„Der Druck auf die Zivilgesellschaft wächst“

Interview mit dem Bündnis #unteilbar Sachsen-Anhalt

von | veröffentlicht am 29.05 2021

Beitragsbild: #unteilbar Sachsen-Anhalt

Am 6. Juni wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. In den Umfragen liefern sich CDU und AfD ein Kopf-an-Kopf-Rennen – ein düsteres Szenario aus linker Perspektive. Nichtsdestotrotz haben sich etliche progressive Akteur*innen des Landes im Bündnis #unteilbar zusammen gefunden, um vor der Wahl ein Zeichen gegen den Rechtsruck und für ein solidarisches Miteinander zu setzen. Kann der Ausgang der Wahl auf diese Weise noch beeinflusst werden? Die Redaktion sprach mit Clemens Wagner von #unteilbar Sachsen-Anhalt.




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Transit: Warum braucht es ein #unteilbar-Bündnis in Sachsen-Anhalt? Was versprecht ihr euch von der Gründung?

Clemens Wagner: In Sachsen-Anhalt gibt es ein massives Problem mit rechter Organisierung und Gewalt – das haben die letzten Tage leider sehr deutlich gemacht. Seit 2016 ist die extreme Rechte in Gestalt der AfD im Landtag vertreten und hat konsequent den Raum des Sagbaren verschoben. Sie hat den Landtag zur Bühne ihrer völkischen und nationalistischen Propaganda gemacht. Auf den Straßen verüben derzeit – wie 2015 und 2016, also vor der letzten Wahl – Akteure der extremen Rechten Anschläge auf politische Gegner*innen. Aus gewaltvoller Sprache wird konkrete Gewalt. AfD und die Querdenkenbewegung haben dafür den Boden bereitet.

Teile des etablierten politischen Betriebs negieren das oder sind Teil des Problems: Die CDU setzt regelmäßig gemeinsam mit der AfD zivilgesellschaftliche Vereine unter Druck, die auf rechte Bedrohungen aufmerksam machen, ist selbst aber zu rechter Gewalt merkwürdig still. Das ist ein großes gesellschaftliches Problem.

Mit der Wahl und der anschließenden Koalitionsbildung werden die Weichen dafür gestellt, in welche Richtung sich dieses Bundesland entwickeln wird.

Am Fall Robert Möritz hat man das ja ganz klar gesehen. Eine Person mit nachweislicher Neonazi-Vergangenheit hat ein Vorstandsamt in der CDU inne und die CDU schafft es nicht, ihn aus der Partei auszuschließen oder sich klar dazu zu verhalten. Die ganze Affäre ist ja erst durch den Austritt Möritz zu Ende gegangen. Und das Ganze wohlgemerkt nach dem rechten und antisemitischen Anschlag vom 9. Oktober in Halle. Hinzu kamen die weiteren offenen und verdeckten Kooperationen der CDU mit der AfD: Sei es bei der Einsetzung der Enquetekommission “Linksextremimus”, bei der Nichtwahl der Grünen Conelia Lüddemann in die Parlamentarische Kontrollkommission oder zuletzt bei der Verhinderung der Erhöhung des Rundfunkbeitrags – bei all dem stand die CDU Seite an Seite mit der AfD. Ich finde da sieht man schon, dass die CDU Sachsen-Anhalt ein Haltungsproblem hat und sich nicht aktiv von Parteien der extremen Rechten abgrenzt.

Mit der Wahl und der anschließenden Koalitionsbildung werden die Weichen dafür gestellt, in welche Richtung sich dieses Bundesland entwickeln wird. Entweder es kommt zu einem konservativen Rollback, wenn die CDU eine Minderheitsregierung unter Tolerierung durch die AfD stellen sollte, oder es bleibt beim “Weiter-So”. Ein demokratischer und ökologischer Aufbruch von links – dafür fehlen leider Absehbar die Mehrheiten.

