Hasi auf der Kippe: Stadtrat stimmt gegen Lösung für das Projekt

Dem soziokulturellen Zentrum droht Ende Januar das Aus - SPD-Fraktion gibt den Ausschlag

von | veröffentlicht am 21.12 2017

Beitragsbild: Transit

Der hallesche Stadtrat hat sich am Mittwoch gegen eine Anmietung der Hafenstraße 7 durch die Stadt Halle zugunsten des soziokulturellen Zentrums Hasi ausgesprochen. Entscheidend waren dabei die Stimmen der SPD. Die Fraktion hatte sich bis zuletzt nicht klar zum Hausprojekt positioniert. Der Hasi droht nun die Schließung Ende Januar. Bis dahin läuft noch eine Vereinbarung mit der Halleschen Wohnungsgesellschaft HWG, der das Haus gehört. Ein Kommentar.




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Es war eine denkbar knappe Abstimmung im Stadtrat: 26 Rät*innen votierten für die Anmietung des Hasi-Grundstückes durch die Stadt, 27 stimmten dagegen, wie unter anderem die Städtische Zeitung berichtete. Ausschlaggebend waren dabei die Stimmen der SPD-Fraktion. Trotz einer im Gespräch mit Transit zuvor noch geäußerten positiven Haltung gegenüber dem soziokulturellen Zentrum stimmte die SPD nahezu geschlossen gegen das Projekt.

Noch am Abend zog eine Spontandemonstration mit etwa einhundert Menschen durch die Stadt um vor dem Stadthaus, in dem der Stadtrat zuvor tagte, und der SPD-Geschäftsstelle am Markt Solidarität mit der Hasi zu zeigen. Bis zum Tag der Abstimmung hatte die Fraktion der Sozialdemokrat*innen im Stadtrat alle weitgehend im Ungewissen über ihr Abstimmungsverhalten gelassen. Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung brachte sie dann einen Dringlichkeitsantrag ein, der die Stadtverwaltung damit beauftragt, nach einem Alternativstandort für das soziokulturelle Zentrum zu suchen. Dies wollen aber weder Stadtverwaltung noch der Hasi-Trägerverein Capuze.

Spekulationen über die Gründe

Über die Motive der SPD-Fraktion lässt sich nur spekulieren: Ist es die Angst vor jenen Teilen der Nachbarschaft, die von Anfang an Stimmung gegen das Hausprojekt gemacht hatten? Zu Beginn der Stadtratssitzung nutzten einige Anwohner*innen die Gelegenheit, um mit bereits bekannten Ressentiments – Gefühl der Bedrohung, illegale Hausbesetzung, Lärmbelästigung – Stimmung gegen die Hasi zu machen. Besonders bezeichnend eine Aussage: Durch die Hasi leide die Attraktivität des Wohngebietes, in dem sich Investoren doch so engagiert hätten. Sollte Investitionsfreundlichkeit also handlungsleitend für die Stadtpolitik werden?

Den anderen möglichen ausschlaggebenden Grund stellen finanzielle Risiken dar: Im Gespräch mit Transit und gegenüber der Städtischen Zeitung sprach Johannes Krause unter anderem von hohen Kosten für die Sanierung des kontaminierten Grundstückes. Dieses Risiko könne die Stadt Halle nicht eingehen. Indirekt war sie diese allerdings bereits seit zwei Jahren eingegangen. Schließlich hatte die HWG als 100-prozentiges Tochterunternehmen der Stadt die Nutzung des Geländes erlaubt und die Risiken dafür in Kauf genommen – ohne Intervention des Aufsichtsrates, der sich aus dem Oberbürgermeister und Stadträt*innen zusammensetzt.


Zum jetzigen Zeitpunkt der Verhandlungen stünden Gewinner und Verlierer fest, hat die Hasi doch bereits zu verstehen gegeben, dass für sie das mutmaßliche Scheinangebot der SPD nicht in Frage kommt.


Und auch eine dritte Möglichkeit drängt sich zunehmend auf. Wie die Stadträtin Ute Haupt von der Fraktion DIE LINKE in einem Post bei Facebook am Donnerstagvormittag vermutet, hätten “die Verhinderer dieses Beschlusses nicht nach einer konstruktiven Lösung gesucht. Vielmehr sind Argumente hoch und runter diskutiert worden, hinter denen man sich verstecken kann, um nicht sagen zu müssen ‘Wir wollen das Projekt nicht’.” SPD-Stadträtin Annika Seidel-Jähnig wollte dies so nicht stehen lassen: Sie sei wütend über solche Anfeindungen gegenüber der SPD im Nachgang des Stadtratsbeschlusses, kommentiert sie Haupts Äußerungen. Und in einer anderen Diskussion kommentiert der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eric Eigendorf, die Fraktion hätte einen Vorschlag gemacht “bei dem sich keine Seite als Gewinner oder Verlierer fühlen muss”. Dabei stünden zum jetzigen Zeitpunkt der Verhandlungen Gewinner und Verlierer fest, hat die Hasi doch bereits zu verstehen gegeben, dass für sie das mutmaßliche Scheinangebot der SPD nicht in Frage kommt.

