Wohnen in Halle
Die Geschichte einer drohenden Entmietung
In Halle (Saale) sollen Mieter:innen eines Altbaus ausziehen, damit saniert werden kann. Der vorherige Hauseigentümer hat das Haus 10 Jahre lang verfallen lassen. Trotzdem konnte er es nun für einen Betrag in Millionenhöhe verkaufen, weil die Immobilienpreise in der Stadt seit Jahren steigen. Der Fall zeigt ganz konkret, was es bedeutet, dass Wohnraum zur Ware geworden ist.
Paula (Name von der Autorin geändert) fehlen am Telefon die Worte. „Ich bin mit der Birne durchn Wind“, sagt sie dann. Sie könne nicht mehr schlafen seit sie die Nachricht bekommen hat. Sie mag es nicht, wenn etwas unfair ist. Sie sagt: „Sowas is nich meins.“ „Na, weißt du“, erklärt sie am Telefon, „ich bin hier aufgewachsen, ich bin zwei Straßen weiter geboren, ich bin hier zur Schule gegangen, wir ham die Kaufhalle hier in der Nähe und den Arzt.“ Ihre Stimme klingt ungläubig, sie kann es nicht fassen. Fast ihr halbes Leben wohnt sie in diesem Haus, nun soll sie raus.
Das Haus ist groß und über 100 Jahre alt. Wie ein Schiff liegt es an der Kreuzung, man sieht es schon von Weitem. Die Fassade bröckelt, der Putz ist grau geworden und fleckig von Feuchtigkeit. Es ist einer der letzten unsanierten Altbauten in der nördlichen Innenstadt von Halle. Das soll sich nun ändern. Anfang des Jahres ist das Haus, in dem Paula wohnt, verkauft worden.
Der alte Eigentümer ist in Halle kein Unbekannter, ihm gehören noch weitere Mietshäuser in der Umgebung. Dieses Haus hat er vor über 10 Jahren von einer stadteigenen Wohnungsgenossenschaft erworben, für einen fünfstelligen Betrag, wie es heißt. Dann hat er wohl nur das Nötigste repariert und das Haus nun wieder verkauft, mutmaßlich für einen Betrag in Millionenhöhe. Mit dieser Entscheidung hat er nicht nur wahrscheinlich einen sehr großen Gewinn gemacht. Er hat auch verhindert, dass das Haus einem Kollektiv hätte gehören können.
Kauf mit dem Mietshäusersyndikat gescheitert
Gemeinsam mit einigen Hausbewohner:innen und den Betreiber:innen dreier Ladengeschäfte im Erdgeschoss, hat eine Gruppe junger Menschen im letzten Jahr versucht, das Haus als Kollektiv zu kaufen. Das berichten Mitglieder dieser Gruppe. Das Haus habe ein Projekt des Mietshäusersyndikats werden sollen. Unterstützt wurde die Idee vom Dienstleistungskombinat Leipzig – einer GbR, die kollektive Hauskaufprozesse begleitet. Im Sommer hat die Gruppe dem alten Hausbesitzer ein Angebot über 1,5 Millionen Euro gemacht. Das habe er abgelehnt, mit der Begründung, die Summe sei zu niedrig.
Zum Jahreswechsel hat er es dann einer Privatperson verkauft. Dieser neue Hausbesitzer arbeitet im lokalen Ableger eines international agierenden Immobilienmaklerunternehmens. Den Bewohner:innen in der Großen Steinstraße hat er angekündigt kernsanieren zu wollen, dafür sollen alle verbliebenen Mietparteien ausziehen. Viele Leute sind das nicht, denn über die Hälfte der Wohnungen steht bereits leer.
Wie genau es für die restlichen Mieter:innen weitergeht, ist noch ungewiss.
Mario
Einer von ihnen ist Mario Gursky, er betreibt den Backshop Hofpause in einer der Ladenflächen an der Längsseite des Hauses. Der Name ist gut gewählt. Immer um die Mittagszeit tummeln sich Schülerinnen und Schüler während ihrer Pause in der Hofpause und davor.