Eine Minderheitsregierung der CDU, die sich auf die AfD stützt – wir haben es in Thüringen gesehen und der ehemalige Innenminister und Parteivorsitzende Holger Stahlknecht hat es im Dezember nochmal auf den Tisch geholt – würde dafür sorgen, dass der Druck auf Minderheiten wächst, dass ihre politischen Rechte, die mitunter mühsam erkämpft wurden oder noch erkämpft werden müssen, beschnitten werden. Der Druck auf politische Gegner*innen würde krass zunehmen und die kritische Zivilgesellschaft müsste um ihre Finanzierung bangen. Es gibt also genug Gründe aktiv zu werden. Von den anderen gesellschaftlichen Herausforderungen in Sachsen-Anhalt, wie schlecht bezahlter und prekärer Arbeit, Armut und dem krassenm Gefälle zwischen den urbanen Zentren und dem ländlichen Raum oder dem Klimawandel, mal ganz abgesehen.

Wir als plurale Zivilgesellschaft in Sachsen-Anhalt wollen aktiv werden, wollen unsere Positionen in den öffentlichen politischen Raum tragen. Wir wollen und werden es nicht den Rechten überlassen, diese Gesellschaft zu gestalten. Deshalb haben wir uns zusammengeschlossen um laut und sichtbar zu werden und dafür zu sorgen, dass die soziale Frage, die ökologische Frage, Antirassismus, das Recht auf Flucht und Asyl zusammen verteidigt und erkämpft werden – für eine demokratische und offene Gesellschaft der Vielen und der Vielfalt!

#unteilbar Sachsen-Anhalt in eigenen Worten

„Solidarisch, vielfältig und demokratisch“: Im Vorfeld der anstehenden Landtagswahlen organisiert das zivilgesellschaftliche Bündnis #unteilbar Sachsen-Anhalt eine Kampagne, um für eine demokratische, solidarische und vielfältige Gesellschaft einzutreten. Hintergrund ist die zunehmende Mobilisierung extrem rechter Akteure, sowie die anhaltende Corona-Pandemie, die seit einem Jahr den Lebensalltag aller Menschen nachhaltig prägt und wie ein Brennglas bestehende gesellschaftliche Probleme verschärft.

Weitere Infos gibt es auf der Bündnis-Homepage

Zur Wahrheit gehört auch, dass die zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Strukturen in Sachsen-Anhalt so dünn sind, dass es ein echter Kraftakt ist, zur ohnehin schon zu leistenden, oftmals prekären oder überfordernden Arbeit auch noch ein neues Bündnis aufzubauen.

Wie lief der Gründungsprozess ab? Wie habt ihr euch zusammengefunden?

Es gibt in Sachsen-Anhalt schon einiges an zivilgesellschaftlicher Vernetzung, aber meistens zu konkreten Themenbereichen. Wir wollten in Anbetracht der Landtagswahl aber deutlich machen, wie groß und stark die solidarische Zivilgesellschaft ist – und das themenübergreifend. Deshalb gab es seit letztem Herbst schon Gespräche, auch kräftig unterstützt durch die bundesweite #unteilbar-Struktur, die schon mehrmals tausende von Menschen auf die Straße gebracht hat – in Berlin 2018 sogar eine viertel Millionen Menschen! Ganz offensichtlich gibt es also ein Bedürfnis nach solchen Zusammenschlüssen und nach gemeinsamem Aktiv-Werden. Anfang des Jahres hat sich dann #unteilbar Sachsen-Anhalt offiziell gegründet, wir haben ein Selbstverständnis an alle möglichen Organisationen und Initiativen geschickt und zum Mitmachen eingeladen. Dann wurde ein Aufruf entwickelt, der breite Zustimmung gefunden hat, und jetzt besteht unser Bündnis aus so vielen unterschiedlichen Akteur*innen. Da ist alles dabei von Klimagerechtigkeitsbewegungen, migrantischer Selbstorganisation, Fussballclubs, antifaschistischen Organisationen bis hin zu Gewerkschaften. Darauf können wir echt stolz sein: Wir sind präsent, wir sind laut und wir sind viele!

