufen. Bereits diese S-Bahn war berstend gefüllt und auch mit den nächsten Zügen sollte der Strom an Menschen zum Messegelände kaum abreißen. So sammelte sich dort bereits gegen 11:30 eine große Menge an Menschen. So warteten auf der Kundgebung vor dem Messegelände bereits 1000 Leute auf das Eintreffen der Räder und Laufenden. Die Kundgebung kann insgesamt als friedlich bewertet werden. Es gab eine Bühne von der Musik lief und das Demo-Radio von corax übertragen wurde. Viele Familien und Kinder waren anwesend. Die Demo teilte sich in eine Gruppe, die der Kundgebung und Livemusik an der Bühne lauschte und eine Gruppe, welche die Besucher*innen der Veranstaltung direkt am #NoAfD-Parkplatz in Empfang nahm. Viele Banner, Schilder und Parolen schienen ein paar der Neonazis derart zu provozieren, dass sie begannen, Videoaufnahmen des Demoblocks zu machen. „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ und andere Sprechchöre vermitteln unmissverständlich: mit Faschisten diskutieren wir nicht, sondern wir stellen uns ihnen geschlossen entgegen. Mit dem Eintreffen der Fahrraddemo füllten sich die beiden Demoplätze immens und auch die vorher nicht freigegebene Wiese wurde in Folge von Demonstrant*innen besetzt.

Auch wenn, anders als noch Anfang Januar in Riesa, keine wirksamen Blockaden erfolgten und von den Gegenprotesten wahrscheinlich wenig in die Messehalle vordrang, kann die Mobilisierung so vieler Menschen als Erfolg gewertet werden. So bewertet es auch Thorsten Hahnel, Sprecher des Bündnisses Halle gegen Rechts, in einem Gespräch gegenüber Radio Corax. Er glaube nicht, dass jemensch diese Zahl für möglich gehalten habe. Gleichzeitig kritisierte er auch den Polizeieinsatz als völlig übertrieben. Neben Wasserwerfern und Räumpanzern kreiste auch ein Hubschrauber beständig über dem Geschehen und 1000 Polizist*innen sicherten die Versammlung der AfD ab. Dennoch konnten Pöbeleien und Angriffe auf die Demo nicht effektiv von den Behörden verhindert werden.

Bildquelle: Halle gegen Rechts

… am 01.02. gegen deren Steigbügelhalter

Nachdem die CDU und FDP (und BSW) deutlich gemacht haben, dass sie im Zweifelsfall mit Stimmen der AfD ihre rassistische Politik zu Mehrheiten im Parlament führen wollen, regte sich deutschlandweit der Widerstand auf den Straßen. „Auf die Barrikaden“ rief die Abgeordnete der Linkspartei Heidi Reichinnek im Bundestag den Fraktionen auf der rechten Seite des Parlamentes entgegen. Diese hatten in rassistischer Tradition ein sogenanntes „Zustrombegrenzungsgesetz“ auf den Weg bringen wollten. Auf die Barrikaden gingen dann auch Menschen in vielen großen und kleinen Städten (Eine Übersicht lässt sich hier finden).

Bildquelle: Halle gegen Rechts

Unter dem Titel „Brandmauer? Keine Zusammenarbeit mit der AfD!“ fanden sich bis zu 8000 Personen zu einer Demonstration zusammen. Sie begann am Rosa-Luxemburg-Platz im Giebichensteinviertel in Halle. Ziel war es, gegen die rassistische Politik im Bundestag zu protestieren und dem allgemeinen Rechtsruck etwas entgegenzustellen. Die Versammlung, organisiert vom Bündnis „Halle gegen Rechts“, führte vom Landesmuseum über das Reileck und Steintor bis zum Marktplatz. Die Teilnehmenden skandierten Parolen wie „Shame on you, CDU“ und „Ganz Halle hasst die AfD“.

In ihren Redebeiträgen machten u.a. Gisela Döring von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN BdA) und ein Sprecher der Evangelischen Studierenden- und Hochschulgemeinde Halle deutlich, wie sie die bundespolitischen Ereignisse der Woche einordnen und verwiesen auf den angeblich christlichen Hintergrund der CDU. Das Bündnis „Halle gegen Rechts“ stellte zudem vier Forderungen auf, die darauf eingingen, die Zusammenarbeit mit der extremen Rechten zu unterlassen, eine demokratische Haltung zu zeigen und den Rechtsruck zu stoppen. Abschließend positionierten sich noch die kritischen Jurist*innen, die lokale Gruppe für ein Verbot der AfD [Siehe auch hier] und das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V. in einzelnen Redebeiträgen und erinnerten u.a. daran, dass die bundespolitischen Dynamiken auch Auswirkungen auf die Stadt (in der die AfD die größte Fraktion im Stadtrat stellt) und die Region habe.

