Experiment im Stillstand?

Freiräume zwischen Hobbykeller und Orten politischer Auseinandersetzung

von | veröffentlicht am 26.11 2017

Beitragsbild: per.spectre

Ende Oktober veröffentlichten wir zum Start des Debattenmagazins Transit einen Beitrag zum soziokulturellen Zentrum „Hasi“ in der Hafenstraße 7, dessen Existenz knapp zwei Jahre nach seiner Gründung bedroht ist. Auf dem Spiel steht ein Freiraum. Doch wofür steht der Begriff des Freiraums? Wofür braucht es solche Orte in Halle und anderswo? Und inwiefern können die damit verbundenen Ansprüche eingelöst werden? Mit diesem Gastbeitrag der Gruppe „Geko – Gesellschaftskritische Odyssee“ setzen wir die Debatte um die halleschen Freiraumprojekte fort.




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Der Eröffnungstext zum ersten Themenschwerpunkt Freiräume: „Neues Leben in der Hafenstraße Nummer 7 – Von der Gasanstalt zum soziokulturellen Zentrum“ endet mit der pathetischen Hoffnung, „dass die Hasi vom soziokulturellen Hausprojekt zu einem unverzichtbaren Freiraum für die ganze Stadt reifen kann.“ Ohne die Differenz zwischen den Begrifflichkeiten des soziokulturellen Zentrums, als welches die Hasi bezeichnet wird, und dem des Freiraumes weiter auszuführen, wird letzterer als ein Ziel formuliert, welches sich vom Ist-Zustand abhebt und ein „Mehr“ beinhaltet als es ein soziokulturelles Zentrum mit sich bringt. Anders gesagt: Der alte linksromantische Begriff des Freiraumes wird wieder bemüht, um dem doch eher nüchtern klingenden Begriff eines soziokulturellen Zentrums, von denen es ja viele gibt, ein wenig mehr Pepp, einen stärker revolutionären Gestus, eine Hoffnung auf eine befreite Gesellschaft, einzuschreiben. Es liest sich nett, aber man weiß nicht so recht, wo der Autor damit hin will. Schließlich charakterisiert er die Hasi in dem Artikel als einen wichtigen städtisch-kulturellen Ort. Es wird ein Teil der Selbstbeschreibung der Hasi angeführt: “Selbstbestimmt und selbstverwaltet können wir Alternativen zum allgemeinen Gegeneinander entwickeln und diese ausprobieren und einfordern.” Man wolle ein Ort “zum Austauschen und Weiterbilden sein”.

Dieser Satz ist exemplarisch für solche Hausprojekte bzw. für das, was in der Linken gemeinhin als Freiraum verstanden wird. Man findet ihn in mehr oder weniger veränderter Form auch in der Reil 78, im VL Ludwigstraße oder anderen autonomen soziokulturellen Zentren. Man könnte ihn demnach als einen Kernsatz der Freiraumidee der radikalen Linken betrachten. Auch der im Artikel angeführte Quartalsbericht der Hasi, mit dort aufgeführten Aktivitäten wie „Konzerte, Theater, Workshops und Bildungsveranstaltungen. (…) Bewegungsraum (…)“, liest sich wie ein x-beliebiger Quartalsbericht der leider weniger werdenden autonomen soziokulturellen Zentren oder auch der sozialarbeiterischen soziokulturellen Räume in Deutschland. Zumeist tun sie das Gleiche und zumeist sehen sie sich sehr ähnlich.

Dieser Beschreibung der Hasi als Beispiel für das, was gemeinhin unter einem Freiraum als materialisiertem Raum verstanden wird, seien andere, aber ähnliche Beschreibungen von Freiräumen zur Seite gestellt. Der „Freiraum Offenburg“, so die Selbstbezeichnung, bewarb sich noch vor drei Jahren in diesem Ton: „Wo fühlst du dich frei? Was macht dich frei? Was bedeutet Freiraum für dich? Es gibt nur wenige Plätze, an denen man sich wirklich frei fühlt. Es gibt nur wenige Orte, an denen man genau den Freiraum findet, den man sucht (…). Lass dich inspirieren. Mach dich bereit für deinen Freiraum“. Dieser „Freiraum“ richtet sich an „alle Kulturbegeisterte, Business Netzwerker, Musikfreaks, DJ-Liebhaber und Konzertgänger. Für alle, die einen Raum suchen, um sich dort frei zu verwirklichen. Kunst, Kultur, Konzerte, abgefahrene Partys, Gala-Veranstaltungen, Businessevents – genau was du für deinen ganz persönlichen Freiraum brauchst: Musik – Momente – Menschen und Emotionen“.