Wieso hat sich das Bündnis #unteilbar Sachsen-Anhalt erst kurz vor der Landtagswahl gegründet? In anderen Gegenden besteht es ja schon länger…

Die Landtagswahlen zeichnen sich ja schon lange ab. Genauso klar war, dass dem starken rechten Block und der im Raum stehenden Kooperation von CDU und AfD – spätestens seit der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen durch FDP, CDU und AfD – etwas entgegengesetzt werden muss. In Sachsen, wo es 2019 ja auch sehr akute Sorgen vor einer Zusammenarbeit von CDU und AfD gab, hat sich die Zivilgesellschaft auch zu #unteilbar zusammengeschlossen und war damit sehr erfolgreich. In Thüringen, bei der Kemmerich-Wahl, haben auch sofort zivilgesellschaftliche Zusammenschlüsse gegriffen und gezeigt, dass etablierte Bündnisstrukturen wichtig sind, um schnell handlungsfähig zu sein. Die anstehende Wahl hat also die ohnehin bestehende Notwendigkeit verstärkt, Wege, Mittel und Strategien zu suchen, wie wir solidarische Alternativen und eine breite Gegenwehr gegen die AfD etablieren können.

Das wir erst im Jahr 2021 ans Licht der Öffentlichkeit getreten sind, hat auch etwas mit der Pandemie zu tun. Es wurden schon viele Räume des Diskussion durch die Vereinzelung abgeschnitten. Aber das ist nicht der einzige Grund, zur Wahrheit gehört auch, dass die zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Strukturen in Sachsen-Anhalt so dünn sind, dass es ein echter Kraftakt ist, zur ohnehin schon zu leistenden, oftmals prekären oder überfordernden Arbeit auch noch ein neues Bündnis aufzubauen. Diese Hürden lassen sich einfacher überwinden, wenn es eine äußere Notwendigkeit gibt, die deutlicher zu greifen ist, wie etwa bei Landtagswahlen. Da ist einfacher zu vermitteln: “Ey, hier geht es um etwas!”

Welche Wirkung vom Bündnis versprecht ihr euch im Hinblick auf die Landtagswahlen?

Worauf wir hoffen sind zwei Dinge: Erstens wollen wir den Menschen in Sachsen-Anhalt die diversen Anlaufpunkte klar machen, die wir mit unseren vielfältigen Organisationen darstellen, also wer arbeitet zu welchem Themenbereich und wo kann ich mich zugehörig fühlen, wo werden meine Interessen vertreten und was wird bzgl. dieser Themen politisch getan? Und zweitens wollen wir ein starkes Signal an das politische System, an die Politiker*innen in unserem Bundesland, senden. Wir fordern von ihnen ein, sich ganz klar von der extremen Rechten abzugrenzen, das heißt: keine Tür nach Rechts öffnen, sondern diese Tür schließen und Zusammenarbeit prinzipiell auszuschließen.

Mit Corona gibt es einige Schwierigkeiten, um auf die Straße zu gehen. Wie begegnet #unteilbar Sachsen-Anhalt dieser Herausforderung, um trotzdem in der Öffentlichkeit auf die Kampagne aufmerksam zu machen?

Das hat uns tatsächlich vor ganz schön große Herausforderungen gestellt – große Demos und Kundgebungen sind grade einfach nicht dran. Wir haben stattdessen alle unsere Aktionen immer unter den aktuellen Bedingungen gestaltet, also mit viel Raum für Abstand, mit Maskenpflicht und ohne große Menschenmassen. Das sieht man jetzt auch deutlich bei der Planung für Halle am 29. Mai: Wir können keine Großdemo veranstalten, obwohl wir das sehr gerne tun würden, also ziehen wir eine Menschenkette durch die Stadt. Das zentrale Programm wird über Radio Corax übertragen, sodass man es sich überall anhören kann, auch wenn man nicht selbst dabei sein kann. Außerdem wird unser Lautsprecherwagen an der Route entlang fahren, damit alle mal live etwas mitbekommen können. Bei den ersten beiden Veranstaltungen haben wir es gut hinbekommen, Abstandsregeln und ähnliches einzuhalten und wir sind zuversichtlich, dass uns dies auch am 29. Mai gelingen wird. Für die Öffentlichkeitsarbeit ist es dank der sozialen Medien natürlich praktisch, dass man trotz Pandemie die eigenen Inhalte so weit verbreiten kann. Wir hätten uns aber schon gewünscht, mehr Menschen auch ganz persönlich auf unsere Inhalte und Mitgliedsorganisationen hinweisen zu können.