Der Laden ist nicht groß, nur ein einziger schwach beleuchteter Raum, an den Wänden Regale voller Süßigkeiten, Kaltgetränke und Scheibwaren. „Schon fast n richtiger Jemischtwarenladen“ sagt Mario Gursky über seinen Shop. Wer ihn betritt, blickt direkt auf die Theke. Oft steht Gursky dahinter mit dem Rücken zum Eingang, er macht den Eindruck sorgfältiger Konzentration. Er zeigt mit keiner Bewegung, ob er eintretende Kund:innen gehört hat, steht weiter gebeugt über ein Blech mit Donuts und verziert in aller Seelenruhe das Gebäck fertig, an dem er gerade zugange ist. Erst wenn für ihn ein Arbeitsschritt vollständig abgeschlossen zu sein scheint, dreht er sich um und nimmt die Bestellung auf. Meist ohne ein Wort, nur mit einem fragenden freundlichen Blick, die eine Hand schon in Richtung einer Tüte ausgestreckt.
An einem Tag im Winter lädt Gursky zu einem Interview in die Hofpause ein. Der Laden ist heller als sonst, wegen der Weihnachtsbeleuchtung. Lichterketten hängen über den Regalen, ein gläserner Schneemann mit Karotte im Gesicht steht auf zwei Eimern rechts vor der Theke. Dahinter steht Mario Gursky wie Tag für Tag. Seinen Backshop betreibt er nun seit fast 10 Jahren. „Hat sich so ergeben, dass ich mich beruflich umorientieren wollte damals und dann hats in nem Backshop jeendet. Zu futtern brauch ma immer was.“ sagt er auf die Frage wie alles angefangen hat und lächelt zufrieden. Er ist ein pragmatischer Mensch.
Gurskys Blick geht während des Interviews immer wieder am Mikrophon vorbei zur Ladentür, manchmal stehen Menschen unschlüssig davor, dann hält er inne, wartet ab, spricht erst weiter, wenn sie doch weitergehen, bricht ab wenn sie eintreten. Der Kunde ist König.
Mario hat der Verkauf des Hauses unvorbereitet getroffen. Erst vor drei Jahren ist er in den Laden eingezogen, vorher war er im Haus gegenüber. „Na, die Nachricht war erstmal beschissen. Hier herjezogen, alles von Grund auf saniert und gerade jetz wo sich das alles hier ofjebaut hat, dann so ne Nachricht – is natürlich nich schön.“
Seine Hände liegen auf der Ablage vor ihm. Sein Blick geht von der Tür hinunter zu den Backwaren in der Auslage. Er sieht nachdenklich aus.
Vermieter:innen sitzen am längeren Hebel
Gewerbemietende haben kaum Kündigungsschutz. Wenn ihr Mietvertrag aufgehoben wird, dann müssen sie nach einer Frist von 3 bis 6 Monaten raus. Möglichkeiten, gegen eine Kündigung rechtlich Widerspruch einzulegen, sind nahezu aussichtslos. Anders ist das bei Mieter:innen von Wohneinheiten. Haben diese einen sicheren Mietvertrag, dann ist es für Vermieter schwieriger sie herauszubekommen.
Im Falle einer geplanten Sanierung, gibt es die Möglichkeit eine sogenannte Verwertungskündigung zu schreiben. Dafür muss der Vermieter aber beweisen, dass die Sanierung nur möglich ist, wenn die Mieter:innen ausziehen und dass er erhebliche wirtschaftliche Nachteile hätte, wenn sie dies nicht tun. Oft schreiben Vermieter einfach eine Kündigung, die rechtlich nicht wasserdicht ist. Oft kommen Mieter:innen solchen Kündigungen nach, aus Unwissenheit und aus Angst vor einer Auseinandersetzung vor Gericht.
Doch auch wenn Mieter:innen gut beraten sind und ihre Rechte kennen, sitzen die Vermieter:innen letztendlich am längeren Hebel. Wenn um sie herum Bauarbeiten beginnen, ab und an Wasser oder Strom abgestellt werden oder ihnen zusätzlich noch eine Abfindung angeboten wird, dann knicken viele Mieter:innen ein und ziehen schließlich freiwillig aus.
