Etliche Haken
Ein Rückblick auf die "Causa Möritz"
CDU-Kreisvorstandsmitglied Robert Möritz hat ein rechtsextremes Symbol tätowiert, war Ordner auf einer Neonazidemo und ließ sich mit Mitgliedern einer Naziband fotografieren. Weil das für die Partei zunächst kein Problem war entwickelte sich abermals eine Regierungskrise in Sachsen-Anhalt
Nur Wochen war es her, dass der sachsen-anhaltinische CDU-Landesvorsitzende und Innenminister Holger Stahlknecht mit dem Versuch der Berufung des Polizeigewerkschafters Rainer Wendt zum Staatssekretär im Innenministerium am Widerstand der Koalitionspartner SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie einem noch laufenden Disziplinarverfahren des Landes Nordrhein-Westfalen gegen Wendt scheiterte.
Kaum dass der Bruch der „Kenia-Koalition“ aufgrund dieser Personalstreitigkeit abgewendet war, drohte er bereits Mitte Dezember aufs Neue. Gegenstand war diesmal der neonazistische Hintergrund eines CDU-Kommunalpolitikers. Einem Twitter-Nutzer war aufgefallen, dass auf dem Profilbild des Christdemokraten Robert Möritz ein Abzeichen von Uniter zu sehen ist, jenem Verein, dessen Gründer André S. auch als Administrator des Hannibal-Chat-Netzwerks fungierte. Möritz war zu diesem Zeitpunkt Mitglied im CDU-Kreisverband Anhalt-Bitterfeld und auch Beisitzer in dessen Vorstand. Zudem gehörte er dem sachsen-anhaltinischen „Konservativen Kreis“ an, der für ein Ende der Koalition von CDU, SPD und Grünen und eine von der AfD akzeptierte CDU-Minderheitsregierung eintritt. Ausgehend von Möritz‘ Twitter-Profilbild wurde weiterhin bekannt, dass er am 01. Mai 2011 als Ordner auf einer Neonazi-Demonstration in Halle fungiert hatte und auf einem Arm das Motiv der sogenannten „Schwarzen Sonne“ als Tätowierung trägt, das eine Kombination von drei Hakenkreuzen darstellt und von der SS verwendet wurde. Auch wurden Bilder aus dem Jahr 2014 bekannt, auf denen er mit Mitgliedern der Hallenser Neonazi-Band Barricades posiert.
Der CDU-Kreisverband Anhalt-Bitterfeld mit Sitz in Köthen nahm Möritz dennoch seinen vorgeblichen Gesinnungswandel ab. Bereits vor einer auf Druck der Landesebene hin für den 13. Dezember einberufenen Sondersitzung erklärte Matthias Egert, Vorsitzender sowohl des Kreisverbandes wie auch des „Konservativen Kreises“: „Ich halte die Vorwürfe für absurd.“ Nachdem Möritz sich in der Sitzung zu seiner Vergangenheit erklärt hatte, sprach ihm der Kreisvorstand sodann einstimmig das Vertrauen aus und bestätigte seine Mitgliedschaft sowohl in der Partei als auch im Kreisvorstand. Am folgenden Sonntag trat Möritz bei Uniter aus. Die Satzung des Vereins sieht einen solchen sofortigen Austritt gar nicht vor, jedoch war dem außerordentlichen Austritt stattgegeben worden, da Möritz mit seiner Austrittserklärung lediglich einem Ausschlussverfahren zuvorgekommen sei, wie Uniter mitteilte. Der Verein dulde keine „extremistischen Einstellungen“.
Möritz war mit seinem Eil-Austritt jedoch nicht allein: Kai Mehliß, CDU-Mitglied aus dem nahegelegenen Bernburg und ebenfalls Angehöriger des „Konservativen Kreises“, trat im Zuge der Enthüllungen um Möritz ebenso unverzüglich bei Uniter aus. Noch am 11. Dezember hatte der Bundeswehr-Reservist in Bernburg einen sogenannten „Security Round Table“ des Vereins organisiert.
Dass die Landes-CDU sich, nicht ohne pflichtschuldige Demokratie-Bekenntnisse, erst einmal hinter Möritz und ihren Kreisverband stellte, rief scharfen Protest der Koalitionspartner hervor. Die Landesparteivorsitzenden der Grünen fragten in einem Tweet: „Wieviel Hakenkreuze haben Platz in der CDU?“ Sven Schulze, Generalsekretär der Landes-CDU, forderte für diese angebliche Pauschal-Verurteilung der CDU eine Entschuldigung und stellte die schwarz-rot-grüne Regierungskoalition in Frage. Zum Bruch kam es letztlich jedoch nicht: Auf einer Sondersitzung der Landes-CDU und der Kreisvorsitzenden am 19. Dezember wurde beschlossen, dass Möritz bis zum 27. Dezember eine umfassende Stellungnahme über seine Verbindungen in die rechtsextreme Szene abzugeben habe. Im Falle von deren Unvollständigkeit wurde ihm der Parteiausschluss angedroht. Zudem solle er erklären, dass NS-Symbolik mit einer CDU-Mitgliedschaft unvereinbar sei. Auch solle er sich seine Tätowierung entfernen lassen. Der Umsetzung dieses Parteibeschlusses kam Möritz mit der am 20. Dezember umgehend erklärten Niederlegung all seiner parteiinternen Funktionen sowie der Erklärung seines sofortigen Austritts aus der CDU zuvor. Begründend hieß es in seiner Erklärung: „Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden und politische Diskussionen zu befrieden, möchte ich hiermit ein persönliches Zeichen setzen. Manchmal bedarf es der Besinnung auf die wahren Prioritäten im Leben.“ Diesem letzten Satz wie auch dem zunächst einmal unverständig-verständnisvollem Umgang der Landes-CDU mit der Causa Möritz lässt sich zumindest eines kaum absprechen: Mehrdeutigkeit.