Wir können uns gut vorstellen, dass es auch kontroverse Diskussionen gab. Könntest Du mal ein paar Konfliktlinien innerhalb des Bündnisses darstellen und wie ihr zu einer Lösung gekommen seid?

Eine Frage, die bei der Entwicklung des Aufrufs und auch in der Bewerbung unserer Veranstaltungen deutlich wurde, war, inwieweit wir uns klar politisch positionieren können. Für unsere Inhalte können wir natürlich lautstark einstehen, aber wie grenzen wir uns von jenen ab, die sich gegen unser Verständnis einer gerechten und lebenswerten Welt einsetzen? Da haben wir, denke ich, Wege gefunden, die für alle im Bündnis akzeptabel waren, aber die Meinungen sind natürlich auseinander gegangen. Es gibt die, die klar und deutlich benennen wollen, welche Parteien ihrer Meinung nach problematische Forderungen haben, und es gibt andere, die das auf Grund von Gemeinnützigkeit gar nicht können, weil sie fair und unparteiisch sein müssen und wollen. Wir haben uns deshalb dazu entschieden, von der extremen Rechten zu sprechen statt von spezifischen Akteur*innen. Damit grenzen wir uns gegen eine Haltung, gegen Ideologien ab, aber nicht gegen einzelne Personen oder Parteien. Auch wenn sich viele wünschen würden, klarer zu sein.

Was aber auch klar ist, ist, dass man es sich in dieser Gesellschaft leisten können muss, politisch aktiv zu sein.

Es gibt ja auch eine Kritik an #unteilbar, wonach das Bündnis zu einem großen Teil nur relativ gut situierte Leute aus akademischen Milieus erreicht. Das hat ja vor allem Sarah Wagenknecht zuletzt wieder vorgebracht. Dabei ist der inhaltliche Anspruch von #unteilbar doch, eine breite Front zu schaffen und ebenso deutlich ist der Fokus auf soziale Themen. Trotzdem: Warum schafft es das Bündnis kaum, Arbeiter:innen und Prekäre anzusprechen?

Sarah Wagenknecht macht einen Widerspruch auf, der keiner ist und schadet dadurch emanzipatorischen Bewegungen! Was ist Arbeiter*innen geholfen, wenn andere Menschen weiter diskriminiert werden, aber darauf nicht mehr aufmerksam gemacht werden darf? Nichts! Wir stehen dafür ein, Kämpfe zusammen zu denken und zusammen zu führen!

Gleichwohl sind wir uns der Kritik bewusst und wir bedauern auch, dass es so wahrgenommen wird. Sicherlich stimmt es auch in Teilen, dass wir gut situierte Menschen und akademische Milieus erreichen und uns daraus rekrutieren.Wir haben versucht, unser Bündnis von Anfang an sehr breit aufzustellen und haben weiträumig die Informationen zu unserem Prozess gestreut, um möglichst viele verschiedene Menschen und Organisationen mit ins Boot zu holen. Wir versuchen, in verständlichen und nachvollziehbaren Arbeitsstrukturen aktiv zu sein, so dass sie niedrigschwellig zugänglich sind. Das heißt aber leider nicht, dass das immer funktioniert.