Paula
Es kann eine enorme psychische Belastung sein, wenn die Sicherheit des eigenen Zuhauses plötzlich in Gefahr ist, ohne dass man selbst darüber bestimmen kann. Besonders hart trifft das Menschen, die schon lange an einem Ort wohnen, Menschen wie Paula. Sie beunruhigt vor allem die Unklarheit – darüber, wann die Sanierungsarbeiten beginnen, ob es möglich sein wird, weiter im Haus wohnen zu bleiben und wie lange. Sie sagt: „Man wartet die ganze Zeit, das macht einen mürbe. Auf der einen Seite is gut, wenn nüscht kommt, aber man weiß ja auch irgendwann kommts.“ Ihre Stimme bricht am Telefon. Sie ist erschöpft.
Die Frage zu stellen, ob sie sich schon einmal nach anderen Wohnungen umgeschaut habe, scheint wie den Finger in eine offene Wunde zu legen; eine Anmaßung, dass sich eine Frau wie Paula auf die Suche nach einem neuen Zuhause machen soll – eine, die ihr ganzes Leben hier im Viertel gewohnt hat. Paula wird ernst und leiser: „Einmal hab ich gekuckt, Alles was Altbau is, is unbezahlbar. Hier in der Gegend erst recht. Was willste von nem Ostrentner verlangen? Das doofe is ja, dass die Mieten hier och unbezahlbar werden.“
Es gibt bei bestehendem Mietvertrag das Recht nach Abschluss einer Sanierung in die eigene Wohnung zurückzukehren, jedoch zu einer höheren Miete. Bis zu 8% der Modernisierungskosten dürfen Vermieter auf die Miete umlegen. Der neue Hausbesitzer hat im Gespräch mit Mieter:innen erzählt, zu welchem Preis er nach der Kernsanierung neu vermieten möchte: 10€ kalt den Quadratmeter. Die Mieter:innen berichten, dies sei bei einigen mehr als das Doppelte dessen, was sie aktuell bezahlen.
Wie dieser Preis zustande kommt, hat mehrere Ursachen. Einerseits legt der hohe Kaufpreis aus Perspektive des neuen Vermieters nahe, dass die Mieten steigen müssen. Dazu kommen die Kosten einer Kernsanierung. Allerdings zeigen Berechnungen des Dienstleistungskombinats Leipzig, dass eine Sanierung nicht zwingend hohe Mieten nach sich ziehen muss; wenn nur das Nötigste saniert wird – eben so, dass man gut wohnen oder einen Laden betreiben kann.
Doch der neue Hausbesitzer hat eine andere Motivation, im Kapitalismus unterliegt er dem Profitmotiv: nicht gute und günstige Wohnungen zu schaffen ist der Zweck seiner Unternehmung, sondern Gewinnmaximierung. So bedeutet die Kernsanierung vor allem eins: noch weniger bezahlbarer Wohnraum in Halle.
Paula seufzt. „Irjendwie is mir das alles zu viel. Ich hab so viele blöde Gedanken und überleg hin und her aber ich komm auf nichts. Langsam verlässt einen der Mut.“
Wohnen wird in Halle immer teurer. Kaufen auch.
Seit 12 Jahren gibt es in Halle keinen von der Stadt ausgewiesenen Mietspiegel. Über Vor- und Nachteile eines solchen wird aktuell im Stadtrat diskutiert. Auswertungen von Immobilienportalen ergeben , dass die durchschnittliche Miete in Halle im Jahr 2021 bei 6,66€ pro Quadratmeter lag. Im bundesweiten Vergleich ist das noch eher wenig. Doch das Tempo, in dem sich die Mietpreise entwickeln, ist rasant. 2011 zahlte man im Durchschnitt noch 2-3€ weniger pro Quadratmeter als heute. Seit 2011 steigen die Mietpreise kontinuierlich an. Dies kann dabei nicht allein aus der Inflation erklärt werden. Während monatliche Bruttoverdienste im selben Zeitraum um etwa 23 % gestiegen sind, sind es die Mietpreise in Halle um mehr als 40%. Der Kaufpreis von Wohnungen und Häusern hat sich in den letzten 10 Jahren fast verdreifacht – im Durchschnitt [Q].