Beim „Freiraum Bayreuth“ wiederum handelt es sich um ein Fitness- und Healthzentrum zur freien Modellierung des Körpers. In Berlin wiederum wirbt die „Tempelhofer Freiheit“, für ein Raumnutzungskonzept für den alten Flughafen Tempelhof, welches professionell durch verschiedene GmbHs (Tempelhofer GmbH in Kooperation mit der Grün Berlin GmbH) organisiert werden soll. Die Piraten sprachen sich bei einem Volksentscheid für dieses Gelände vor ein paar Jahren für einen basisdemokratisch selbstbestimmten Freiraum (dazu ein Youtube-Video) aus, bei denen sie Ideen von verschiedenen Menschen sammelten, welche Folgendes vorschlugen: Konzerte, Selbstverteidigungskurse für Rentner, ein fahrbares Theater und einen Kinderbauernhof mit Hasenpatenschaft. Und schlussendlich gibt es seit über einem Jahrzehnt in Halle, neben den gängigen linken Freiräumen, das von der Wohngenossenschaft „Freiheit“ für junge Menschen entwickelte Wohnkonzept „FreiRaum“, das wie folgt für sich wirbt: „Unsere Wohnungen verkörpern junges Lebensgefühl! Wir bieten euch selbst zu verwirklichende Wohnträume. Bei uns könnt ihr euch euren eigenen FreiRaum gestalten.“

Dies sind nur ein paar Beispiele für die verschiedenen Arten der Vorstellungen von Freiräumen und den sehr ähnlich bis gleich klingenden Selbstbeschreibungen. Man kann also fragen, welche Hoffnung den Autor des Textes antreibt, wenn die Hasi nicht nur ein soziokultureller Ort bleiben, sondern gleich ein Freiraum für „ganz Halle“ werden soll?


Während bei den einen also das Individuum im alleinigen Zentrum einer suggerierten Selbstverwirklichung mit Spaß, Emotionen, Anforderungen und Selbstverwertung steht, soll bei den AZ und Freiräumen die Selbstverwirklichung des Einzelnen in eine kollektive politische Praxis einbezogen sein.


Man kann zunächst verschieden gesetzte Trennungslinien feststellen. Bei den linken soziokulturellen Zentren/Freiräumen soll es um einen unkommerziellen selbstbestimmten, selbstgestalteten und unter Selbstverwaltung stehenden Raum gehen. Um einen Ort, wie die Reil 78 schreibt, wo sich Menschen „mit den verschiedenen Ideen treffen können“ und wie im Falle des Autonomen Zentrums Aachen, um einen „öffentliche[n] Raum, der Vereinzelung entgegen[wirkt]“. Beim Autonomen Zentrum Köln heißt es weiter, es ginge darum ein „utopisches Experimentierfeld – und ein Startpunkt für Angriffe auf die Verhältnisse (…) [durch] einen Ort für selbstverwaltete, unkommerzielle Kunst, Kultur und Politik“ zu sein. Es soll also auch wie bei den kommerziellen Freiräumen oder den unter Fremdverwaltung stehenden (Jugendhilfeträger, Wohlfahrtsverbände oder Vereine mit pädagogischem Auftrag/Sendungsbewusstsein) um das Ausleben des Selbst gehen, um die Selbstentfaltung und die Selbstverwirklichung. Nur eben mit verschieden starken Regelwerken, mit verschieden starken Einbeziehungsmöglichkeiten in die Entscheidungsfindungen und je unterschiedlichen finanziellen Anforderungen. Hinzu kommt, dass sich die autonomen Orte noch im Gegensatz zur Gesellschaft positionieren, also im Gegensatz zu den dortigen (Un-)Möglichkeiten. Und es geht um eine, wie das AZ Aachen schreibt, „kollektive Freiheit“, „ohne in autoritäre Gemeinschaften zu verfallen“.