Bei uns sind die Gewerkschaften recht stark vertreten, insofern würde ich nicht vollständig zustimmen, dass Arbeiter*innen und prekär Beschäftigte bei uns keine Vertretung finden. Was aber auch klar ist, ist, dass man es sich in dieser Gesellschaft leisten können muss, politisch aktiv zu sein und dies in mehrfacher Hinsicht. Die meisten politischen Räume sind durch Akademiker*innen geprägt. Dadurch werden Kulturen und auch unbewusste Ausschlüsse geprägt. Zudem brauche ich Zeit, wenn ich mich politisch engagieren will. Wenn ich, weil ich einen miesen Lohn bekomme, 40 Stunden schuften gehen muss, habe ich schlicht keine Zeit oder Nerv, auch noch Teile meiner raren Freizeit in politischen Aktivismus zu stecken. Als Student*in oder einigermaßen gut bezahlte*r Akademiker*in, kann ich es mir schon eher mal leisten, nur 75% zu arbeiten. Das sind soziale Fragen die darüber entscheiden, wer sich politisch engagieren kann. Das müssen wir auch wieder selbst zum Thema machen!

Insgesamt ist der zivilisatorische Lack im Osten dünner.

„Für einen solidarischen Osten“ ist ein Slogan der Kampagne. Warum ist dieser Bezug für das Bündnis wichtig?

Der “solidarische Osten” ist ein Netzwerk innerhalb von #unteilbar, in dem sich Initiativen aus den östlichen Bundesländern zusammengeschlossen haben. Im Osten,– oder besser gesagt: –auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, stellen sich spezifische Herausforderungen, die eigene Antworten verlangen. Es gibt eine schwächere Zivilgesellschaft, es fehlt das Milieu der (Post-)68er, welches in den alten Bundesländern relevant ist für die Gegenwehr bei rechten Aktivitäten oder bei der Unterstützung von Gruppen, die von Ausgrenzung betroffen sind. Zudem ist die Finanzkraft deutlich geringer. Die Zivilgesellschaft ist sehr viel stärker Abhängig von staatlicher Förderung, dies macht sie angreifbar, wenn die AfD beginnt Einfluss auf die staatlichen Finanzen zu nehmen. Insgesamt ist der zivilisatorische Lack im Osten dünner.

Die zahlreichen Gewalterfahrungen seit den späten 80er Jahren haben Folgen: Diejenigen die Gewalt ausgeübt haben, haben gelernt, dass sie die Gesellschaft damit beeinflussen können. Es hat natürlich auch Folgen bei jenen, die Gewalt erfahren mussten. Sie haben gelernt, dass sie wenige sind, allein gelassen werden und auf die Mehrheit der Gesellschaft und die Polizei nicht vertrauen können. Diese Erfahrungen gibt es über Generationen hinweg, von Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre – bekannt geworden unter dem Hashtag #BaseballschlägerJahre – über die späten 90er und frühen 2000er Jahre sowie zuletzt 2015 beim Zuzug von Geflüchteten und nun wieder im Zuge von Corona und der Querdenkenbewegung. Diese Gewalterfahrungen prägen soziale Räume und die ostdeutsche Transformationsgesellschaft. Dies wurde auch dadurch verstärkt, dass diejenigen mit einer weltoffenen Einstellung diese Gegenden der Gewalt und des Niedergangs konsequent verlassen haben, weil sie für sich keine Perspektive gesehen haben.

Warum finden die Kundgebungen des Bündnisses lediglich in Halle und Magdeburg statt? Also dort, wo die AfD sowieso die geringsten Stimmen bekommt?

Die Probleme, von denen ich eben sprach, sind im ländlichen Raum, in den Dörfern und Kleinstädten nochmal krasser als in den beiden kleinen urbanen Zentren – wenn man die denn so nennen will – also Halle und Magdeburg. In den Dörfern und Kleinstädten gibt es keine Anonymität, wenn man sich gegen Rechts engagiert. Die politisch Aktiven kennen meist die Nazis, die sie bedrohen. Umso größer ist mein und unser Respekt für jene Menschen, die sich konsequent gegen die Menschenfeinde auf dem Land engagieren.