Diese Entwicklungen haben dem alten Hausbesitzer die große Gewinnspanne ermöglicht, die er wahrscheinlich mit dem Verkauf erzielt hat. Die Berichte der Mieter:innen stimmen überein: über Jahre habe der Vermieter angezeigte Mängel nicht beseitigen lassen, er habe den Bewohner:innen ziehende Fenster, alte Bleileitungen, nicht funktionsfähige Kohleöfen, kaputte Klingeln, undichte Stellen in den Decken, Ungeziefer und vieles mehr zugemutet. Auf Mängelanzeigen habe er meist nicht reagiert, auf Mietminderungen nur selten, berichten Hausbewohner:innen. Dass er sich kaum um den Erhalt der Bausubstanz gekümmert hat, ist aber unerheblich für die Summe, die er beim Verkauf bekommen hat. Ein Haus, das beinahe verfällt, kann trotzdem hohe Preise auf dem Immobilienmarkt erzielen. Man zahlt nicht für den Zustand, man zahlt für den Boden, die gute Lage und für die zu erwartende Preissteigerung.
Das Online Portal „exporo.de“ bewertet die Immobilienmärkte deutscher Städte hinsichtlich ihrer Attraktivität für Anlagesuchende. Halle wird dort als „einer der teuersten Wohnstandorte in Sachsen-Anhalt mit einem stabilen Markt“ eingeordnet. Da die Miet- und Immobilienpreise im bundesweiten Vergleich eher gering sind und die Bevölkerung von Halle in den letzten Jahren wächst, geht man von weiteren Wertsteigerungen der Halleschen Immobilien aus.
Rund die Hälfte der Wohnimmobilien in Halle sind Plattenbauten. Auch das hat einen positiven Einfluss auf die Preisentwicklung der beliebteren Altbauten. Exporo schließt mit der Bewertung: „Aufgrund des noch geringen Preisniveaus sind weitere Preissteigerungen auf dem Markt der Miet- und Kaufobjekte zu erwarten.“ [Q]
Benjamin
„Was ich mir wünschen würde?“ Benjamin Schilling überlegt kurz und rückt seine Cap gerade. „In nem sehr großen Zusammenhang letzten Endes ne Gesellschaft wo Wohnraum und solche Sachen eben nicht mehr dem Profitmotiv unterliegen. Wo die Wohnungen und die Häuser, ja wie der alte Spruch heißt, denen gehören, die drin leben.“ Während er das sagt, sitzt er an einem Tisch in seinem Laden. Er fügt hinzu: „denen die drin leben und drin arbeiten.“
Schilling betreibt das Bistro Lorraine, es ist ist direkte Nachbarin der Hofpause. Das Bistro hat ein großes Schaufenster und eine Tür mit einfach verglaster Scheibe und zierlichen Rändern aus Metall. Das große, alte Haus trägt diesen Laden wie ein kleines Schmuckstück. Drinnen stehen Tische und Stühle aus grauem Hartplastik, geheizt wird mit einem Holzofen. Was gemütlich zu sein scheint, bedeutet in der Praxis einen enormen Aufwand. Die fehlende Heizung und die zugigen Fenster erschweren es, den Laden warm zu bekommen. Ein Problem, das auch dem alten Hausbesitzer zuzuschreiben ist, der stets nur die allernötigsten Arbeiten verrichten hat lassen, erzählt Schilling.
Im Gegensatz zu seinem Bistro ist Benjamin Schilling groß. Man sieht ihn selten ohne eine Cap auf dem Kopf, wenn er spricht, klingt das immer ein wenig belustigt. Irgendwann hat er angefangen in seiner Freizeit Quiches zu backen und als er nach dem Studium nicht wusste was er machen soll, dachte er sich: „man könnte ja auch mal son kleines Bistro aufmachen wos n bisschen was anderes gibt als das, was man in Halle sonst so kriegt“.
