„Ausnahmezustand“ im Juli
Sommerkongress des Bundesarbeitskreises kritischer Juragruppen vom 6. bis 8. Juli in Halle
Der diesjährige Sommerkongress des Bundesarbeitskreises kritischer Juragruppen (BAKJ) findet im Juli in Halle statt. Was dort geplant ist und wie man teilnehmen kann, darüber informiert die folgende Einladung der halleschen Ortsgruppe des Netzwerkes.
Als Ausnahmezustand bezeichnet man eine juristisch-politische Situation, die vom Normalfall abweicht, und in der der Souverän deshalb die Ordnung wiederherzustellen versucht. In einer Ausnahmesituation weicht nicht nur das Recht, sondern auch dessen Durchsetzung von der Norm ab. Dabei wird stets auf das Nicht- bzw. Außerrechtliche verwiesen, was es zu bekämpfen gilt, um Recht (wieder)herzustellen.
Das 20. Jahrhundert hat gezeigt, dass der Ausnahmezustand, in dem wir leben, nicht wie sein Begriff vermuten lässt, ein singuläres Ereignis, sondern die Regel ist. Die theoretischen Grundlagen, seine Erscheinung im Gegenwärtigen und was er im Einzelnen für den*die Jurist*in bedeutet, bilden den Gegenstand des diesjährigen Sommerkongresses des BAKJ in Halle (Saale).
Ein Jahr nach dem G20-Gipfel in Hamburg ist der Streit um die Deutungshoheit über das Geschehen rund um die Proteste noch nicht abgeschlossen. Wir wollen dies zum Anlass nehmen, einen breiten und vertieften Blick auf verschiedene Bereiche zu werfen, um die Kontinuität und das „Normale“ der Ausnahme zum Vorschein zu bringen. In Workshops, Vorträgen und Diskussionen sollen die (juristische) Form des Ausnahmezustands, politische Großereignisse wie der G20 Gipfel in Hamburg, aber auch einzelne Praktiken von (staatlichen) Akteur*innen thematisiert werden.
Zum Theoretischen
Die Theorie des Ausnahmezustandes wurde von Carl Schmitt geprägt – einem bürgerlichen Rechtstheoretiker, der zum Kronjuristen des Dritten Reiches avancierte. Bis heute greifen auch kritische Ansätze (z. B. Giorigo Agamben, Chantal Mouffe) auf seine Theorie zurück, um aktuelle Krisen des Rechtsstaats zu analysieren. Doch damit greifen sie auf eine im Kern bürgerliche, zumal antidemokratische, Rechts- und Staatstheorie zurück, die gerade gesellschaftliche Kräfteverhältnisse und Strukturen kapitalistischer Vergesellschaftung nicht thematisiert. Es wird deshalb eine alternative Erklärung der Krisen von Politik und Recht im Fokus stehen: die Dialektik von Demokratie und Kapitalismus.
Gegenwärtige Phänomene
Neben dem Aufzeigen von Herrschaftsformen, durch die eine bestimmte staatliche Perspektive – nicht zuletzt mit „alternativen Fakten“ – versucht wurde in der Öffentlichkeit durchzusetzen, sollen die Aufrüstung der Polizei und der Umgang mit Gefangenen während des G20-Gipfels thematisiert werden. Außerdem wird es um Figuren des Polizeirechts wie die des „Gefährders“ oder der „Gefahrengebiete“ sowie eine Bilanz der 719 Tage Notstandsgesetzgebung in Frankreich gehen. Nicht zuletzt werden wir „linke Protestformen“ kritisch unter die Lupe nehmen.
Hintergrund
Unser Arbeitskreis Kritischer Jurist_innen ist eine Initiative an der Uni Halle, der es darum geht, die sozialen Bezüge des Rechts zu reflektieren und den kritischen Umgang mit dem Recht zu fördern. Dabei interessiert uns vor allem die Arbeitsweise der Rechtsform und wie sie die gesellschaftlichen Sphären prägt und gestaltet.
Da auch an vielen anderen Hochschulstandorten der Bundesrepublik kritische Juragruppen bestehen, die sich für derartige Ziele einsetzen, sind die Ortsgruppen (AKJ*) im Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen (BAKJ) organisiert und veranstalten halbjährlich einen Kongress. Hierbei befassen wir uns in Workshops dezidiert mit einem gesellschaftspolitisch wichtigen Thema aus einer kritisch-juristischen Perspektive und fördern zugleich die Vernetzung zwischen den AKJ*-Hochschulgruppen.