Dass wir als #unteilbar Sachsen-Anhalt nun wieder nur in Halle und Magdeburg auf die Straße gehen, liegt unter anderem daran, dass wir spät gestartet sind. Eine Vernetzung und Zusammenarbeit in so einem Bündnis muss man sich auch erstmal leisten können. Dafür braucht man Zeit und Ressourcen. Es sind zusätzliche Termine, die zur bestehenden Arbeit hinzukommen. Das ist für politisch Aktive auf dem Land und in den Kleinstädten oft gar nicht zu schaffen. Leider sind die Strukturen und die Akteur*innen, die die tagtägliche Arbeit von #uUnteilbar Sachsen-Anhalt tragen und vornehmlich aus den Städten kommen, auch gar nicht so zahlreich. Es unterstützen zwar viele das Anliegen, den Aufruf und die Aktionen, aber die Vorbereitung muss dann doch ein eher kleiner Kreis an Menschen bewältigen.

Was aber auf alle Fälle zutrifft, ist die eher geringe Beteiligung von Menschen aus dem ländlichen Raum. Wir haben uns dafür echt viel Mühe gemacht, gerade auch außerhalb der Ballungszentren auf uns aufmerksam zu machen und zur Mitarbeit einzuladen, aber die Vermutung ist, dass vor Ort einfach so viel zu tun ist, dass gar keine Kapazitäten bleiben, in einem landesweiten Bündnis mitzumachen. Aber es gilt auch weiterhin: Wir freuen uns über alle, die mit dabei sein wollen und laden auch weiterhin dazu ein, dass ihr euch uns anschließt! Wir in den urbanen Zentren haben eine Verantwortung, für die Wenigen die sich auf dem Land engagieren. Wir müssen mit ihnen und für sie kämpfen. Wir müssen Strukturen schaffen, wo wir uns besser unterstützen können und wo eine Vernetzung und ein landesweites Bündnis keine zusätzliche Belastung, sondern eine Entlastung und ein Gewinn darstellen. Da sind wir aber noch nicht. Aber wir haben ja auch erst angefangen.

Wir wollen ja das Bündnis auch nicht ruhen lassen nur weil die Landtagswahl vorbei ist – ganz im Gegenteil! Sich dem Bündnis anzuschließen, wird danach auch weiter möglich sein und wir hoffen sehr, dass wir zukünftig mehr Arbeitskapazitäten haben werden, um auch im ländlichen Raum zivilgesellschaftlichen Akteur*innen den Rücken zu stärken.

Ihr seid nicht allein, wir stehen an eurer Seite!

Welche Vorteile kann es für kleine politische Akteur*innen aus dem ländlichen Raum für ihre tägliche praktische Arbeit haben, sich dem Bündnis anzuschließen? Wie können diese den Weg zu euch finden?

Für Menschen im ländlichen Raum kann so ein landesweit agierendes Bündnis mit Sicherheit eine gute Stütze und Rückversicherung sein. Wir können, wenn #unteilbar Sachsen-Anhalt stetig wächst und sich weiter so gut vernetzt, natürlich auch Kontakte vermitteln und auch ganz praktisch beratend und mit Mobi-Material und Technik geplante Veranstaltungen unterstützen. Ich denke, dass es da zukünftig noch weitaus mehr Anknüpfungspunkte geben kann. Wir sollten in erster Linie jedoch darauf hören, was die Menschen auf dem Land brauchen, um aktiv zu werden bzw. zu bleiben. Am Ende ist meist klar, wie man unterstützen kann: hinfahren, sie beim Protest unterstützen und das Gefühl geben, ihr seid nicht allein, wir stehen an eurer Seite!

Weitere Beiträge zum Thema:

https://transit-magazin.de/2020/12/86ct-fuer-politische-kultur/

https://transit-magazin.de/2017/12/im-feindbild-vereint/