Während bei den einen also das Individuum im alleinigen Zentrum einer suggerierten Selbstverwirklichung mit Spaß, Emotionen, Anforderungen und Selbstverwertung steht, soll bei den AZ und Freiräumen die Selbstverwirklichung des Einzelnen in eine kollektive politische Praxis einbezogen sein und die Selbstverwirklichung immer schon eine, welche sich von der Gesellschaft loslösend entwickeln soll. Den Kern bildet aber bei beiden Formen eine Selbstverwirklichung des Einzelnen. Einmal konformistisch zum gesellschaftlichen Individualismuscredo, beim anderen in Frontstellung zu einer gesellschaftlich diagnostizierten Entfremdung und Unmöglichmachung der Selbstverwirklichung. Aber auch mit einem, als authentischer suggerierten Individualismuscredo, welches nun bei den AZ nicht vereinsamt stattfinden soll, sondern in einer kollektiven Praxis einer Gegenkultur zu gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Inwiefern die Praxis in diesen Orten das auch gewährleisten kann ist damit noch nicht ausgesagt, grundsätzlich geht es immer um ein Probieren, Experimentieren und Reflektieren.

Freiheit und Zwang

Schon der Selbstverwirklichungsnimbus erscheint problematisch. Warum gerade an diesen Orten, welche oft nur einen Teil der Lebensrealität der dortigen Menschen bildet, ganz zu schweigen von deren Sozialisierung und Erziehung, eine wirkliche Selbstverwirklichung oder eine Annäherung möglich sein soll, wird nicht wirklich erklärt. Woher dieses Selbst kommt und inwiefern es sich dort überhaupt angeregt entfalten wird, kann nicht gesetzt werden. Ganz im Gegenteil sind diese Orte auch immer Orte von Disziplinierung und Kontrolle. Nicht die Selbstverwirklichung steht dort im Mittelpunkt, sondern das experimentelle Ummodellieren des Selbst durch Sprach-, Emotions- und Verhaltensregulierung mit dem Ziel, einen Ort zu schaffen der diskriminierungs- und herrschaftsfrei ist und von einem solidarischen Miteinander geprägt wird. Letzteres meint dann oft auch Konfliktfreiheit, was für die Einzelnen durchaus enorme Anstrengungen verlangt. Zugespitzt: wenn die sozialistischen Staaten den neuen Menschen schaffen wollen, so sind die linken Freiräume Orte, wo sich die dort aktiven Menschen zu verändern versuchen über Regulierung, Disziplinierung, aber durch die Möglichkeit bisher Unterdrücktes zuzulassen und auszuleben. Diese Freiräume sind also nicht nur Räume, wo bisher nicht Auslebbares ausgedrückt werden soll, sondern sie enthalten auch Formen von Selbstzwang. Mit einem anderen Blick, welcher nicht so sehr das Individuum in den Fokus nimmt, zeigt sich dort gut die Freiheitsproblematik, dass die Freiheit des Einzelnen dann von anderen eingeschränkt werden kann, wenn diese deren Freiheit einschränkt.

Deshalb ist ein Kennzeichnen dieser linken Freiräume das Doppelspiel von positiver und negativer Freiheit. In ihnen sollen die Einzelnen die Freiheit zu etwas bekommen, also mehr Dinge ohne Zwang tun können als in anderen Räumen der Gesellschaft. Gleichzeitig herrscht in diesen Räumen eine Freiheit von etwas: frei von Diskriminierungen, Kommerzialisierung und Herrschaftsstrukturen sollen sie sein bzw. – wie immer betont wird – werden. Diese Ebene betrifft natürlich auch potentielle Veränderungen im Verhalten der Einzelnen. Denn was bedeutet es, wenn man einen Raum schaffen möchte, der einen Gegenpart zur herrschenden Gesellschaftsform bilden soll und gleichzeitig Subjekte, welche diesen Raum schaffen und sich selbst verwirklichen sollen, genau aus dieser Gesellschaft stammen. Geht es dann um Selbstverwirklichung oder um die Veränderung des Selbst, welches sich innerhalb der Gesellschaft immer auch zu Teilen als ein warenförmiges und konformistisches Selbst erschaffen musste.

Solidarische Praxis?

Orte wie die AZ sehen sich immer als Übungsfelder und betonen ihre Verwobenheit mit der Gesellschaft und den daraus resultierenden Schwierigkeiten. Dazu gehören die Herausbildung von internen Machtstrukturen und die Fortführung von gesellschaftlichen Diskriminierungserscheinungen. Obwohl die linken Freiräume sich als Experimentierfeld verstehen, die – wie die Hasi im Transit-Beitrag zitiert wird – die erprobten Alternativen gesellschaftlich einfordern wollen, sind Aufbau, Entscheidungsstrukturen und Mechanismen dieser Orte seit Jahrzehnten ähnlich. Wie ein Experiment im Stillstand wirken diese Orte vielmehr, wo wenig neue politische Praxis entwickelt wird, als eher lieb gewonnene alte oder romantisierte Formen konserviert werden.