Ohne klares politisches Leitbild

Unterdessen wird den Befürworter*innen der Hasi vorgeworfen “ideologisch” an die Sache herangegangen zu sein, wie es etwa unter einem “Hasi-bleibt”-Post der Grünen Jugend zu lesen ist. Doch was wäre falsch daran, “ideologisch”, also mit einem klaren politischen Leitbild an diesen Konflikt heranzugehen? Braucht es nicht gerade in einer Zeit, in der sich menschenfeindliche Einstellungen auf dem Vormarsch befinden und sich in der viel beschworenen “Mitte der Gesellschaft” einnisten, eine politische Auseinandersetzung um soziokulturelle Freiraum-Projekte, die sich entschieden für eine vielfältige und tolerante Stadtgesellschaft einsetzen?


Dass die SPD sich bewusst oder unbewusst die Sache des blau-schwarzen Bündnisses zu eigen macht und die Beerdigung des Hausprojektes mitbeschließt, lässt nichts Gutes erahnen für die weitere Entwicklung der Stadt.


Von der CDU ist kein Widerstand gegen den derzeitigen gesellschaftlichen  Rechtsruck und die zunehmenden Ressentiments gegen Linke zu erwarten, wie bei Transit in einem Gastbeitrag von Henriette Quade und im Interview mit Sebastian Striegel zu lesen ist. Doch dass die SPD sich bewusst oder unbewusst die Sache des blau-schwarzen Bündnisses zu eigen macht und die Beerdigung eines Hausprojektes mitbeschließt, das in der Wahlheimat der Identitären Bewegung und bei einem AfD-Bundestagswahlergebnis von 18 Prozent einen Lichtblick darstellt, lässt nichts Gutes erahnen für die weitere Entwicklung der Stadt.

Man muss sich das einmal vorstellen: Ein linkes Hausprojekt wird von der Stadtverwaltung unterstützt bei einer eigentlich rot-rot-grünen Mehrheit im Stadtrat. Andernorts wäre die Sache damit ziemlich klar gewesen. Doch in der Bemühung “ideologischer Unbefangenheit” verstecken sich die Sozialdemokrat*innen hinter technokratischen Argumenten. Das hat ihnen schon in der Landesregierung und bei der letzten Oberbürgermeisterwahl massiv geschadet und könnte ihnen nun auch bei den anstehenden Kommunalwahlen zum Verhängnis werden. Denn die Botschaft scheint klar: Wer eine offene, freie, und ab und an experimentierfreudige Stadtgesellschaft will, der dürfte spätestens jetzt verstanden haben: Mit dieser SPD ist da derzeit auch vor Ort nicht zu rechnen.

Endgültige Entscheidung steht aus

Dass dies keine Überbewertung des Hasi-Konfliktes ist, zeigt die lange öffentliche Diskussion um das Hausprojekt im vergangenen Jahr mit Kundgebungen, öffentlichen Versammlungen, offenen Briefen und einem großen medialen Echo. Steht doch der Konflikt auch exemplarisch für eine Stadt, in der ehrenamtlich getragene, frei zugängliche öffentliche Räume zunehmend bedroht sind.

Für die Hasi dürfte der Dezember-Beschluss des Stadtrates unterdessen noch nicht das endgültige Aus bedeuten: So könnte der Stadtrat in seiner Januar-Sitzung angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse zu einer anderen Entscheidung über einen modifizierten Antrag kommen. Schließlich will die Stadtverwaltung das Projekt und könnte gegebenenfalls noch einige kritische Argumente ausräumen. Darüber hinaus wäre, wie das Online-Forum “Du bist Halle” spekuliert, eine Verlängerung des Projektes in Obhut der HWG denkbar. Zwar ist die Hasi bei der dortigen Geschäftsführung nicht sonderlich beliebt, wie die Verschleppung des Abschlusses einer Vereinbarung über die Verlängerung des Projektes bis Ende Januar 2018 gezeigt hat. Doch der Aufsichtsrat, in dem sich Stadträte und Stadtverwaltung mit anderen Mehrheitsverhältnissen als im Stadtrat gegenübersitzen, steht der Hasi eher wohlgesonnen gegenüber.

Wünschenswert wäre, dass sich doch noch eine rot-rot-grüne Gestaltungsmehrheit im Stadtrat findet, um das soziokulturelle Zentrum für viele Jahre zu sichern und von der eher unsicheren Beziehung mit der HWG zu befreien. Ein guter Monat stünde für Verhandlungen immerhin noch zur Verfügung.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.

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