CDU und AfD: Im Feindbild vereint

Wie die CDU in Sachsen-Anhalt das Feld der AfD bestellt

von | veröffentlicht am 19.12 2017

Beitragsbild: Wikipedia / Ra Boe | CC BY 2.0

Die jüngste Episode der in Teilen offenen Kooperation zwischen CDU und AfD ist an Absurdität kaum zu überbieten. Sie steht sinnbildlich für die politischen Verhältnisse in Sachsen-Anhalt: Rechtsaußen bestellt und die CDU liefert.




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Eine Landtagssitzung im vergangenen Oktober: Die AfD thematisierte im Rahmen ihrer üblichen Linksextremismushalluzinationen die HaSi – das soziokulturelle Zentrum in der Hafenstraße 7 in Halle – im Landtag. Mit absurden Behauptungen und kaum vorhanden Fakten prangerten Akteure, die mit der gewaltbereiten rechtsextremen „Identitären Bewegung“ zusammenarbeiten, das Projekt als „Hort des Linksextremismus“ an und forderten seine Schließung. Sebastian Striegel, parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/ Die Grünen und damit Teil der Landesregierung, hielt dagegen und brach eine Lanze für zivilen Ungehorsam. Nicht alles, was nicht legal sei, sei auch gleichzeitig illegitim, sagte er während der Landtagssitzung mit Blick auf die ursprüngliche Besetzung des Objektes Anfang 2016.


Die Debatte führte zum nächsten offenen Streit innerhalb der Regierungskoalition. Genau darauf wollte die AfD hinaus.


Diese Debatte führte zum nächsten offenen Streit innerhalb der Regierungskoalition. Genau darauf wollte die AfD hinaus. Und sie wurde nicht enttäuscht. In der darauffolgenden Sitzung des Landtages stellte die AfD einen Antrag, der Striegel zum Rücktritt aus der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz (PKK) auffordern sollte. Als Begründung wurde auf dessen Rede in der HaSi-Debatte verwiesen.

Bereits im Oktober war die Empörung über diese Bemerkung – die zu den Gemeinplätzen der Rechtsbetrachtung gehört – in der CDU mindestens genau so groß wie in der AfD. Die Empörung steigerte sich schließlich, als die offenbar koalitionsintern verabredete ‚Entschuldigung’ der Grünen-Fraktionschefin nicht so ausfiel, wie sich das die Extremismusexperten der CDU vorgestellt hatten. Bereits während ihrer Rede konnte man zur Freude der AfD beobachten, wie einige CDU-Abgeordnete ihre Köpfe schüttelten und „das reicht nicht“ murmelten.

Die CDU lehnte den AfD-Antrag, der Striegel zum Rücktritt aus der PKK aufforderte, dann auch nicht geschlossen ab, wie es in einer Koalition zu erwarten gewesen wäre. Nur wenige Abgeordnete der CDU stimmten dagegen, die Mehrheit enthielt sich. Letztlich gab es nur auf Grund des Abstimmungsverhaltens der LINKEN eine Mehrheit gegen die Attacke der AfD auf ein Mitglied der Regierungskoalition. Dass die CDU sich nicht bereit sah, diesen hanebüchenen Antrag geschlossen abzulehnen, war bereits ein Geschenk an die AfD.

Schon frühzeitig Sympathien für die AfD

Und es war nicht das erste. Gleich zu Beginn der Legislatur 2016 zeigte die CDU Ihre klare Präferenz: Der später als 7-Minuten-Präsident kurzzeitig bekannt gewordene Daniel Rausch (AfD) erreichte problemlos das Quorum bei der Wahl zum Vizepräsidenten des Landtages, während Wulf Gallert (LINKE) diese Zustimmung zunächst verwehrt blieb. Auch das Thema Linksextremismus, das für die AfD als Teil ihrer strategischen Themensetzung von besonderer Bedeutung ist, offenbart immer wieder die Nähe zwischen CDU und AfD. Selbst die harmlose Feststellung, dass Rechtsextremismus – und nicht Linksextremismus – was auch immer darunter verstanden wird – ein strukturelles Problem in Sachsen-Anhalt sei, führte in der Landtagsdebatte zu erbostem Dauerschreien aus der ersten Reihe der CDU. Entsprechende aufgepeitschte Interventionen und Fragen von einzelnen CDU-Abgeordneten führen regelmäßig zum tosenden Applaus von AfD und CDU in trauter Eintracht. Und wer genau hinschaut, kann angesichts dessen manchmal einen kurzen, erschrockenen Blick auf dem Gesicht von Ministerpräsident Haseloff sehen.

Auch die von der CDU sekundierte Attacke gegen den anscheinend verhassten Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen ist nicht neu: Bei einer eigentlich unbedeutenden Abstimmung zur Besetzung eines Stellvertreterpostens in der PKK fiel die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Conny Lüddemann, überraschend durch. Dieses Ergebnis ist nicht ohne Neinstimmen aus der CDU-Fraktion zu erklären. Schon dies allein ist ein in einer Koalition eigentlich undenkbarer Vorgang.

Stahlknecht unterstützt AfD-Kampagne

„Eigentlich undenkbar“ heißt aber nicht, dass dies in Sachsen-Anhalt nicht denkbar sei. In diesem Bundesland werden unerschrocken neue Wege gegangen. So will es offenbar auch Holger Stahlknecht. Der führte am 18. November in der Volksstimme aus, dass in der HaSi „Pläne geschmiedet [werden], wo man das nächste Trafohäuschen sprengen kann.“ Die Hasi hatte unlängst darauf reagiert und die Prüfung rechtlicher Schritte gegen solche Aussagen angekündigt. Zwei Wochen später setzte er in der Mitteldeutschen Zeitung fort, die HaSi sei ein „ultralinkes Zentrum“ und fügte hinzu: „Wehret den Anfängen!“.