Wie ein Experiment im Stillstand wirken diese Orte vielmehr, wo wenig neue politische Praxis entwickelt wird, als eher lieb gewonnene alte oder romantisierte Formen konserviert werden.


Man kann durchaus fragen, ob in solchen Orten auch wirklich eine Vermittlung mit den gesellschaftlichen Anforderungen passiert, in der Form, dass Alternativen entwickelt werden, oder ob die Ansprüche teilweise eher zu identitären Phrasen werden. Denn oft werden solche Freiräume auch zu einem Raum, der von unseren existenziellen Problemen innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft als frei suggeriert wird. Über diese wird nur noch abstrakt-theoretisch verhandelt, ohne dass der Einzelne vor Ort konkret auftaucht, bspw. mit Schwierigkeiten der Lohnarbeit, des Hartz-IV-Amtes – also der Geldbeschaffung zum Leben – oder anderen Zumutungen. Die solidarische Praxis findet eher in der politischen Arbeit nach außen statt oder in der Instandhaltung des Raumes. Darüber hinaus wird die solidarisch-zwischenmenschliche Praxis, welche über ein „Wir haben uns alle lieb“-Dogma hinausgeht, auf nach der Veränderung vertagt. Oder sie erschöpft sich in der Möglichkeit günstig auf Konzerte zu gehen, günstiges Bier zu trinken und sich im Umsonstladen zu bedienen.

Anders sieht es da schon bei solchen solidarischen Projekten wie Betriebsübernahmen oder Betriebskollektiven aus, die zumindest versuchen, die noch aktuelle Abhängigkeit im kapitalistischen System nach politisch-emanzipatorischen Vorstellungen zu gestalten. Das bedeutet jedoch auch eine Art Kommerzialisierung zu betreiben, um entsprechende Löhne bezahlen zu können. Das geht nicht nur bei produktiven Betrieben so, sondern lässt sich gut an Projekten wie dem Conne Island in Leipzig und der VL-Kneipe, Radio Corax oder dem Lila Drachen in Halle beobachten. Hier wird eine Professionalisierung und Kommerzialisierung vollzogen. Die Menschen betreiben dafür aber nicht nur reine Freiwilligenarbeit, sondern werden auch entsprechend – zumindest teilweise – entlohnt. Der Duktus der Aufopferung ist bei offenen Hausprojekten, welche den Charakter eines soziokulturellen Zentrums beanspruchen, weit verbreitet und wird wenig von einer über die dortigen Aktivitäten hinausgehende solidarische gemeinschaftliche Praxis flankiert.


Die großen Feste von der Reil 78, dem VL oder der Hasi erscheinen als eine einzig bunte Konsumware.


Freiräume sind deshalb auch nicht selten Meister im Umgang mit begrenzten Ressourcen und haben Vorbildfunktion für die sich ausweitenden Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich. Der Chic, welcher in den Freiräumen vorherrscht, entsteht aus den begrenzten materiellen und zeitlichen Ressourcen, mit denen diese Räume, besonders die Häuser, welche die Kommerzialisierung und Professionalisierung aus Überzeugungsgründen ablehnen, auskommen müssen. Daraus wird jedoch kein Skandal gemacht oder Forderungen zur Aneignung von materiellen Ressourcen erhoben, sondern ein Lifestyle. Die antikapitalistische Überzeugung wird mit einer immensen Selbstausbeutung zeitlicher Ressourcen der Akteure erkauft, die oft dazu führt, dass Personen sich überarbeiten und nicht selten vor dem Burn-Out stehen. Und auch sonst bleibt in den Räumen, welche für sich zumindest eine konsumkritische Position beanspruchen, der Widerspruch, dass die meisten Leute, die diese Räume nutzen, zu ihnen in ein warenförmig-konsumierendes Tauschverhältnis treten. Die großen Feste von der Reil 78, dem VL oder der Hasi erscheinen als eine einzig bunte Konsumware.

Freiraum trotz oder wegen politischem Wohlwollen?

Auch ist es mit der Autonomie nur so weit, wie man die Eigentumsverhältnisse auf seiner Seite hat. Oft hängt die Selbstbestimmung vom Wohlwollen der staatlichen Strukturen ab. Diese entscheiden letztendlich, ob der Ort bestehen darf oder nicht. Anders sieht das bei solchen professionalisierten Strukturen wie Corax oder wirtschaftlich arbeitenden Betrieben aus, welche durch Vereinsformen oder Eigentumsrechte selbstbestimmter entscheiden können, gleichwohl diese von Fördergeldern oder dem Markt abhängen. Dessen ist man sich auch bewusst, wie es im Artikel „Wir brauchen Platz“ vom 06.11.17 im Transit Magazin ausgeführt wird.

