Demolieren statt diskutieren

Die HWG schafft Fakten in der Hafenstraße 7

Denkmalschutz war gestern. Und zwar, als die Aktivist*innen der Hasi noch den Gebäudekomplex in der Hafenstraße betrieben. Was passiert, wenn sich die städtische Wohnungsgesellschaft der Sache annimmt?

Wenige Tage nachdem das soziokulturellen Zentrum Hasi das Grundstück in der Hafenstraße aufgeben musste, wurden dort neben mehreren Bäumen auch ein Nebengebäude abgerissen. Der zuletzt als Werkstatt genutzte Bau war Bestandteil der denkmalgeschützten ehemaligen Gasanstalt und wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Kessel- und Reglerhaus gebaut. In einer Antwort auf ein Auskunftsersuchen zum Objekt Hafenstraße 7 bei der Liegenschaftsverwaltung der Halleschen Wohnungsgesellschaft (HWG), das der Redaktion vorliegt, heißt es über das Kulturdenkmal: „Das vorrangig zur Stadtbeleuchtung angelegte Gaswerk symbolisiert ein selten erhaltenes, frühes Zeugnis in der stadttechnischen Gasversorgung in Sachsen Anhalt, darüber hinaus ist es ein deutschlandweit selten erhaltenes Beispiel der ersten Generation stadttechnischer Verbundsysteme überhaupt“.

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„Der funktionale zeittypische Ziegelbau ist als eingeschossiger Flachsatteldachbau mit Rundbogenfenstern 1894 errichtet worden.“

Wie die StätZ am Freitag berichtete, wollte keiner der Verantwortlichen von den Abrissplänen gewusst haben. Am Mittwoch morgen noch haben sich laut „Du bist Halle!“, OB Bernd Wiegand, Ansiedlungsmanagerin Manuela Hinniger, sowie HWG-Geschäftsführer Jürgen Marx gemeinsam mit Mitarbeitern der Firma Papenburg getroffen, um das Grundstück zu inspizieren. Zwei Tage später hat ein Bagger derselben Baufirma das Nebengebäude eingerissen. Handelt es sich um ein „bedauerliches Missverständnis“, wie die HWG in einer entsprechenden Stellungnahme behauptet?

Nach uns vorliegenden Informationen, wurde weder die untere Denkmalbehörde noch das Landesverwaltungsamt über konkrete Abrissvorhaben in Kenntnis gesetzt. Allerdings soll die HWG beim Amt für Bauordnung bereits im April 2018 einen Antrag auf Abbruch der Gebäude der Hafenstraße 7 gestellt haben.

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Erstmal demolieren, neu bauen kann man dann immer noch.

Selbst wenn es sich bei dem Abriss um ein „Missverständnis“ handeln sollte – für die HWG ist es alles andere als „bedauerlich“. Kurz vor der gescheiterten Räumung im November gab die Wohnungsgesellschaft bekannt, anstelle des soziokulturellen Zentrums sollen Eigentumswohnungen für „mittlere Einkommensklassen“ entstehen. Für ein solches Vorhaben, bei dem, nebenbei bemerkt, städtisches Eigentum privatisiert werden soll, ist Denkmalschutz eine lästige, weil profitmindernde Angelegenheit. Nicht umsonst war die ehemalige Gasanstalt lange Zeit als Altlast verbucht. Doch die merkliche Aufwertung des Gebiets auf der Saaleinsel hat bei der Geschäftsführung der HWG offenbar die Hoffnung genährt, sich des Grundstücks auf profitable Weise entledigen zu können – Kulturdenkmal hin oder her.

Aber die Sache hat aus Sicht der HWG einen Hake: Die Auseinandersetzungen um die Hafenstraße hat die öffentliche Aufmerksamkeit über die Salineinsel hinaus auf Stadtentwicklungsprozesse und die Rolle der HWG als wohnungspolitischer Akteur gelenkt. Bisher meidet jedoch nicht nur die HWG eine öffentliche Auseinandersetzung um Wohnpolitik. Auch OB Wiegand versucht beharrlich städtepolitische Auseinandersetzungen unter Ausschluss von Öffentlichkeit zu steuern und damit zu entpolitisieren. Der Stadtrat wiederum, eigentlich jenes Gremium, das sich mit städtepolitischen Fragen beschäftigen müsste, hat die Debatte über den Verbleib der Hafenstraße in einen Fachausschuss verwiesen. Noch stehen das Hauptgebäude und die Gasometertassen des Kulturdenkmals. Offenbar aber sollen die Fakten vorher besorgt werden – und nachher will’s niemand gewesen sein.

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