Vor drei Jahren ist Benjamin Schilling mit seinem Bistro hier eingezogen. Auf seinen Vermieter, den alten Hausbesitzer, ist er nicht gut zu sprechen, nicht nur wegen der schwierigen Heizsituation. Zahlreiche Mängel habe er ihm in den letzten Jahren angezeigt, oft musste er sich am Ende selbst darum kümmern, weil nichts passierte, erzählt er. Als Beispiel nennt er die Klospülung auf der Personaltoilette, die seit anderthalb Jahren kaputt ist. Mindestens 6 Mal habe er dem Vermieter das mitgeteilt, bis der endlich jemanden vorbeigeschickt habe. Gekommen seien dann Bekannte des Vermieters, die Hausmeisterarbeiten für ihn erledigen. Diese hätten dem Vermieter zurückgemeldet, dass die Spülung funktioniert.
„Ja, wenn man in dem Moment spült, wenn da gerade ne Stunde niemand drauf war…“ sagt Schilling halb belustigt, halb fassungslos. Wenn einer wie er sich aufregt, dann muss wirklich was passiert sein. Er dreht seine Cap gerade, schnaubt und seufzt. Dann winkt er ab, weil diese Geschichten jetzt der Vergangenheit angehören, dem alten Vermieter gehört das Haus nicht mehr. Benjamin Schilling hat neue Probleme.
Für das Bistro ist die angekündigte Kernsanierung das Todesurteil. Im Schnitt brauchen Inhaber:innengeführte gastronomische Betriebe 5 Jahre, bis sie anfangen sich zu rechnen. Diese Zeit hat Schilling nicht mehr. Er geht davon aus, dass er in den nächsten Monaten die Kündigung erhält. Dann muss er sechs Monate später raus. Ein Umzug scheint utopisch, vergleichbare Ladenflächen gibt es nicht, die meisten sind viel größer und seien damit für ihn nicht bezahlbar. Außerdem kann er sich auch den Umzug kaum leisten.
„Das heißt, dass…“, er stockt und spricht das nächste Wort aus wie es seine Art ist, halb belustigt halb resigniert, „Projekt – nenn ichs mal – was ich doch seit drei Jahren probiere aufzuziehen und wo ich tatsächlich auch ne ganze Menge Energie reingesteckt habe, das ist jetzt halt wahrscheinlich vorbei und zwar nicht, weils nich funktioniert hätte oder ich irgendwo nen Fehler gemacht habe, noch nichmal vorbei wegen Corona“ Benjamin lacht ungläubig, „sondern eben“, und er wird wieder ernst, „aus vermeidbaren Gründen. Weil der alte Hausbesitzer wie er selber ja sagt, anscheinend keine Lust mehr hat, Vermieter zu sein, weils ihm keinen Spaß mehr macht.“ Benjamin denkt nach und sagt: „Und natürlich ist es auch schade, man hängt ja dann doch dran. Das ist schon…, n ganz schöner Schlag in die Magengrube.“
Wohnraum für (H)alle
Die drohende Entmietung dieser Gewerbetreibenden und Bewohner:innen steht exemplarisch für eine Entwicklung, die nicht auf Halle beschränkt ist. Das Beispiel zeigt, wie Mieter:innen konkret erleben, dass die Zukunft ihres Zuhauses oder ihres Lebensprojekts nicht in ihren eigenen Händen liegt, weil die Räume, in denen sie wohnen und arbeiten, anderen gehören.
Die Geschichte dieses Hallenser Altbaus wirft darüber hinaus Fragen auf: Wie es sein kann, dass ein Haus jetzt mehr als 1,5 Millionen kostet, wenn es vor 10 Jahren noch einige Zehntausend waren und seitdem an der Substanz nichts getan wurde; warum es für den Preis egal ist, ob ein Haus kaputt ist oder nicht und in letzter Konsequenz auch die gesellschaftliche Frage wieso Wohnraum überhaupt als eine Ware gehandelt wird.
Es ist ein anderer Tag im Winter, seit kurzem hängen im Schaufenster des Bistro Lorraine Plakate. „Entmietung stoppen“ und „Die Häuser denen, die drin wohnen und arbeiten“ steht darauf. Die Mieter:innen dieses Hauses scheinen sich nicht lautlos vertreiben lassen zu wollen. Am nächsten Tag bekommt Paula ein Foto von einem Graffiti zugeschickt, das eine Bekannte in der Stadt entdeckt hat: „Wohnraum für (H)alle“ steht an einer Wand. Sie antwortet: „Gut so.“