Dass Städte solche soziokulturellen Zentren zumindest dulden, hat verschiedene Gründe. Ein möglicher wird von der Bundeszentrale für politische Bildung ausgeführt, die, so könnte man den Eindruck bekommen, eine Umgangsempfehlung gibt: „Trotzdem sollten Autonome Zentren nicht ausschließlich als Gefahr verstanden werden. (…) Die praktischen Funktionen der Zentren sind gering: (…) Je mehr Ärger die Aktivisten mit Gebäude und Organisation haben, desto weniger Zeit bleibt ihnen für politische und vor allem militante Aktionen. Eine intelligente Tolerierung eines solchen ‚Autonomen Disneylands‘ kann aus demokratischer Sicht effektiver sein als eine Räumung. Denn vor allem fürchten sich die Aktivisten vor dem ‚Würgegriff der herzlichen Umarmung‘, der die Bewegung langfristig zum Stehen bringt“. Bei dem schon eingangs erwähnten Text über die Hasi kann man den Eindruck gewinnen, dass die Hasi selbst diese herzliche Umarmung sucht und liebend gern annimmt, um sich als ein Freiraum für ganz Halle zu etablieren.


Der von den Projekten gewünschte Effekt, als Angebot von den Menschen wahrgenommen zu werden und zu wirken, lässt sich nicht von dem Spannungsverhältnis lösen, in der kapitalistischen Stadt als Angebot ermöglicht und im nicht gewünschten Sinne genutzt zu werden.


Ein anderer möglicher Grund für Städte, solche Spielräume bereitzustellen, ist die Zukunftsplanung aus einer postindustriellen Perspektive. Gleichwohl in der städtischen Politik immer auch Kräfte agieren, die gegen diese Räume arbeiten und denen Freiräume als Feindbilder erscheinen, gibt es immer auch jene, welche positive Potentiale, auch als Standortfaktoren, aus diesen Räumen ableiten können.

Laut dem Artikel „Wir brauchen Platz“ ist den Menschen hinter den Freiraumprojekten Hasi, Radio Corax, Freiraumgalerie oder Lila Drachen bewusst, dass sie auch einen nicht intendierten Nutzen für eine kapitalistische Stadt bringen. So weisen sie darauf hin: „Solche Projekte dienten eben gerade einer lebenswerten Stadt und keinesfalls einer investitionsfreundlichen Stadt. Es geht also auch um das Motiv.“ Weiter wird in Bezug auf die Freiraumgalerie ausgeführt: „Zudem seien die Künstler*innen und Kreativen selbst nicht schuld daran, dass der Effekt von Freiraumprojekten ausgenutzt werde“. Dass man Einwirkung auf die Stadt hat, in der man aktiv ist, dürfte auch nicht verwunderlich sein. Von daher macht es auch kein Sinn solchen Freiraumprojekten vorzuwerfen, sie würden einen Nutzen für die Stadt oder für Menschen in dieser Stadt abwerfen. Die meisten Leser werden immer wieder Nutzen aus diesen Orten schöpfen. Aber mit der Gegenüberstellung von der „lebenswerten Stadt“ auf der einen Seite und der „investitionsfreundlichen Stadt“ auf der anderen Seite – als hätte man mit letzterer nichts zu tun, außer von ihr ausgenutzt zu werden –  macht man es sich zu einfach. Der von den Projekten gewünschte Effekt, als Angebot von den Menschen wahrgenommen zu werden und zu wirken, lässt sich nicht von dem Spannungsverhältnis lösen, in der kapitalistischen Stadt als Angebot ermöglicht und im nicht gewünschten Sinne genutzt zu werden.