Bildquelle: Halle gegen Rechts

Was bringen die Proteste?

Wie schon bei der Protestwelle im letzten Jahr stellt sich auch dieses Mal für Viele die Frage, welchen Effekt diese Demos eigentlich haben (können). Wir alle erinnern uns, dass es kurz nach den Protesten im Januar ´24 wieder sehr ruhig wurde um die Skandalisierung der AfD und ihre Forderungen. Schlimmer noch: Politiker*innen von SPD und Grünen, die zuvor auf jenen Kundgebungen glänzten, setzten im selben Jahr rassistische und migrationsfeindliche Politik um, die selbst unter einer unionsgeführten Regierung für Aufschreie gesorgt hätte. Konkret wurden beispielsweise mit dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ die Voraussetzungen für Abschiebehaft deutlich gesenkt und die Möglichkeiten, gegen Abschiebungen erfolgreich zu klagen, stark eingeschränkt. Es drängt sich die Frage auf, inwiefern diese Proteste unter Beteiligung von Regierungsparteien letztendlich staatstragend zu einer Legitimation der rassistischen Politik der Ampelkoalition beigetragen haben. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass politische Proteste gegen rechtsextreme Parteien durchaus Einfluss auf Umfrage- und Wahlergebnisse haben können. So sank beispielsweise die Zustimmung zur AfD nach den deutschlandweiten Demonstrationen im Januar 2024 um zwei Prozentpunkte. Diese waren jedoch nur von marginalem Umfang und geringer Dauer. Bald danach gingen die Prognose für die Rechtsextremen wieder nach oben. Die Proteste gegen Rechts sind in ihrer unmittelbaren Wirkung auf die Ergebnisse also scheinbar begrenzt.

Die Bedeutung liegt an anderer Stelle. Einerseits kann festgestellt werden, dass eine größere Menge an Protestierenden für Außenstehende stärker die Mehrheit der Bevölkerung zu repräsentieren scheint. Menschen, die von dieser „Norm“ abweichen, stellen sich vermehrt die Frage, ob sie vielleicht nicht doch lieber wieder „zu dieser Mehrheit“ dazu gehören wollen. Außerdem sei die Selbstvergewisserung, die die Teilnehmenden der Proteste erfahren ein zentraler Effekt, sowohl im letzten wie auch in diesem Jahr. Beides legte Simon Treuner vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung in einem Gespräch mit Radio Corax dar. Menschen merken, dass sie mit ihrem Unbehagen gegen die aktuelle Politik nicht alleine sind. Zudem seien die Proteste gerade in kleineren Städten und ländlichen Regionen wichtig, da sie dort aktive Gegennarrative bieten. Sie seien, so Treuner, „eine Ermutigung, es weiterzumachen und zu sehen, okay, da gibt es auch andere Leute“. Ein zusätzlicher Effekt sei, dass „die Leute auch miteinander ins Gespräch kommen bei diesen Demonstrationen, dass es zu neuen Vernetzungen kommt, dass man weiß, auf wen am Ort man sich verlassen kann oder wer ansprechbar ist“. Darüber hinaus wurden neue Strukturen geschaffen und alte neu belebt. Treuner spricht bei den Protesten gegen Rechts von einem „Vitalisierungsschub für demokratische Organisierungen“. In der Studie wird auch herausgearbeitet, wer an diesen Veranstaltungen teilnimmt. Durchschnittlich sind dies Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen, die sich politisch links einordnen. Eine breitere Aktivierung könne laut Simon Treuner erreicht werden, wenn neben Demonstrationen weitere Formate wie Kulturveranstaltungen oder Austauschformate im öffentlichen Raum angeleiert würden, um breitere gesellschaftliche Schichten einzubeziehen. Auch die Einbindung anderer Bündnispartner könne interessant sein. Dazu zählt er große Vereine, die bisweilen als nicht- oder unpolitisch auftreten.

„Man sollte nicht darauf warten, dass irgendjemand sagt: Jetzt kommt mal bitte, das ist gut.“

Thorsten Hahnel von „Halle gegen Rechts“ weist in seinem Gespräch mit Radio Corax (Link s.o.) auf unterschiedliche Möglichkeiten hin, weiterhin selbst aktiv zu bleiben. Neben Gesprächen im nahen Umfeld zählt dazu auch vor allem Eigeninitiative. So seien das eigene Anmelden von Demonstrationen oder die Unterstützung bestehender Arbeit wichtige Elemente. Vor allem, so Hahnel, müsse man verstehen, dass es nicht mehr reicht, „einmal im Jahr zu einer Demo zu gehen“. Vielmehr möchte er für ein Engagement werben, das es im Alltag brauche, um der AfD Einhalt zu gebieten, sei es im Kontakt mit dem eigenen direkten Umfeld oder bei der Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteure.

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