Elf Abgeordnete der Koalitionsfraktionen haben Sebastian Striegel die Solidarität gegen den Angriff der AfD verweigert.


Die Geschichte der politischen Zusammenarbeit von CDU und AfD erhielt in der Dezember-Sitzung des Landtages ein weiteres Kapitel: Die AfD stellte am 19. Dezember erneut einen Antrag zur Abwahl Striegels aus der Kommission. Spannend war dabei weniger die Debatte als das Ergebnis: Denn eine solche Abwahl kann mit einem Quorum von 44 Stimmen erfolgen. Die Zahl der Nein-Stimmen und Enthaltungen ist dabei völlig irrelevant. Das Quorum wird erreicht oder eben nicht. Letzteres durfte angesichts der Vorgeschichte und der politischen Disposition der CDU zumindest als unsicher gelten. Da die LINKE erklärte, nicht an der Abstimmung teilzunehmen, wurde augenscheinlich der Druck auf die CDU erhöht, weil das Spekulationen, wer denn Interesse haben könnte, das Spiel der AfD mitzutreiben, zumindest auf die Abgeordneten der Regierungskoalition beschränkte. Am Ende stimmten 28 Abgeordnete für und 34 gegen die Abwahl Striegels. Fünf Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Damit haben elf Abgeordnete der Koalitionsfraktionen Sebastian Striegel die Solidarität gegen diesen Angriff auf alles, was die AfD für links hält, verweigert.

Auch der Innenminister unterstützt die Kampagne gegen die HaSi. Denn offenbar haben er und der innenpolitische Sprecher der CDU, Chris Schulenburg, sich entschlossen, die Kampagne der AfD gegen den Linksextremismus im Allgemeinen und die HaSi im Besonderen fortzusetzen. Inhaltlich haben sie dafür ebenso wenig Fakten wie die AfD, dafür aber genauso viel plumpe Stimmungsmache zu bieten. Die HaSi ist weder per se linksextremistisch, noch Kriminalitätsschwerpunkt, geschweige denn Hort politisch motivierter Kriminalität. Wer lediglich die Unterstützung durch linke Gruppen als Beleg für Gefährlichkeit und politischen Extremismus anführt, dabei aber das reale Geschehen in der HaSi aus der Darstellung ausklammert, betreibt offensiv das Geschäft der AfD.

CDU und AfD arbeiten Hand in Hand

Wenn der Innenminister auch noch unter der Überschrift ‚Wehret den Anfängen‘ gegen die HaSi Stimmung macht, zeigt das deutlich: Über die Anfänge ist die Kooperation zwischen CDU und AfD in Sachsen-Anhalt weit hinaus. Hier wird Hand in Hand gearbeitet. Diese politische Kampagne hat augenscheinlich nichts mit sicherheitsrelevanten Erkenntnissen zu tun, sondern nur mit politischer Absicht. Dass ein Innenminister nichts dazu sagt, dass Polizisten aus dem Haus der „Identitären Bewegung“ heraus angegriffen werden und dies im Landtag von der AfD als legitime Notwehr, hinter der man stehe, verharmlost wird, ist eine Sache. Gleichzeitig aber ohne Belege ein soziokulturelles Zentrum als künftigen Kriminalitätsschwerpunkt zu diffamieren, ist unseriös und mehr als bezeichnend für eine selektive Wahrnehmung der Geschehnisse im Land.


Einen CDU-Innenminister, der sich zum Helden einer AfD-Kampagne macht, braucht niemand.


Die HaSi mag nicht jedem gefallen und es gibt zu klärende Fragen, insbesondere wie gedeihliches Zusammenleben aller Nachbar*innen gelingen kann. Fakt ist aber: Einen CDU-Innenminister, der sich zum Helden einer AfD-Kampagne macht, braucht niemand.

Sein Bemühen, das Thema Linksextremismus zu einem politisch wichtigen Thema in Sachsen-Anhalt zu machen, überrascht vielleicht einige angesichts seiner durchaus vorhandenen Fähigkeiten, der AfD als ‚guter Demokrat‘ Paroli zu bieten. Letztlich ist es aber auch für ihn keine neue Wendung. Regelmäßig gibt Stahlknecht analog zur Forderung der AfD öffentlichkeitswirksam die Parole aus, die Zahl der Abschiebung demnächst zu verdoppeln. Und auch die Fokussierung auf das Thema Linksextremismus ist weniger neu, als wohl eher das Revival eines alten Herzensthemas: Bereits 2011 sagte Stahlknecht in einer Landtagssitzung „Die Antifa braucht die Anti-Antifa“ und wollte sich damit positiv auf die Extremismustheorie Eckhard Jesses beziehen.

Angesichts der Tatsache, dass dieser Innenminister als künftiger Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gehandelt wird, gibt diese Kampagne gegen die HaSi einen Vorgeschmack, wohin der politische Kompass der CDU und ihres Innenministers zeigt: Eine Regierung mit direktem Einfluss einer rechtspopulistischen und gerade in Sachsen-Anhalt in weiten Teilen rechtsextremen Partei.

Gastautorin Henriette Quade ist innenpolitische Sprecherin der LINKEN im Landtag von Sachsen-Anhalt und stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.

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