Das hallesche „Strategiepapier zur Stadtentwicklung 2025“ mit dem Leitbild „Halle 2025 plus“ entwickelt Halle als eine „Creative City“, eine „Stadt der Wissenschaft“, „der Kreativwirtschaft“, eine „unternehmerfreundliche Stadt“ und wie es weiter im Strategiepapier heißt, als die „heimliche Hauptstadt der gelehrten Republik“. Das Leitmotto der Stadtentwicklung Halle „Vernetzte Vielfalt – Wissenschaft als kreativer Motor“, ist das Leitmotiv der post-fordistischen und -industriellen Städte, in welchen die Produktion von industriellen Güterwaren durch Technologisierung und Globalisierung der Produktion zunehmend an Bedeutung verliert. Vielmehr geht es um die Vermarktung von Technologien und Wissen, das Entstehen von Know-How-Zentren und um ein positives Image als attraktive Kultur- und Kunststadt. Das städtische Strategiepapier ruft Kunst und Kultur als die bedeutendsten Kennzeichen städtebürgerlicher Identität auf. So passen dann, ob sie wollen oder nicht, Freirauminitiativen verschiedenster Couleur gut in das Konzept einer attraktiven und vielfältigen Stadtpolitik, welche die Stadt selbst als Ware modelliert. Gleichzeitig wird darüber versucht, den kapitalistischen Charakter der Stadt zu verdecken. Hinzu kommt, dass der Ausbau dieses „Sektors“ die Möglichkeiten der Schaffung von prekären Arbeitsverhältnissen schafft, natürlich aus Eigeninitiative.

Soziopolitische Zentren oder romantische Freiräume?

Verspricht der Freiraum in seiner Verwobenheit mit den kapitalistischen Verhältnissen also wirklich so viel mehr? Unterscheidet den Freiraum wirklich so viel mehr von einem Hobbykeller oder Gartenverein, wo Menschen vor allem für sich selber oder im Verein vor sich hinwerkeln? Nicht weil auch kommerzielle Projekte den Begriff für sich vereinnahmen, ist er weniger als er verspricht, sondern gerade weil er selten hält, was er verspricht.


Können sie nicht lieber als soziopolitische Zentren politisch sein, anstatt den Wunsch zu haben, ein romantischer Freiraum für ganz Halle werden zu wollen?


Wie der Beitrag zu zeigen versuchte, gelingt es den Projekten vor allem darum nicht freier zu sein als die Gesellschaft, weil sie sich weder in ihren Strukturen noch durch ihre Akteure widerspruchsfrei aus der unfreien Gesellschaft lösen können, in der sie agieren. Nichtsdestotrotz ist jedes soziokulturelle Projekt, das versucht, Räume zu schaffen, die der herrschenden Gesellschaft etwas entgegensetzen wollen, wichtig. Als Räume für politischen Austausch und Ideen, als Räume des Hedonismus und Vergessens, als alternative Angebote und auch als Räume für Freiheiten. Die abhängig geschaffenen Strukturen können jedoch nicht die Realisierung unserer Träume, Freiheiten oder den gesellschaftlichen Kampf gegen die kapitalistischen Zumutungen darstellen, sondern Orte der Auseinandersetzung selbst. Einen Ort, an dem es die Möglichkeit gibt, einen Raum der Auseinandersetzung zu schaffen und gerade keinen reinen Wohlfühlort hervorzubringen.

In der Ausweitung und Aufrechterhaltung der Möglichkeitsräume liegt die Arbeit dieser Räume. Deswegen droht ihnen jedoch auch permanent eine Entpolitisierung, wenn sie diesen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen und die Entwicklung zu einem kulturellen Auslebungsort das Zentrale wird. Autonome soziokulturelle Zentren sind vor allem Orte der realen Auseinandersetzung, die im besten Fall einen Stachel in der Gesellschaft und somit auch in der städtischen Landschaft Halles sein können. Dazu bedarf es aber solcher Orte, die nicht nur kulturelle Praxis betreiben, sondern eben auch soziale Praxen und Kämpfe beinhalten und sich diese ins Bewusstsein bringen. Also keine Freiräume sondern autonome soziopolitische Auseinandersetzungsräume. Können sie nicht lieber als soziopolitische Zentren politisch sein, anstatt den Wunsch zu haben, ein romantischer Freiraum für ganz Halle werden zu wollen?

Gesellschaftskritische Odyssee

„Geko“ versteht sich als „parteiunabhängige Gruppe von linksradikalen Einzelpersonen“, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, „emanzipatorische linksradikale Theorie & Praxis nach außen zu tragen“. Linksradikal bedeutet für diese Gruppe dabei mehr als das gängige Black-Block-Klischee: „Linksradikal heißt für uns anzuerkennen, dass der Weg zu einer befreiten Gesellschaft nicht mit, sondern nur gegen Staat, Nation und Kapital zu beschreiten ist“. Es gelte den Ablauf des „täglichen Wahnsinns“ zu stören und den Kapitalismus als „menschenverachtendes System der Verwertung“ zu überwinden.

Der Beitrag gibt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.